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Ausgabe:

1968

Spalte:

421-423

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Māzār, Binyāmîn

Titel/Untertitel:

En-Gedi 1968

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 6

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vorsichtiger sein müssen, wenn das Formen des Menschen aus
Erde zusammen mit dem Einblasen des Lebenshauches in afrikanischen
Schöpfungserzählungen häufig begegnet (153 und 161).
Man wird dann auch stärker zu beachten haben, dafi das Thema
Erschaffung des Menschen das in den primitiven Kulturen beherrschende
Schöpfungsmotiv ist, während in den Kulturreligionen
das Nahen Ostens das Thema der Weltschöpfung beherrschend
wurde. Damit bekommt auch der auffällige Tatbestand, den der
Verfasser S. 152 feststellt, eine Erklärung, dafi es nämlich zur Weltschöpfung
(Gen. 1) viele und sehr nahe Parallelen gibt, zu Gen. 2 f.
dagegen eine eindeutige Entsprechung fehlt, wohl aber Einzelmotive
hier und da zu finden sind. Dem Verfasser ist dann auch
darin zuzustimmen, dafi sowohl hinter Gen. 2 wie hinter Ez 28,
12-18 voneinander unabhängige Erzählungen von der Menschenschöpfung
stehen, die beide in der mündlichen Erzähltradition in
Israel lebten.

3. In dem Aufsatz „The Social Character of Inspiration" (59-69)
geht der Verfasser davon aus, dafi im Verständnis der Inspirationslehre
seit Lagrange und Franzelin kaum wesentliche Fortschritte
gemacht worden seien. Jetzt sei eine Situation eingetreten, in der
die kritische Bibelwissenschaft eine neue Sicht der Inspiration ermögliche
. Für die frühere Inspirationslehre war bezeichnend, dafi
sie das geschriebene Wort, und zwar in der Form des Buches,
voraussetzte: „it was too bookish" (60). Wenn wir heute nach dem
Entstehen der biblischen Bücher fragen, gibt es für uns nicht mehr
das geschlossene Buch, das vielmehr erst in das letzte Stadium
der Redaktionsgeschichte gehört; noch wichtiger aber ist, dafi sich
das Entstehen vom Schreibvorgang weithin auf den Vorgang des
Sagens, des Erzählens, Verkündigens, Preisens, Klagens und Ver-
heifiens usw. verlegt hat und dann das, was wir Inspiration nennen
, auf diese mündlichen Vorgänge zu beziehen wäre. Für den
alten Inspirationsbegriff entsteht hier aber die Schwierigkeit, dafi
mündliche Tradition meist anonym ist, dafi sie aber aufterdem,
handelt es sich z. B. um Erzählungen, meist in mehreren Gestalten
tradiert werden, so dafi es ein Original, das man als inspiriert bezeichnen
könnte, gar nicht gibt: „each successive bard or balladist
was the creator of the story anew" (62). (Dies ist auf einem ganz
anderen Gebiet eindrucksvoll dargestellt worden von Albert B. Lord,
Der Sänger erzählt: Wie ein Epos entsteht, München 1965. Originalausgabe
: The Singer of Tales, Harvard University Press 1960.)

Der Verfasser folgt Benoit und K. Rahner in einer Neufassung
des Inspirationsbegriffes, in der auf den sozialen Charakter der
Inspiration hingewiesen wird. Die Autoren der biblischen Schriften
erfüllten eine soziale Funktion, sie sprachen nicht für sich,
sondern für die Gemeinschaft: „The society was the real author of
the literature" (64). Und dies gilt insbesondere für das mündliche
Stadium der Tradition: „The oral recitor was the spokesman of
the group he addressed". Daraus folgt notwendig eine Erweiterung
des Inspirationsbegriff es: sie ist mifiverstanden, wenn sie
v°n dem sonstigen Wirken des Geistes in Gottes Volk isoliert wird.

Eür den so gefaßten Inspirationsbegriff ergibt sich nun eine
weitreichende Folge: Es ist dann ein Inspirationsbegriff nicht mehr
zu halten, für den das Inspiriertsein eines Schriftzusammenhanges
eine schlechthin gleichmachende Wirkung hat. Der Begriff Inspiration
, so sagt der Verfasser, wird fast seines Sinnes entleert, wenn
man darauf besteht, dafi alle diese Bücher in gleicher Weise inspi-
nert seien und in gleicher Weise Wort Gottes seien (69). Wir
können dann nicht mehr anders, als zwischen den Schriften, die
Wlr_ als inspiriert und somit als Gottes Wort bezeichnen, Unterschiede
zu sehen: „. . . that the clarity of insight and the vigor of
Personal response is less in some men than in others" (69).

Hier ist mit anderen Worten zum Ausdruck gebracht, was in
der protestantischen Bibelforschung „innere Kanonkritik" o. ä. genannt
wird. Versteht man die Inspiration so, dann liegt ein grundlegender
Gegensatz zwischen den Konfessionen an dieser Stelle
nicht mehr vor.

Heidelberg Onus Westermann

Mazar,B., Dothan, Trude, and I. Dunaycvsky: En-Gedi.
The First and Second Seasons of Excavations 1961-1962. Jerusalem
: Ministry of Education and Culturc. Department of Anti-
guitics and Museums 1966. IV, 100 S. m. 33 Abb., 37 Taf., 2 Pläne
40 = 'Atiqot, English Serics, ed. by A. Biran, I. Pommcrantz, V.
$ 4,30.

Mit dankenswerter Schnelligkeit ist der Ausgrabungsbericht
über En-Gedi veröffentlicht worden, obwohl die Ausgrabungen
in dieser Oase am Toten Meer weitergehen und der Ausgräber
eine dritte Kampagne im März 1964 durchgeführt hat (IEJ 14, 1964,
121-130). Der vorliegende Band über die beiden ersten Grabungskampagnen
ist aber kein vorläufiger, sondern ein abschließender
Bericht, da er mit genauen Zeichnungen, umfassenden Keramiktafeln
usw. ausgestattet ist. Kleine Korrekturen können natürlich
immer noch angebracht werden, etwa darin, dafi der Ausgräber
bezüglich der Keramik des Stratums IV jetzt eindeutig urteilt, dafi
sie ausschließlich in das 5. Jahrhundert hineingehört.

Der Bericht ist in drei grofie Teile gegliedert. Im ersten Teil
gibt der Ausgräber eine ausführliche Übersicht über die Geschichte
der Oase En-Gedi in den vorexilischen Perioden sowie in den
späteren Zeiten (S. 1-7). Dann behandelt er die wirtschaftliche
Bedeutung von En-Gedi (S. 7-9). Diese ist durch die Grabungsergebnisse
in den beiden ältesten Strata bedeutsam in Erscheinung
getreten. En-Gedi war ja in der Antike berühmt wegen seiner
Balsamerzeugung. Eine Duftstoffmanufaktur hatte hier ihren Sitz.
Daneben wurde Bitumen aus dem Toten Meer für industrielle
Zwecke, insbesondere für den Schiffsbau, gewonnen und exportiert.
Ägypten hatte starken Bedarf an Bitumen (vgl. mein Buch „Handschriftenfunde
II: Die Sekte von Qumran" 19612, 15 f.).

Die Übersicht über die bisherigen Forschungen (S. 9-12) zeigt,
dafi im 19. Jahrhundert das wissenschaftliche Interesse sich ganz
auf Oberflächenuntersuchungen konzentrierte, so besonders bei
Ed. Robinson und 1911 bei F. M. Abel. Weitere Forschung konzentrierte
sich auf den teil ed-dschurn (= Teil Goren), auf das Quellgebiet
der Oase und auf die Höhlen am nahal David, von denen
im Jahre 1905 bereits eine grofie, die später „Höhle der Zisterne"
genannt wurde, von Sandel (ZDPV 30, 1907, 82 ff.) untersucht worden
war. Eine größere Sammlung von Tongefäfien der Eisen-II-Zeit
befindet sich jetzt als die H.-A.-Clark-Collection im Gebäude des
YMCA in Jerusalem. Sie kommen, da sie größtenteils unbeschädigt
sind, aus Gräbern her. Ihnen widmet der Ausgräber in Kapitel III
eine besondere Untersuchung mit dem Ergebnis, dafi sie aus dem
ganzen 7. Jahrhundert v. Chr. stammen und mit ähnlicher Ware
aus den Gräbern von Lachisch, Beth Schemesch und vom Teil el-ful
zusammenzustellen sind. Sie sind verwandt mit der Keramik des
Stratums V vom teil ed-dschurn, das Fehlen einzelner Keramiktypen
in Stratum V erklärt sich daraus, dafi die Stratum-V-Keramik
vom Ende des 7. und dem beginnenden 6. Jahrhundert v. Chr.
stammt.

Im Jahre 1949 hat der verdienstvolle Ausgräber seine Forschungen
in En-Gedi begonnen. In den Jahren 1961 und 1962 führte er
jeweils zwei längere Kampagnen durch. Inzwischen hatte ein von
Y. Aharoni geleitetes archäologisches Team die Arbeit in En-Gedi
aufgenommen. Andere Forscher, wie Nelson Glueck und J. Naveh,
arbeiteten ebenfalls in En-Gedi. Letzterer entdeckte bei einer Versuchsgrabung
eine Baulichkeit der chalkolithischen Periode, die
sich als ein Temenos erwies, aus dem der in der „Schatzhöhle" des
nahal mischmar gefundene Schatz von etwa 430 Metallgegenständen
stammen dürfte. Zu diesem Fund sowie zu weiteren Funden
in der „Höhle der Zisterne" im nahal David vgl. mein Buch „Die
Handschriftenfunde in der Wüste Juda", 1962, 40-50.

Die Arbeit des Ausgräbers wandte sich wesentlich dem Teil
Goren (teil ed-dschurn) zu. Er stellte fünf verschiedene Strata fest,
von denen das fünfte älteste in die Zeit des Königs Josia bis zum
babylonischen Exil gehört, also 630-582/1. Das vierte Stratum,
die Perserzeit, zeigt wiederum eine wirtschaftliche Blüte infolge
der Heimkehr der Juden aus dem Exil. Dieses Stratum umfaßt das
5. und wohl auch das 4. Jahrhundert v. Chr. Nach Mitteilungen
von der dritten Kampagne sind Reste attischer Keramik in dieser
persischen Schicht gefunden worden, ähnlich wie auf dem teil el-
chlefi am Golf von Aqaba. Die genannte Keramik des teil ed-dschurn
ist von einem amerikanischen Archäologen genau untersucht worden
mit dem Ergebnis, dafi es sich ausschließlich um Ware des
5. vorchristlichen Jahrhunderts handele. Nach diesem Ergebnis
setzt der Ausgräber die nachexilische Blüteperiode in En-Gedi in
die Zeit von etwa 515 bis 400 v. Chr. Dann beginnt ein Niedergang
, der sowohl auf teil ed-dschurn wie auf teil el-chlefi beobachtet
werden kann. Die aramäischen Ostraka von teil el-chlefi werden
jetzt an das Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. gerückt (IEJ 14,
1964, 126 f., Anm. 7 und 8). Wahrscheinlich ist eine Invasion no-

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