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Ausgabe:

1968

Spalte:

414-417

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hornung, Erik

Titel/Untertitel:

Das Amduat 1968

Rezensent:

Morenz, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 6

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Die durchweg auch konfessionskundlich ergiebigen kirchen-
geschichtlichen Beiträge beginnt Kurt-Victor S e 1 g e : „Rechtsgestalt
und Idee der frühen Gemeinschaft des Franz von Assisi"
(S. 1-31). Als Kennzeichen der genuinen franziskanischen Idee
findet S. die Selbstverleugnung, die Brechung des eigenen Willens
und den Verzicht auf jeden Anspruch. Im Konflikt zwischen der
Verwirklichung dieser Idee und der Notwendigkeit einer Rechtsordnung
beschränkte Franz sich darauf, „im eigenen Leben das
Beispiel des wahren Gehorsams zu geben" (S. 27). Die rechtliche
Ordnung ist bei Franz der geistlichen unter- und nebengeordnet.
Daß diese Beobachtung für das ökumenische Gespräch wertvoll
ist, bedarf keiner Betonung.

Quellen und Probleme des II. Vatikanums sind Gegenstand
mehrerer Beiträge. W. D a n t i n e untersucht „die kontroverstheologische
Problematik der sogenannten ,ekklesialen Elemente'
im Blick auf das ökumenische Gespräch" (S. 140-154), indem er
neben dem entsprechenden Abschnitt aus dem Ökumenismusdekret
einen Aufsatz des katholischen Theologen G. Baum interpretiert.
Uber das Dekret hinausgehend, vertritt letzterer die These von
der Komplementarität der Kirchen. D. zeigt, dafs dieser achtbare
Versuch in einer Sackgasse endet, weil die Gnadenmittellehrc vom
juridisch-ekklcsiologischcn Denken abhängig bleibt.

K. Alands Inhaltsübersicht des ursprünglichen Schemas „De
duplici fönte revelationis" (S. 168-178) folgt eine systematische
Durchdringung dieses Themas unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses
von „Amt und Tradition der Kirche", die F. W. K a n t -
zenbach beisteuert (S. 179-199). An Rahners Interpretation
der Kirche als „Ursakrament" wird in bedrückender Weise deutlich
, wie aussichtsarm der ökumenische Dialog in puncto Amt und
Tradition ist. Bessere Ansatzmöglichkeiten scheint Ratzinger zu
bieten, aber auch bei ihm bleibt die Institution der Garant der
Wahrheit. Allen Verobjektivierungen des Heiligen Geistes ist entgegenzuhalten
, daß der lebendig in der Kirche wirkende Geist
Herr über seine Kirche bleiben muß (S. 199).

Hans G e i 5 e r erörtert in seinem materialreichen Aufsatz über
»hermeneutische Probleme in der neueren römisch-katholischen
Theologie" (S. 200-229) vor allem das auch von Kantzcnbach berührte
Problem der Dogmenentwicklung und -interpretation. Angesichts
der Irreversibilität der römisch-katholischen Dogmen ist
deren Interpretation die einzige Methode, durch die in Kontroversfragen
ein Konsensus erzielt werden kann. Beachtung verdient
der Neuansatz des Geisclmannschülers W. Kasper, den Geiftcr wie
folgt beschreibt: „Das Dogma ist nichts Definitives, sondern etwas
.Vorläufiges'; seine Wahrheit steht in .eschatologischcr Spannung'"
(S. 220). Trotzdem bleibt es dabei, dafi eine unmittelbare Kritik
am Lehramt unter Berufung auf die Norm der Schrift für den
einzelnen Theologen unmöglich ist.

Eine grundsätzliche Besinnung über „Römisch-katholische Moral-
thcologie und evangelische Ethik" unternimmt E. Schott anhand
der Moraltheologic von Bernhard Häring (S. 230-250). Trotz seiner
christologischen Begründung der Moraltheologic bleibt Häring
m der kasuistischen Trennung von Person und Werk befangen.
Verwundern muß, daß ein ökumenisch so aufgeschlossener Theologe
wie H. das verzerrte Lutherbild von Grisar (!) übernimmt.

„Wird sich die römische Konvertitenpraxis ändern?" fragt
G- Holtz anhand einschlägiger Äußerungen von E. Przywara,
Congar, Kurt Brem und des Ökumenismusdekrets. Im Blick auf
Przywara ist das Ergebnis völlig negativ: „Es ist zu erwarten, daß
die alten Motive weiterwirken und die alten Argumente und Mittel
weiter gebraucht werden" (S. 253). Congar bemüht sich, „Methoden
reiner, überzeugender christlicher Scclenführung zu entwickeln,
die zu echter Bekehrung anleiten und den Konversionen ihr legitimes
Recht geben". Das Ökumenismusdekret steht geistlich bei
Congar, rechtlich bei Przywara, „also in einem starken Spannungsfeld
". Trotzdem ist sicher, „daß die Rückkehr zur Gegenreformation
keine Möglichkeit mehr ist".

Hilfreiche Anregungen für die Diskussion des römisch-katholischen
Mischehenrechts gibt Joachim L e 11, der Herausgeber der
Festschrift (S. 261-274). Er weist erstens darauf hin, daß die form-
freie Mischehe von der katholischen Dogmatik aus möglich ist, da
die These vom konstitutiven Charakter der aktiven Priesterassistenz
bisher keine Verbindlichkeit besitzt. Zweitens ist von
evangelischer Seite zu betonen, daß auch das kanonische Recht die
Unschcidbarkeit der Ehe nicht konsequent durchhält. Drittens rät

Lell, die evangelischen Kirchen sollten alle Sanktionen im Zusammenhang
mit der Mischehe streichen und damit von der Reaktion
auf das römische Recht frei werden.

Ein Thema, das katholische und evangelische Avantgardisten
in die Debatte gebracht haben, untersucht U. Kühn, in dem er
nach „Christentum außerhalb der Kirche" fragt (S. 275-305). Nach
Rahner ist der Mensch seinem Wesen nach auf die Gnadengemeinschaft
mit Christus entworfen. Nimmt der Mensch sein von Gott
bestimmtes Menschsein an, so ist er als „anonymer Christ" zu bezeichnen
. Von evangelischer Seite nennt Kühn K. Barths Aussagen
über die „potentiellen Christen" außerhalb der Kirche und die ganz
anders begründeten Gedanken von D. Solle über die „latente
Kirche". Kühns abgewogene Kritik, die den positiven Intentionen
der genannten Autoren gerecht zu werden sucht, gipfelt in dem
Satz: „Extra ecclesiam (im Sine des neuen Gottesvolkes) nullus
christianus" (S. 297).

Wertvolle Beiträge zur Problematik des ökumenischen Dialogs
stammen von J.-L. L e u b a („Das ökumenische Gespräch als theologisches
Problem", S. 115-126), K. Goldammer („Zur Idee des
Dialogs und des dialogischen Denkens in den interkonfessionellen
und interreligiösen Beziehungen und Erwägungen", S. 127-139)
und, im Blick auf die Evangelische Kirche der Union, von F. W.
Krummacher („Kircheneinheit und Bekenntnis", S. 155-167).
Wenn man sagen kann, daß die ganze Festschrift eine interessante
Lektüre bietet, so gilt das natürlich auch für Themen wie die von
W. Kohlschmidt: „Reformkatholizismus im Biedermeierkleide
; Bemerkungen zu Gutzkows Roman ,Der Zauberer von
Rom'", K. G. Steck : „Der Beitrag Leonhard Fendts zur Konfessionskunde
" und Friedrich H e y e r : „Die Rehabilitierung Hermann
Schells durch die Würzburger Theologische Fakultät". Sehr
zu begrüßen ist last not least der Aufsatz von Martin Schmidt :
„Die Kirche von England als Gegenstand der Konfessionskunde",
dem der Autor hoffentlich ein umfassendes Buch folgen läßt.

Die mit einem Vorwort von W. S u c k e r beginnende und mit
einer Bibliographie Heinrich Bornkamms schließende Festschrift
zeichnet sich durch eine geglückte Themenordnung und ein gutes
Niveau der Beiträge aus.

Halle, Saale Eberhard W i n k 1 e r

Secklcr, Max: Die theologischen Fakultäten und die eine
Theologie (ThCl 48, 1968, S. 39-62).

RELIGIONSWISSENSCHAFT

H o r n u n g , Erik: Das Amduat. Die Schrift des verborgenen Raumes
. Hrsg. nach Texten aus den Gräbern des Neuen Reiches.
III: Die Kurzfassung. Nachträge. Wiesbaden: Harrassowitz 1967.
XV, 69 S., 10 Taf. 4° = Ägyptologische Abhandlungen, hrsg. v.
W. Hclck u. E. Otto, 13. Kart. DM 28,-.
Seiner zweibändigen Ausgabe des Amduat, genauer: der ausführlichen
Fassung dieses ägyptischen Untcrweltsbuchcs hat H.
jetzt in einem abschließenden dritten Teil die Bearbeitung der sogenannten
Kurzfassung folgen lassen. Damit ist die zu ihrer Zeit
verdienstvolle Ausgabe der Version abregec durch den Schweizer
Ägyptologen G. Jequier (he livre de qu'il y a dans VHades, 1894)
in der Hauptsache abgelöst worden. Auf späteren Handschriften
beruhend, wird sie nur für die Textgeschichte der späteren Zeit'
einen Wert behalten. Was es mit dem Amduat auf sich hat, ist bei
der Besprechung der ersten Bände in dieser Zeitschrift gesagt
worden2. So dürfen wir uns nach einer Skizze des Buchinhalts diesmal
auf Probleme der Kurzfassung, vor allem aber auf seitherige
Fortschritte der Forschung beschränken, die sich auf das gesamte
Textgut des Amduat beziehen. Der Theologe mag eine trotzdem
unvermeidliche Ausführlichkeit getrost hinnehmen. Er wird rasch
innewerden, wie stark ihn die Dinge methodisch und sachlich betreffen
.

H. hat die kurze Fassung nach den gleichen Prinzipien wie die
lange ediert. Der Text wird wiederum nach der Niederschrift im
Grabe Amenophis' II. geboten, Varianten sind unter dem Strich

1 Dazu u. a. A. Piankoff. Lc livre de l'Am-Duat et les variantes tardives, in:
Agyptol. Studien (FS Grapow), 1955. S. 244 ff., ders., The Litany of Re, S. 63, A. 72.

2 ThLZ 90. 1965. Sp. 501/3.