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1968

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Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 6

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schiedentlich formulierten, wenn auch nicht unumstrittenen Aussagen
über Buße und Erneuerung der Kirchen noch nicht erreicht
sind.

Mit seinem geschichtlichen Überblick und seinem Anhang, der
Dokumente, Bibliographien und Anschriften enthält, ist das Buch
sicher eine erwünschte Informationsquelle über die altkatholische
Kirche. Nach seinem theologischen Gehalt wird es aber doch wohl
zahlreichen Einwänden und Vorbehalten begegnen, die nicht im
Bereich des Kontroverstheologischen liegen, wo also auch das Urteil
nicht der Lehre einer Kirche und ihrem Selbstverständnis,
sondern einer individuellen Darstellung gilt. Immerhin könnte
das Buch eine Anregung sein, das unmittelbare theologische Gespräch
mit den altkatholischen Brüdern nicht ganz aus den Augen
zu verlieren.

Muri b. Bern Reinhard S 1 e n c z k a

Latourelle, Rene: Vatican II et les signes de le Revelation

(Gregorianum 49, 1968, S. 225-252).
S c h i 11 e b e e c k x , E., O. P.: Autour du celibat du pretre. Etüde

critique. Traduit du neerlandais par A. Freund. Paris: Les

Editions du Cerf 1967. 149 S. kl. 8° = Collection lumicre de la

foi, 34. „Morale et anthropologie". ffr. 12,-.
Suärez, Francisco, S. I.: De Ecclesia y De Pontifice. Introduc-

ciön y edieiön de A. Vargas-Machuca. S. A. aus Arch Teol Gran

30 (1967) S. 245-331. Granada: Centro de Estudios Postridcntri-

nos. Facultad de Teologia. gr. 8°.

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Dilthey, Wilhelm: Leben Schleiermachers. II: Schleiermachers
System als Philosophie und Theologie. Aus dem Nachlaß v.
W. Dilthey mit einer Einleitung hrsg. v. M. R e d e k e r.
1: Schleiermachers System als Philosophie. LXXX, 470 S., 1 Taf.
2: Schleiermachers System als Theologie. VI, S. 471-811. Berlin:
de Gruyter 1966. gr. 8°. Lw. DM 98,-.

Jeder wird es zunächst dankbar begrüßen: Wesentliche Teile
zur Fortsetzung der Biographie Schleiermachers, deren 1. Band
Dilthey 1870 veröffentlicht hat, sind jetzt aus seinem Nachlaß
herausgegeben und damit für die geisteswissenschaftliche und
theologie- oder auch philosophiegeschichtliche Forschung zugänglich
gemacht worden. Nachdem H. Mulert 1922 in einer zweiten,
erweiterten Auflage des Diltheyschen Buches bereits die „von
Dilthey selbst noch geplanten Verbesserungen berücksichtigt und
außerdem andere Arbeiten zur Biographie Schleiermachers [in
einem engeren Sinne dieses Wortes] dieser neuen Ausgabe eingefügt
" hat, veröffentlicht Redeker nun die „sehr viel umfangreicheren
Untersuchungen Diltheys, die das System Schleiermachcrs
betreffen" (LXI). Das erscheint als völlig berechtigt, weil für
Dilthey die geistesgeschichtliche Biographie die Denkarbeit eines
Menschen, seine geistige Entwicklung in dem sachlich-inhaltlich
bestimmten Sinne des Werdens seiner Weltansicht, mit umfaßt.

Man wird auch sagen müssen, daß das vielgestaltige, zum
großen Teil fragmentarische und durch die bisherige Überlieferung
eher durcheinandergebrachte Material vom Herausgeber in
einer übersichtlichen Form dargeboten wird. Vor allem wird man
es begrüßen, daß die vielen offensichtlichen und latenten Zitate
Diltheys aus Schlciermachers Gesamtwerk und aus vielen anderen
philosophischen, theologischen und literarischen Werken so genau
wie möglich nachgewiesen werden.

Aber es geht hier um eine doppelte Aufgabe, wie sie im Text
der Umschlagklappe nicht unzutreffend umrissen wird: „Daher ist
die Edition des zweiten Bandes des Schleiermacher-Werkes Diltheys
. . . für die Schleiermacher-Forschung sowie für die Deutung
des wissenschaftlichen Werkes Diltheys in gleicher Weise wichtig."
An dieser Stelle beginnen schon die Fragen: Kann man wirklich
von einem zweiten Band des Schlciermacher-Werkes Diltheys sprechen
? Mulert hat bereits wichtiges Material zur Fortsetzung von
Diltheys „Leben Schleiermachers. Bd. 1" in die 2. Auflage dieses
Buches eingearbeitet. Die große Zahl von „Schleicrmacher-Arbeiten
Diltheys" aus „allen Perioden seines Lebens" (XXV) fügen sich
von sich aus nicht zu einem Ganzen, das als solches zur Veröffentlichung
reif gewesen wäre. R. betont selbst, daß ein „vollständiger
Entwurf Diltheys" für den Aufbau eines weiteren Bandes
seiner Schleiermacher-Biographie nicht existiert (LXIII). Hätte
er nicht besser daran getan, in der Textgestaltung seiner Veröffentlichung
deutlich zur Geltung zu bringen, daß ihm nichts
anderes vorliegt als eine Vielzahl von Materialien sehr verschiedener
Art, die aus ganz verschiedenen Perioden des Diltheyschen
Schaffens stammen und die allenthalben den Charakter des Unabgeschlossenen
, Fragmentarischen, in der Entwicklung Befindlichen
an sich haben?

Die Hauptfrage, die sich aus der zitierten Stelle des Klappentextes
ergibt, geht dahin, ob diese Materialien, die „in gleicher
Weise" für die Erforschung Schleiermachers und Diltheys wichtig
sind, in dieser doppelten Wichtigkeit vom Herausgeber erfaßt
worden sind. Die Veröffentlichung R.s scheint sich in erster Linie
als ein Beitrag zur Schleiermacher-Forschung zu verstehen. Er
sieht zwar, daß hier nicht das Schleiermacher-Buch eines beliebigen
Autors herausgegeben wird, sondern eben Diltheys, dessen
Lebensarbeit schlechthin Wesentliches für die Erschließung und
die weitere Wirksamkeit des Schleiermacherschen Denkens bedeutet
. Er sagt auch selbst, daß „Dilthey für uns heute Geschichte
und nicht Gegenwart" ist (LXI), daß sein Werk also nur mit den
Methoden der historischen Wissenschaft sachgemäß begriffen werden
kann.

Indessen hat er dennoch in erster Linie Schleiermachcr-For-
schung darbieten und nicht in gleicher Weise Dilthey-Forschung
leisten wollen. Das geht schon daraus hervor, daß er verschiedene
Manuskripte Diltheys, die oft aus ganz verschiedenen Zeiten
stammen, ohne deutliche Kennzeichnung im Text selber zu einheitlichen
Kapiteln oder Abschnitten verarbeitet hat. Gegenüber
Dilthey ist die kritische Distanz nicht groß genug, darum wird
mit seinen Manuskripten nicht historisch-kritisch genug umgegangen
. Im Verhältnis dazu nützt es dem Benutzer vergleichsweise
wenig, wenn jeweils auf das Wort genau mitgeteilt wird,
was „Originalmanuskripte Diltheys" sind und was „Diktate Diltheys
an seine Sekretäre, die er selbst korrigierte" (5 Anm. 1).

Obgleich sich R. - von dem christologischen Ausgangspunkt
abgesehen, daß für Dilthey „das Ewige und Absolute sich in einer
geschichtlichen Gestalt nicht vollkommen offenbaren könne" (XLIV)
- mit diesem einig weiß über das Verständnis Schleiermachcrs, erscheint
es uns doch problematisch, ob er die in Diltheys Materialien
steckende Intention zur Fortsetzung der Schleicrmacher-Bio-
graphie richtig erfaßt hat. Wir möchten nicht versäumen, den Titel,
den er Diltheys „Leben Schleiermachcrs. Bd. 2" gegenben hat:
„Schleiermachers System als Philosophie und Theologie" mit einem
deutlichen Fragezeichen zu versehen. Es gibt Beispiele genug, daß
durch solche vom Herausgeber gesetzten Titel die Forschung auf
Jahrzehnte hin in eine falsche Richtung gelenkt worden ist. Wir
erinnern nur an Nohls Ausgabe von „Hegels theologischen Jugendschriften
". R.s Titel für seine Ausgabe und ihr Aufbau, der nach
der Wiedergabe einer Reihe von Arbeiten zu den „entwicklungs-
und geistesgeschichtlichen Voraussetzungen" (auch dieser Zwischentitel
stammt wie viele andere vom Herausgeber) dem System
Schleiermachers folgt, wie es aus seinen Vorlesungen zu entnehmen
ist, gerät bereits durch folgende von ihm selbst zitierte Briefstelle
Diltheys in ein merkwürdiges Zwielicht: Dilthey plane „eine
systematische Darstellung der Weltansicht Schleiermachcrs zu
geben ,ganz unabhängig von der Ordnung, in welche sie seine
Vorlesungen gebracht haben, aus der Anschauung des wahren Zusammenhanges
in seinem Geiste heraus'" (XXV). Zwei weitere
kurze Zitate sollen die Fraglichkeit des Titels und des Aufbaus
unterstreichen: „Er [Schleiermacher) hat so wenig ein System wie
Sokrates" (463). „Schleiermacher hat philosophiert ein Leben hindurch
, er hat kein System der Philosophie geschaffen" (465).

Die Ambivalenz des Systembegriffes ist natürlich auch R. nicht
verborgen (s. XXVI ff.), aber im Aufbau seiner Ausgabe ist zuviel
System und zuwenig Entwicklung geltend gemacht, als daß er
Diltheys Intention treffen könnte. Die zitierten Äußerungen gegen
alles Systematische bei Schleiermacher stehen nicht zufällig im
Zusammenhang von Bemerkungen zu seinen Vorlesungen über
Psychologie. Hier liegt nach Dilthey die Schleicrmacher selbst nicht
hinreichend zum Bewußtsein gekommene „allgemeine Grundlage"
seines gesamten Denkens (465). In dem Entwurf einer Vorrede
zu einer Arbeit, in der Dilthey vor dem Abschluß seines „Werkes
über Schleiermacher" die „Grundlagen" seiner eigenen Philosophie
offenlegen wollte, heißt es wiederum in einer sehr knappen.