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Ausgabe:

1968

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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ständnis, die mit der paradoxen Formulierung simul iustus -
simul peccator umschrieben wird, hält er weder mit seiner Unterscheidung
der beiden loci durch noch mit seiner Verteidigung
des tertius usus legis, den er bei Luther zwar nicht expressis
verbis findet, aber faktisch nachweisen zu können meint. Er sucht
diese Spannung deshalb nicht nur logisch (vgl. die Thesen seines
Ergebnisses S. 225 ff., bes. Thesen 7 ff.), sondern auch theologisch
(13 ff.) und existentiell (17 ff.) aufzulösen (vgl. auch S. 170).

Sicher ist die Bevorzugung von Äußerungen aus Predigten
Luthers dem Anliegen des Verfassers entgegengekommen, die Bedeutung
der Heiligung zu unterstreichen. Kann doch die in der
Predigt gegebene seelsorgerliche Situation zu Formulierungen
führen, die die Werke und das Gericht nach den Werken zu betonen
scheinen (vgl. S. 45). Allerdings müssen wir darüber hinaus
die Frage stellen, wieweit die zahlreich angeführten Lutherzitate
wirklich die Auffassung des Verfassers stützen können. Häufig
scheint uns seine Interpretation nicht zwingend.

So ist eine Arbeit entstanden, die im einzelnen auf viele wichtige
Aspekte aufmerksam macht, zumal sie alle einschlägige Literatur
, die bei der Abfassung vorlag, berücksichtigt, die im ganzen
aber zur Auseinandersetzung zwingt.

Leipzig Ingetraut L u d o 1 p h y

Luther deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl
für die Gegenwart hrsg. v. K. Aland. Bd. 7: Der Christ in
der Welt. 2., erweit. u. neubearb. Aufl. Stuttgart: Klotz, u. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1967. 416 S. 8°. Lw. DM 30,-.
Die zweite Auflage des hier angezeigten Bandes hat nicht die
Umgestaltung erhalten wie die anderen bereits vorliegenden
Bände. Die Schriften haben zwar eine Neubearbeitung erfahren
und sind zum Teil in ihrem Abdruck auch erweitert worden, trotzdem
gilt nach wie vor das von Paul Althaus zur ersten Auflage
Gesagte (vgl. ThLZ 81 [1956] Sp. 52 f.). Neu aufgenommen wurde
ein Brief Luthers unter dem Titel „Ein Sendbrief von der Wurze-
ner Fehde" aus WA Briefe 10, 32 ff. und „Ein Brief an die Fürsten
zu Sachsen" aus WA 15, 210 ff. Wichtig ist, daß die Anmerkungen
teilweise instruktiver geworden sind. Einige Erklärungen sind neu
hinzugekommen. Für Druck und Ausstattung gilt das von mir zu
den Bänden 6 und 8 Angezeigte (ThLZ 92 [1967] Sp. 205-207).

Berlin Hans-Ulrich D e 1 i u s

H a 1 a s k i, Karl [Hrsg.]: Der Prediger Johannes Calvin. Beiträge
und Nachrichten zur Ausgabe der Supplementa Calviniana. Neukirchen
-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins
[1966]. 95 S. 8° = „Nach Gottes Wort reformiert", hrsg. von Karl
Halaski, 17. DM 6,80.
Die Berichterstattung zur Ausgabe der Supplementa Calviniana
ist durch ThLZ laufend erfolgt. Die letzte Rezension - es handelte
sich um die Anzeige von „Sermons inedits" über Jes. 13-29
und über Micha - ist im 91. Jg., Nr. 11, Sp. 842 ff., abgedruckt.
Das vorliegende Heft wiederholt zwar manches, was zur Einführung
in die Textedition in den erschienenen Bänden bereits zum
Ausdruck gekommen war, aber die „Beiträge und Nachrichten"
bieten neben dem erneuten gesammelten Hinweis auf das ganze
Unternehmen mit den bislang nicht veröffentlichten Calvinpredigten
eine gute Orientierung über deren wissenschaftliche Bearbeitung
in der jüngsten Vergangenheit. Darüber hinaus enthält der
kleine Band einige Streiflichter, die bisher wenig Bekanntes aus
der Predigtliteratur des Genfer Reformators erhellen.

Der Herausgeber weist in einem kurzen Vorwort darauf hin,
daß der Ruhm gerade des reformatorischen Predigers verblaßt sei,
der „weit mehr das gesprochene als das geschriebene Wort in den
Dienst der ihm anvertrauten Sache gestellt" habe (S. 7). Will man
den ganzen Calvin „kennenlernen, so gehört dazu auch eine ausreichende
Kenntnis seiner Predigttätigkeit" (S. 8).

Erwin Mülhaupt, der die Gesamtverantwortung für die Supplementa
übernommen hat, referiert in einem ersten Beitrag über
„Vorgeschichte, Überlieferung und gegenwärtigen(r) Stand der
Edition". Die Initiative zur Herausgabe lag seit den Anfängen
(1928) bei Hanns Rückert und Erwin Mülhaupt. Der letztere hat
einen wesentlichen Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit in den
Dienst an der Publikation der Predigt Calvins gestellt. - Ausgedehnte
Umfragen, die zahlreiche wichtige Bibliotheken der Welt
einbezogen, haben bisher verloren Gewähntes zutage gefördert.

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1956 ergriff das Calvin Publication Committee die Initiative zur
Konstituierung eines Editionskomitees, das seither an der Arbeit
ist. Von 650 ungedruckten Calvinpredigten, die die große Lücke
im Corpus Reformatorum bilden, waren bis zum Redaktionsschluß
des Beitrages (1964) 181 ediert, d. h. genau 87 Predigten über
2. Samuel (Rückert), 66 über Jes. 13-29 (Barrois) und 28 über
Micha (Benoit). Es stehen demnach noch aus knapp Dreiviertel
der ungedruckten Predigten, die zu folgenden biblischen Texten
gehalten worden sind: Gen. 1-20 (Stauffer, Paris), Psalmen u. a.
(Mülhaupt, Wuppertal), Jer. 14-18 (Peter, Straßburg), Ez. 1-15;
23-48 (Nagy, Budapest), Act. 1-9 (Dankbaar, Groningen) und
1. Kor. 1-9 (Dankbaar, Groningen) (S. 20).

Von den in absehbarer Zeit zur Auswertung vorliegenden Predigten
wird zwar keine neue Sicht Calvinscher Theologie erwartet,
aber viele Einzelbeobachtungen werden die Züge des in der Beurteilung
immer noch schwankenden Calvinbildes festigen helfen.

Einen kleinen Einblick in die Atmosphäre um die Predigt des
Reformators vermittelt der Mitherausgeber der Sermons inedits
Barrois („Calvin und die Genfer", S. 25 ff.). Er schildert besonders
das Eingehen Calvins auf seine Hörergemeinde und zitiert viel
Aufschlußreiches zur Soziologie des damaligen Genf.

Eine erste partielle Auswertung seiner Editionsarbeit an den
Michapredigten unternimmt Benoit („Kleiner Traktat über die
Nächstenliebe", S. 31 ff.). Er zeigt, wie der Reformator konkret
dem nahen Nächsten predigt. „Daher kommen alle die sozialen
Einrichtungen (Schulen, Hospitäler, Fürsorge für die Armen, Waisen
, Heimatlosen), die bezeichnend für die Genfer Kirche sind,
diese Kirche, die für Calvin ihrem Wesen nach eine brüderliche
Kirche sein sollte" (S. 39).

Derselbe Verfasser konfrontiert seine - in vielen Fällen sicher
erstaunten - Leser mit der Nüchternheit einer Weihnachtspredigt
Calvins (S. 40 ff.). Am Morgen des 25. Dezember 1550, 6 Uhr, also
noch in der Dunkelheit, redet der Reformator seine Gemeinde im
Turnus der Wochentagspredigttexte an. Er nahm weder auf Advent
noch auf Weihnachten in der Perikopenauswahl Rücksicht und
auch nicht in der Auslegung. Calvin hält nichts von besonderen
Festen im Kirchenjahreszyklus. Es würde sich um einen Gottesdienst
nach den Gelüsten des Menschen handeln, „wenn man aus
dem Weihnachtstag einen Festtag macht(e)" (S. 43). Man könne
der Geburt des Herrn ebenso gut an irgendeinem Wochentag gedenken
. „.. . wenn wir so unglückselig sind, einen Gottesdienst
nach unserer Phantasie einrichten zu wollen, dann lästern wir
Gott und machen einen Götzen aus ihm. . ." „Im kalten Morgengrauen
kehren die Genfer . . . nach Hause, um einen Arbeitstag zu
beginnen" (S. 44).

Den Beschluß bildet eine aus dem Jahre 1562 überlieferte Calvinpredigt
über Psalm 46, 1-6 in englischer Sprache (S. 47 ff.).
Richard Stauffer hat Einführung und Tcxtherstellung besorgt,
ebenso eine französische Übersetzung. Erwin Mülhaupt hat die
englische Version ins Deutsche übertragen.

Es könnte sein, daß der kleine Band mit seinen gut abgewogenen
und thematisch aufeinander abgestimmten Beiträgen der
literarischen Hinterlassenschaft Calvins manchen Freund unter
denen gewinnt, die aus technischen oder anderen Gründen bisher
keinen Zugang zu den großen Quartbänden der wissenschaftlichen
Edition hatten.

Berlin Joachim R o g g e

Beumer, Johannes: Studien zur Literargeschichte der Reformation
(ThPh 43, 1968, S. 81-90).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Gerlach-Praetorius, Angelika: Die Kirche vor der Eidesfrage
. Die Diskussion um den Pfarrereid im Dritten Reich. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1967. 235 S. gr. 8° = Arbeiten
z. Geschichte des Kirchenkampfes. Im Auftrag d. „Kommission
d. Evangelischen Kirche in Deutschland f. d. Geschichte d.
Kirchenkampfes" in Verbindung m. H. Brunotte u. E. Wolf hrsg.
v. K. D. Schmidt f, 18. Kart. DM 24,-.
Im Amtsblatt der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 1. Juni 1945 heißt es: „Die Verordnung über die Treueverpflichtung
der Geistlichen und Beamten der Evangelischen Landes-

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 6