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Ausgabe:

1968

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Weite ausgezeichnet. Christus ist hier als der Herr der Welt geehrt
. Nichts Menschliches ist diesem Buch fremd. Und nichts
Menschliches bleibt herrenlos sich selber überlassen (vgl. die
wiederholte Abgrenzung gegenüber Bultmann und dessen Neigung
, die „Arbeitswelt" und den politischen Bereich aus dem
„Interessenbereich des Gottesvolkes" zu entlassen, S. 242). So überrascht
insbesondere das letzte Kapitel über „Weltliches Leben und
Heiligung" durch die Unbefangenheit, in der die weltliche Seite
des Pfarrerberufes zur Sprache kommt, wie durch die Entschiedenheit
, in der gerade diese Seite in die theologisch-priesterliche
Existenz des Pfarrers integriert wird. Politik und soziale Stellung,
Bildung und Dichtung (!), Ehe und Familie, alles rückt ins Licht
und Gericht des kommenden Reichs. Auch hier ist die begriffliche
Klärung und Abgrenzung bei dem praktischen Zweck des Buches
oft mehr nur angedeutet als durchgeführt; so ist das Abstraktum
„Gesetz" als Oberbegriff für den Anspruch, den die Bildungsmächte
an uns stellen, doch wohl einer genaueren Interpretation
bedürftig. Aber diese Unfertigkeit der Begriffsbildung wird reichlich
aufgewogen durch die Fülle lebensvoller geistlicher Einsicht,
die hier überall hervorströmt.

4. Und nun als Beziehungspunkt alles dessen, was hier im
Blick auf Christus als den Herrn der Kirche und der Welt und
so von der Kirche und der Welt selber gesagt wird, die Berufung
und der Dienst des Pfarrers. Dienst und
Leben des Pfarrers ist bestimmt durch diese Beziehungen. In ihnen
gewinnt er seine Bindung und seine Freiheit, die ganze Last von
Leid und von Anfechtung, die auf ihm liegt, den ganzen Reichtum
an Sinn, Leben, Glück und Erfüllung, die sich ihm auftun. Es wird
manchen Leser zunächst peinlich berühren, wie konkret L. hier
fordert (vgl. besonders den Abschnitt über den Umgang mit der
Schrift). Man ist das bei uns in unseren evangelischen Kirchen so
nicht gewohnt. Aber ich denke, L. hat auch hier die kommende
Kirche für sich. Das Aufkommen evangelischer Orden, die Neubewertung
des Zölibats, der Aufbruch in der römisch-katholischen
Kirche — der Zeichen sind zu viele, als daß man verkennen könnte,
daß der evangelische Pfarrer in einer mehr und mehr säkularisierten
Welt ganz neu in Pflicht genommen ist. Und nun hält L.
solche Zucht und Pflicht ja aus aller gesetzlichen Zwängerei heraus
. Er stellt sie hinein in die Gemeinschaft mit Christus und
seinem Kreuz. Er beschreibt sie als Hilfe inmitten der Unstetheit
des modernen Lebens und unseres eigenen Herzens. Er macht
überzeugend klar, daß gerade aus dem zuchtvollen Gebrauch der
Zeit, aus dem streng durchgehaltenen „Umgang mit der Schrift"
eine große „Gelassenheit" erwächst. Man mu5 es ihm glauben,
wenn er das Studium der Schrift selber als eine „Erholung" bezeichnet
(S. 118).

Ganz klar, daß ein Buch, in dem so frei, lebendig und ungeschützt
gesprochen wird, der Kritik mancherlei Blößen bietet.
Einige wenige wurden angedeutet. Andere ließen sich beifügen.
Der Rezensent verzichtet darauf, sie namhaft zu machen. Er meint,
daß dem Verfasser in erster Linie zu danken sei für das, was er
dem evangelischen Pfarrer und Theologen bietet.

Benken Bl Eduard B u c s s

Schweitzer, Albert: Straßburger Predigten, hrsg. v. U. Neuen-
schwander. München: Beck [1966]. VI, 169 S. 8°. Lw. DM 9,80.

Siebzehn Predigten enthält dieser schön gestaltete Nachlaßband.
Sie beginnen im Jahre 1900 und enden mit einer über die Frage
der Dankbarkeit, die im Juli 1919 gehalten wurde. In die Zeit
nach dem ersten Lambareneaufenthalt fallen nur fünf der Predigten
. Am Gesamtbilde Schweitzers wird durch diese postume
Gabe nichts geändert, aber sie bereichert es. Zwei Darbietungen
aus dem Jahre 1919 sind wohl als Predigten gehalten worden,
sie sind aber eher erste öffentliche Bezeugungen der Lehre
der vencratio vitae. Über Jahrzehnte hinweg ist Schweitzer bestrebt
gewesen, immer wieder sein Grunderleben, das ihn bei
der Vorüberfahrt an der Ogowesandbank in der Nähe der Siedlung
Igendja im September 1915 überkam, vor allem auch brieflich
zu bekräftigen. Den in den Predigten gegebenen gleichsam
noch quellfrischen Zeugnissen vom 16. und 23. Februar 1919 kommt
auf jeden Fall eine große Bedeutung zu.

Wenn etwas bedauerlich ist, so die Tatsache, daß die Fülle der
Aufgaben Schweitzers vielfach nur skizzenhafte Entwürfe erlaubte.
Von diesen konnte nichts in die Sammlung aufgenommen werden.

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Die Kontinuität im inneren Wesensgcfügc des Denkers, Predigers
und Arztes wird auch durch dieses Buch unter Beweis gestellt.

Alle Texte sind dem Neuen Testament entnommen. Das ist
nicht nur dem besonderen Fachgebiet des Vertreters der „konsequenten
Eschatologie" zuzuschreiben, sondern weit eher unter das
anderen Orts von dem verdienten Schweitzerkenner Emil Lind im
Hinblick auf den alten Tropenarzt abgewandelte Rilkewort „Ich
kreise um Gott" in „Ich kreise um Jesus" zu stellen.

Schweitzer besaß stark die Gabe der freien Rede. Die Predigten
dieses Nachlaßbandes bezeugen jedoch den gewissenhaften
Ernst während der Vorbereitung. Wer mit Schweitzer vertraut ist,
weiß bereits aus dem Bericht von 1931 „Aus meinem Leben und
Denken", daß der Reinschrift oft zwei oder drei Skizzen vorhergingen
(S. 21). Den meisten Predigten liegt nur ein einzelner Vers
zugrunde. Irrig aber wäre die Annahme, der Text vertrete nur
die Rolle eines vorangesetzten Spruches. Die Schlichtheit der
Form und eine in makelloser Sprache übermittelte Tiefe der Gedanken
, durchsetzt mit sorgfältig abgestimmten lebensnahen und
knappgefaßten Bildern, lassen diese Predigten auch heute noch
zur Wohltat werden, während doch sonst vielfach eine Summe
von Predigtliteratur schon nach kurzer Zeit fremd anmutet und
mit Recht versinkt. In diesen Predigten sind Einsichten festgehalten
, die einen erstaunlich durchdringenden Blick des damals
noch verhältnismäßig jungen Predigers zeigen. Das tritt besonders
in einer Morgenpredigt, die am 6. Januar 1905 anläßlich eines
Missionsfestes in St. Nicolai gehalten wurde, hervor, wo es heißt:

„O diese Kultur, die so erbaulich von Menschenwürde und
Menschenrechten zu reden weiß, und die diese Menschenrechte
und diese Menschenwürde an Millionen und Millionen mißachtet
und mit Füßen tritt, nur weil sie über dem Meere wohnen und
eine andere Hautfarbe haben . . ." Diese Stelle ist darum so beachtlich
, weil 1905 das Jahr ist, in dem der dreißigjährige Dozent
und Orgelkünstler begann, den Lambarcneentschluß durch das
langjährige mühevolle Medizinstudium in die Tat umzusetzen.
Der Dreißigjährige löste damit das stille Geloben des einundzwanzigjährigen
Studenten der Theologie aus dem Jahre 1896 ein, zu
diesem Zeitpunkt das Leben einem „unmittelbaren Dienen" zu
widmen, wobei freilich von Mittelafrika und dem Arztberuf noch
keine Rede hatte sein können.

Die theologischen Kritiker Schweitzers werden es auch angesichts
dieses Bandes nicht schwer finden, Mängel an dogmatisch
fundierter Aussage festzustellen. Mögen sie aber nicht vergessen,
daß hier eine Frömmigkeit zu Wort kommt, die den „Beweis des
Geistes und der Kraft" ein langes und schweres Leben hindurch
bewährte. Beschämt erfährt der Leser immer wieder den mächtigen
Impuls zur Nachfolge und zur Hingabc. U. Ncuenschwander
bekennt in den ausklingenden Sätzen seines Nachwortes vom
März 1966: „Was uns, Seite um Seite, bewegend, aufrichtend und
tragend, entgegenschlägt, das ist die Glut einer tiefen christlichen
Frömmigkeit, die aus der ebenso mächtigen wie innigen Christusverbundenheit
lebt. . ." Dem ist nichts hinzuzusetzen.

Dresden Rudolf G r a b 8

Antweiler, Anton: Ziel und Spielraum der Pricstcrausbildung

(ThGl 58, 1968, S. 131-147).
Castagna, Domingo: Soll der Laie heute predigen? (Concilium

4, 1968, S. 194-197).

Gössmann, Elisabeth: Die Frau als Priester? (Concilium 4,

1968, S. 288-293).
Hoyer, Richard O.: The Word from the Cross. St. Louis/Miss.-

London: Concordia Publishing Housc [1968]. 96 S. 8°. $ 1,95.
Padberg, Rudolf: Zeitnahe Pastoralthcologie (ThGl 58, 1968,

5. 148-152).

Waltermann, Leo: Rundfunk als Kanzel? (Concilium 4, 1968,
S. 197-203).

LITURGIEWISSENSCHAFT

Birnbaum, W.: Das Kultusproblem und die liturgischen Bewegungen
des 20. Jahrhunderts. I: Die deutsche katholische
liturgische Bewegung. Tübingen: Katzmann-Vcrlag 1966. 166 S.
8°. Kart. DM 22,80.
Als 1926 in Schlatters „Beiträgen zur Förderung christlicher

Theologie" die Studie von W. Birnbaum über „Die katholische

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 6