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Ausgabe:

1968

Spalte:

19-24

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Welker, Klaus Eberhard

Titel/Untertitel:

Die grundsätzliche Beurteilung der Religionsgeschichte durch Schleiermacher 1968

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 1

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die Sonne des Glücks über ihr und ihm. Er konnte heiraten, sah
in eine gesicherte Zukunft und wiegte noch sein Kindchen auf
dem Arm. Dann wurde er ausgelöscht.

Am 30.3.1942 starb, nach schwerer Verwundung, in einem
Feldlazarett im Osten, der Pfarrer Lic. Günter G e n t z . Er war
Jahrgang 1912, besuchte das Gymnasium in Koblenz und studierte
seit 1931 in Berlin Theologie. Neben seinem Berliner Pfarramt
arbeitete er weiter wissenschaftlich und legte 1938 seine
Lic.-Prüfung ab. Seine Neigungen hatten ihn frühzeitig auf das
Gebiet der historischen Theologie und in Lietzmanns Seminar
geführt. Während seiner Mitarbeit in der Kommission trat er
H. G. Opitz näher und wurde von ihm für die Vorarbeiten für
die Ausgaben der griechischen Kirchenhistoriker herangezogen.
Sokrates Scholasticus und Theodoras Lector waren seine näheren
Arbeitsgebiete. Während er hier nur Gehilfe von Opitz war,
ist er ganz selbständig tätig gewesen, als er die Kirchengeschichte
des Nicephorus Callistus erforschte (das Thema seiner
Dissertation). Wir verdanken der sorgfältigen Betreuung der Arbeit
durch Herrn Dr. Friedrich Winckelmann ihre erst jetzt erfolgte
Drucklegung. Wir dürfen uns darüber freuen, daß das
Andenken an Gentz, der so wenig aus sich zu machen pflegte,
unter uns durch diese jüngste Veröffentlichung (Band 98 der
Texte und Untersuchungen) wieder frisch erstanden ist.

Am 14. 7. 1942 fiel im Osten Bernhard Rehm, der sechste
in dieser Reihe und, wenn wir uns daran erinnern, daß der Todestag
Hans Lietzmanns der 25. 6.1942 war, der siebente Tote
der Kommission innerhalb eines Jahres. Bernhard Rehm (geb.
1909) kam wie Ital Geizer und Karl Holl aus einem Elternhaus
mit gelehrter Tradition. Sein Vater war der Sohn des Münchener
Klassischen Philologen Albert Rehm. Er ist neben Opitz der
bereits Geprägteste aus dem Kreis der Jüngeren gewesen. Mit
22 Jahren hatte er den Doktorgrad mit einer Arbeit über das
geographische Bild Italiens in Vergils Aeneis erworben. Dem
Thesaurus Linguae Latinae gehörte er seit 1931 an und war seit
1934 sein Generalredaktor. Die zügige Art, mit der er seine
Wörterbuchartikel schrieb und bei weniger geschickten Redaktoren
nachhalf, wurde gerühmt. Trotzdem hatte er Zeit, eine
Reihe von kleineren Beiträgen zu lateinischen Dichtern und zu
Kallimachus 1934-1941 zu veröffentlichen. Von der Kommission
hatte er den Auftrag, die Clementinen herauszugeben. Bei ihnen
handelt es sich um einen Anagnorismen-Roman um den ältesten
Jünger, Petrus, erzählt von seinem Schüler Clemens. Alter und
Herkunft des Romanstoffes sind umstritten; auch bieten die
Pseudo-Clementinen dadurch ihre Schwierigkeiten, dafj sie in
drei Sprachen und Fassungen überliefert sind. Gegenüber diesem
problematischen Werk bewährte Rehm wiederum seine rasch
und sicher zugreifende Hand. Er konnte die Texte für die lateinischen
Recognitionen und für die griechischen Homilien noch
fertigstellen, wenn auch die Prolegomena zu den Recognitionen
noch nicht ganz abgeschlossen waren. In der Kommission sind
die beiden Bände unter Verantwortung von Joh. Irmscher für die
Homilien 1953 und Franz Paschke für die Recognitionen 1965
als Band 42 und 51 der Reihe herausgebracht worden. Nicht nur
die Kommission, sondern die Wissenschaft überhaupt hatte Anlaß
, um diesen edlen, sich zu vollem Können entfaltenden Gelehrten
zu trauern.

Dr. phil. Walter Matzkow, geb. in Berlin 1909, studierte
in seiner Vaterstadt klassische Philologie und Theologie. Von
Eduard Norden wurde er zu seiner Dissertation angeregt: De
vocabulis quibusdam Italae et Vulgatae Christianis quaestiones
lexicographae, erschienen 1933. Das Thema war wie zugeschnitten
auf seine spätere Tätigkeit beim Italaunternehmen. Aber es
war ein zufälliges Zusammentreffen, denn auf S. 8 bekennt
Matzkow, dafj er erst kürzlich von Jülichers Vorbereitungen erfahren
habe. Durch seinen Lehrer Norden wurde er, als Lietz-
mann sich nach einem Bearbeiter des Jülicherschen Nachlasses
umsah, an die Kommission gewiesen. Er hat die Manuskripte
der ersten drei Evangelien für den Druck vorbereitet: 1938, im
Todesjahr Jülichers, konnte die erste Lieferung mit dem Matthäus
-Evangelium erscheinen, und auch noch die Drucklegung der
zweiten mit Markus (1940) ist von ihm überwacht worden. Die
dritte (Lukas) war im Druck, als er einberufen wurde und nicht
wiederkehrte. Über seinem Ende liegt das Düster der 'eezten
Kriegszeit. Meiner Erinnerung nach war er nicht gesund und
daher zu einem Armierungsbataillon im Osten eingeteilt. Ob er
bei Schanzarbeiten oder bei Partisanenkämpfen hinter der Front
umgekommen ist, wir wissen es nicht. Mit ihm beklagt die Kommission
ihr siebentes Kriegsopfer.

Mit diesem Hinweis auf den personalen Zusammenbruch unserer
Kommission schon mitten im Kriege bin ich am Ende der
Berichtszeit angelangt. Die Jahre nach 1942 bis 1945 waren angefüllt
mit Auslagerungsmaßnahmen zur Erhaltung unseres Besitzes
an Büchern, Photos, Sammlungen und für den Druck bestimmten
Manuskripten. Wir können in dieser Hinsicht feststellen
, dafj wir - abgesehen von dem Sonderfall der Lietzmann-
Bibliothek - nichts verloren haben, sondern dafj sich alles, manches
erst nach vielen Jahren, wieder zusammengefunden hat. Es
waren die Körner für eine neue Saat und neue Ernte. Der Gruß
an die heutige Generation der Arbeiter auf dem Acker der Kommission
möge diesen Rückblick beschließen.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Welker, Klaus Eberhard: Die grundsätzliche Beurteilung der
Religionsgeschichte durch Schleiermacher. Leiden-Köln: E. J.
Brill 1965. XXVI, 222 S„ 1 Porträt, gr. 8°. Lw. hfl. 36.-.

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Die vorliegende Arbeit entstand auf Anregung von G. Men-
sching (Bonn); von ihm ist sie auch betreut worden (als Dissertation
? - Das wird nicht gesagt). Sie will untersuchen, „wie
Schleiermacher die geschichtlich-konkreten Religionsgestalten, die
,positiven Religionen' und die Ausdrucksformen religiöser Erfahrung
grundsätzlich beurteilt" und „welche Bedeutung Schleiermacher
für die religionswissenschaftliche Methodenlehre" hat. Als
Ausgang dafür dient die von Rudolf Otto inaugurierte Religionsforschung
, die sehr kühn (im Anschluß an Mensching) auf
Lessing, Herder und Schleiermacher im folgenden zurückgeführt
wird. Der am Schluß der Arbeit durchgeführte Vergleich der Auffassungen
Schl.s mit denen R. Ottos, macht es sehr deutlich, daß
der Arbeit offenbar von vornherein dieses Ziel gestellt war. Es
ging ihr offenbar weniger darum, die Ansichten Schl.s kritisch zu
würdigen, als vornehmlich diejenigen Ottos mit Hilfe Schl.s zu
rechtfertigen und erneut zu autorisieren.

Das Literaturverzeichnis (S. XII-XXVI) zeigt die umfassende
Kenntnis des Autors mit der Schi.-Literatur. Es dürfte nahezu

vollständig für den behandelten Gegenstand sein. Der Inhalt des
Buches gliedert sich in fünf Hauptabschnitte: 1. Vorfragen der
Schl.-Interpretation (1-40), 2. Die Divination des Unendlichen im
Endlichen (41-99), 3. Die positive Religionsgestalt in Verstehen
und Mißverstehen (100-142), 4. Die mittelbaren religiösen Dar-
stellungsformen und ihr Ausdruckswert (143-163) und 5. Ausblick
und zusammenfassender Vergleich mit R. Ottos Anschauungen
(164-208). Namen- und Sachverzeichnis sind beigegeben
(209-222).

Die Quellendarlegungen zeigen, daß Verf. bemüht ist, möglichst
in breiter Front Schi, heranzuziehen, von den Reden (deren
Ausgabe-Unterschiede nicht überbewertet werden) über die Glaubenslehre
. Dialektik, Hermeneutik auch zu den Briefen (es fehlen
aber die Predigten!). Was jedoch die Arbeit für den Leser
zu einer qualvollen Lektüre macht, ist die fast unverantwortliche
Verquickung von Primär- und Sekundärliteratur. Um möglichst
alle Meinungen der Sehl.-Forschung zu dem untersuchten Gegenstand
zu Wort kommen zu lassen, bringt es Verf. verhältnismäßig
selten übers Herz, seine Meinung mit eigenen Worten zu
schildern. Ständig werden einem Schi-Zitat sofort mehrere der
vielfältigen Auslegungen angefügt, so daß man sich manchmal
fragt, wozu dieses Verfahren eigentlich dienen soll. Die Hauptautoritäten
des Verf. sind dabei bekannte Monographien (Bar-
tclheimer, Piper, Otto, Siegmund-Schultze, E. Brunner, Seifett