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1968

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Systematische Theologie: Allgemeines

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satzes. Gleichsam im Negativ macht auch Zahrnt so die außerordentliche
Herausforderung, die er bedeutet, sichtbar. Unter einer
sein Urteil über ihn zusammenfassenden Kapitelüberschrift „Vom
Jenseits zum Diesseits" verläßt er ihn. Man spürt es: für ihn hat
er seine Zeit gehabt. Erste Korrekturen der „Einseitigkeit" Barths
sind aber schon zur Zeit seiner großen Wirkung festzustellen. Als
solche nämlich erscheinen Zahrnt E. Brunners „Schöpfungsoffenbarung
", die „Ur-Offenbarung" von Althaus und die „anthropologische
Richtung", die Barth Gogarten mit „der Einseitigkeit des
Genies" vorwirft. Der Problematik bestimmter Konsequenzen bei
Althaus nach 1933 ist er sich bewußt, kann aber bei seiner Sympathie
für sein Grundanliegen keinen grundsätzlichen, sondern nur
einen siluationsbezogenen Einwand erheben. Man kann fragen,
„ob es überhaupt richtig war, zu jener Zeit so lautstark von
einer allgemeinen Offenbarung in der Form einer Ur-Offenbarung
zu reden" (80). Und von Gogarten stellt er zwar fest, er sei „im
Spätsommer 1933 den .Deutschen Christen' beigetreten" (69), das
viel Wichtigere, den theologischen Hintergrund, der einen solchen
Schritt ermöglicht, läßt er im wesentlichen auf sich beruhen. -
Der Informationswert seiner Feststellung ist übrigens umstritten.
Eine Klarstellung durch Gogarten selber gibt es aber meines Wissens
nicht. - Es liegt auf dieser Linie, wenn er ausführlich erst
hinsichtlich seiner zweifellos bedeutsamen Arbeiten zur Säkularisation
und zum Säkularismus nach dem zweiten Weltkrieg zur
Sprache kommt. In dem allen wird eine Sympathie für die Renaissance
einer „allgemeinen Offenbarung", einer „natürlichen Theologie
" erkennbar, die gekoppelt ist mit einem hermeneutischen
Interesse, für das es undenkbar ist, daß die biblische Offenbarung
sich nicht auf einer Schiene bewegt, die durch des Menschen Fragen
aus „Existenz", „Geschichte" und „Situation" schon gelegt ist.
Der Bogen spannt sich von E. Brunner bis hin zu Tillich, bei dem
Zahrnt resümiert: „Wir können nun einmal keine Antwort verstehen
, die nicht Antwort auf eine zuvor gestellte Frage ist, und
handelte es sich dabei auch um die Antwort der göttlichen Offenbarung
" (401). Er läßt darüber nicht im unklaren, daß er diese
Ansicht teilt. Und so erscheint ihm Tillichs „Methode der Korrelation
", damit aber der Einsatz „von .unten' her, vom Menschen"
(Tillich), als die reife Frucht der „protestantischen Theologie im
20. Jahrhundert". Auch wenn die Namen Althaus und Gogarten,
aber auch E. Brunner nicht fielen und kein Rekurs auf Karl Holl
stattfände, der Hintergrund des lutherischen Schemas von Gesetz
und Evangelium wird erkennbar. Auf ihn ist Zahrnt mit dem
überwiegenden Teil der deutschen „protestantischen Theologie"
festgelegt und so viel konservativer, als er sich gibt. Hier könnte
auch ein Grund dafür zu suchen sein, daß die alttestamentliche
Wissenschaft bei ihm ausfällt. Denn die Infragestellung dieses
lutherischen Dogmas ist eines ihrer wichtigsten Ergebnisse.

Ihre Bewährungsprobe wird Zahrnts erneute konstitutive Einbringung
der Frage des Menschen für Geltung und Relevanz der
biblischen Offenbarung angesichts einer „Situation" bestehen müssen
, die er selber eindrücklich genug charakterisiert. Der Mensch
lebt heute auf „einer immer gottloser werdenden Erde", deren
„Bilanz" Nietzsche zieht: „Gott ist tot." Sehr zuversichtlich stimmt
es nicht, wenn er vor den Konsequenzen der These Bonhoeffers
„vom Ende der Religion" auf einmal zurückweicht und, entsprechend
seiner Konzeption, auch zurückweichen muß. „. . . darüber
wird die protestantische Theologie . . noch einmal neu und gründlich
nachdenken müssen, ob es denn wirklich nicht so etwas wie
ein religiöses Apriori gibt, oder wie man sonst die Frage nach dem
Anknüpfungspunkt', dem ,Vorverständnis', der ,Ansprechbarkeit'
auf selten des Menschen ausdrücken mag" (177). Gerne wird man
seiner Feststellung folgen, „angesichts der totalen Säkularität"
müßten „Glaube und Unglaube" darin konkurrieren, „wer von
beiden die Wirklichkeit der Welt in der rechten Weise wahrnimmt
" (217). Und auch der, daß solches „Wahrnehmen" nicht nur
Erkenntnis, sondern Tun „im Sinne eines .Wahrmachens'" bedeuten
muß. Aber hinter die Ethik Tielickes setzt er, was ihren Zeugniswert
betrifft, am Ende selber ein Fragezeichen. Und Moltmanns
Aufruf zum spezifischen Handeln aus der christlichen Hoffnung
fragt er, ob hier nicht vor der Gegenwart in die Zukunft ausgewichen
werde. Was aber den betrifft, den der Glaube glaubt, so
läßt auch seine Darstellung etwas von dem Gefälle ahnen, das
von der Theologie der existentialen Interpretation bei Bultmann
über die Christologie des existential interpretierten historischen

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Jesus bei Ebeling und Fuchs (auch Gogarten und Tillich wären
hier einzuordnen) hin zur Anthropologie des „glaubenden Selbstverständnisses
" im Zuge der existentialen Interpretation Gottes
selber bei Braun in nichts Geringeres als eine echte Grundlagenkrise
geführt hat, in die „Die Sache mit Gott" geraten ist. Das ist
um so bemerkenswerter, als die Darstellung gerade hier besonders
verständnisvoll und wohlwollend ist. Die Hermeneutik der
Existential-Theologie kommt ja auch Zahrnts Interesse entgegen.
Daß aus dieser Grundlagenkrise Pannenbergs „Theologie der Geschichte
" nicht herausführt, ist einleuchtend. Aber auch Gollwitzers
Einspruch gegen Braun wird mehr registriert als bedacht. Mit ihm
meldet sich ja „Barths Schule", der gegenüber Zahrnt eine gewisse
Animosität bis zuletzt nicht verleugnen kann. Die Rettung sieht er
bei Tillich. Nicht „Objektivismus", nicht „Subjektivismus", sondern
ihre Synthese, „Korrelation" eröffnet den „dritten Weg". Und so
widmet er am Schluß Tillich ein begeistertes Finale. Aber nun
eben „Korrelation", wie Tillich sie versteht. Zeigt Zahrnts Fazit
aus seiner Lehre von „Gott über Gott", sie sei „ein mit dem Mut
der Verzweiflung unternommener Rettungsversuch: Durch eine
äußerste Abstraktion Gottes. . ., den Glauben des Menschen zu
retten" (499), wirklich Rettung an?

Das Gesamturteil, es habe „in der protestantischen Theologie
seit dem ersten Weltkrieg so viel Bewegung gegeben wie, abgesehen
von den Naturwissenschaften, in keiner anderen wissenschaftlichen
Disziplin" (466), kann auch in Zahrnts Buch nicht über
den Eindruck hinwegtrösten, daß sie auf dem besten Wege ist,
die „Gottheit Gottes" wieder zu verlieren. War ihre Korrektur der
Umkehrung Barths, „statt beim Menschen . . . bei Gott" einzusetzen,
vielleicht gar kein Fortschritt, sondern ein Schritt hinter „Die
große Wende" zurück in das 19. Jahrhundert? Zahrnt hat mich,
entgegen seiner Absicht, in dieser Ansicht bestärkt.

Dortmund Eberhard H ü b n c r

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 6