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Ausgabe:

1968

Spalte:

375-377

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Heislbetz, Josef

Titel/Untertitel:

Theologische Gründe der nichtchristlichen Religionen 1968

Rezensent:

Hummel, Gert

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realisierte, hier präsente Hingabe Christi an den Vater — für
u n s" (S. 176). Diese Präsenz des Opfers Christi fordert aber nicht
mir Empfänglichkeit, sondern fordert und schenkt aktive Hingabe
des Empfangenden, also ein Sich-Opfern des Gläubigen und der
das Sakrament verwaltenden Kirche. „So opfert die Kirche, indem
sie sich opfert, den Christus, seinen Leib und sein Blut, als Ausdruck
der eigenen Hingabe" (S. 181). Dali Brunner als Lutheraner
bei allem Verständnis für die Realität des Sakraments und für die
geistliche Weite der anamnesis, der eucharistia und der eulogia
den Schritt zu einem wenn auch weitgehend entschärften Opferbegriff
nicht mitgeht, erscheint als das eigentlich Trennende. Nach
Seemanns Urteil bedeutet die von Brunner vertretene lutherische
Sicht des Gottesdienstes eine „Verkürzung ', weil sie mit dem Opfer
Christi nicht das Opfer der Kirche verbindet und weil sie die
Antwort des Menschen auf die reine Empfänglichkeit beschränkt,
statt die liebende, sich opfernde Hingabe mit einzuschließen
(S. 177).

Der letztgenannte Punkt bedarf bei Seemann weiterer Klärung.
In dem relativ kurzen Kap. VIII bezieht er das Opfer des tätigen
Lebens, den „vernünftigen Gottesdienst" von Hörn. 12.1 mit ein,
der sonst den Antiliturgikern als Argument zu dienen pflegt. Er
vermißt bei Brunner dessen Wertung in der Gottesdienstlehre
(S. 1921'.). Gerade an diesem Punkte dürfte die Position Brunners
deutlich sein. Die nova oboedientia steht in CA (i nicht nur der Bei
henfolge, sondern der Sache nach hinler CA I und 5. Die „Früchte"
des Glaubens, die auch Brunner nicht abzuwerten gedenkt, sind
nicht zu vermengen mit dein, was Gott geordnet und geschenkt
bat, „ut haue fidem consequamur". Gerade in diesem Zusammenhange
erweist sich der Begriff saci ilicium als gefährlich. Er ist un
deutlich und vielschichtig. Es kann unter ihm etwas Legitimes verslanden
werden, nämlich die hingebende Bereitschaft des Herzens
für Gottes Gabe in Wort und Sakrament. Ms kann unter ihm etwas
in der Gottesdienstlehre sozusagen Halblegitimes verstanden werden
, das an einer anderen Stelle als am Altar seinen Platz bat,
nämlich der „Gottesdienst" des täglichen Lebens in der nova oboedientia
. Schließlich kann unter ihm auch etwas Illegitimes verstanden
werden, nämlich ein irgendwie geartetes Mithandeln und Mitwirken
des Gläubigen oder der Kirche am Heil. Eine Weiterfüh-
rung des Gesprächs wird an diesem Begriff des sacriticium erfolgen
müssen.

Wir beschränken uns in dieser Anzeige auf den Kernpunkt der
Auseinandersetzung. Nur stichwortartig seien einige der vielen
Eragen erwähnt, die im Zusammenhang mit dem Gesamtproblem
zur Sprache kommen: Schriftverständnis, Lehramt der Kirche,
Tradition, Allgemeines Priestertum und kirchliches Amt, Realprä-
senz, Sumptio der Elemente als Wesensbestand der Messe und
manches andere mehr. Auf jeden Fall verdient Seemanns Buch Beachtung
als ein redliches Bemühen um ein echtes weiterführendes
Gespräch zwischen den Konfessionen.

Weimar Wolfgang S c h ;i ii z <•

Heislbetz, Josef: Theologische Grunde der nlehtehrlstllchen
Religionen. Ereiburg-Basel-Wien: Herder [1967|. 231 S., 8°
= Quaestiones Disputatae, hrsg. von K. Rahner u. H. Schlier, 33.

Angesichts der Tatsache, daß die großen nichtchristlichen Religionen
dem Christentum immer näher rücken und dessen früher
weithin von der geistigen und räumlichen Isolation getragenen Ab-
solutheitsanspruch in Krage stellen, ist das Verhältnis zwischen
beiden zu einer dringlichen Quaestio disputata geworden. Die vorliegende
, in Denken und Diktion Karl Kahner unmittelbar verpachtete
Arbeit versucht, dieses Verhältnis durch theologische,
nicht religionswissenschaftliche Methoden und Prinzipien zu erhellen
.

Der Verfasser setzt ein mit der Frage, ob der universale Heilswille
Gottes auch den nichtchristlichen Religionen gelte, und stellt
fest, daß sowohl das Alte wie das Neue Testament Heilssituation
und Religion der Heiden positiv werten, indem sie diese als Geschichte
zum Heil verstehen IS. 25.29). Die Kirchenlehre schließt
sich dem, besonders seit dem Vaticanum II, an (S. 33). Daraus folgt
das Problem, wie den Heiden der für eine Teilhabe an (1er Heilsgeschichte
notwendige Offenbarungsglaube — der nach Theologie
und Kirchenlehre Christusglaube und Trinitätsglaube, also übernatürlicher
Glaube sein muß - möglich ist. Heislbetz deliniert, daß

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dies bei ihnen in Gestalt eines impliziten christlichen Offenbarungswissens
geschieht (S. 55). Das bedeutet zugleich, daß es auch eine
unabhängig von der göttlichen Wortoffenbarung sich ereignende
Offenbarung Gottes gibt (S. 09). Wenn die Theologie also grundsätzlich
die Heilsmöglichkeit der NichtChristen verleidigt, muß sie
deren Religiosität verteidigen. Religiosität ist aber immer Zugehörigkeit
zu einer verfaßten Religion. Dies ergibt sich für den Verfasser
nicht nur aus dem religionsgeschichtlichen Tatbestand, sondern
vor allem aus der thomistischen Lehre von der Seele-Leib-
Dualität (S. 70). Verfaßte Religion meint plural und sozial dimensionierte
, Geschichte stiftende religiöse Freiheitstat (S. 80) und ge
schichtlich vermitteltes, gesellschaftlich konkretisiertes Wissen
von Gott (S. 84). Beides erweist, daß Gott die Vielheit der Religionen
positiv will (S. 92. 100).

Von hier aus stellt sich die frage nach den Gnadenwirkungen
Gottes in den nichtchristlichen Religionen. Heislbetz erhellt konsequent
, daß die Gnade in den Natursakramenten — z. B. des Glaubens
, der Buße und der Ehe — vorspielhaft anwesend ist und die
christlichen Sakramente jene nur genauer bestimmen und escha-
tologiseh überhöhen (S. 1191'.). Ebenso wird von hier aus eine geschichtliche
Belation von Uroffenbarung und Wortoffenbarung
möglich (S. 129). Gnade und Offenbarung, die in den nichtchrist-
lichen Religionen wenigstens bruchstückhaft sich ereignen und objektiviert
werden, konkretisieren also dir These ihres impliziten
Heilswissens und erweisen ihre Teilhabe an der Heilsgeschichte
(S. 135). Die allgemeine Heilsgeschichte ist von der christlichen
Heilsgeschichte damit derart zu unterscheiden, daß Gottes Selbst
mitteilung in jener auf ihre worthafte Inkarnation in dieser zielt
(S. 137). Dies zeugt nach Heislbetz von der Universalität des göll
lieben Heilswillens und mahnt die Kirche zu Mission, welche faktisch
geschieht, indem sie das vorspielhaft Christliche in den Religionen
zur Geschichtlichkeit befreit (S. 142). Ebenso wie die Religiosität
ist nun aber auch das Böse und die Sünde auf Grund der
allgemeinen Gefallenheit der Menschheit ein Existential. Sie de-
praviert die Beligion in allen Religionen zur Irreligiosität als dem
.Nein gegen Gott oder dem Heilsautonomiestreben (S. 151 ff.), als
Trennung von Religion und Moral in beiden Richtungen (S. 158 ff.)
oder Desintegration von Mensch und Welt (S. 164 ff.). Christliche
und nichtchristliche Religionen unterscheiden sich an dieser Stelle
nicht durch ein verschiedenes Mischungsverhältnis von Gut und
Böse, Gnadenanwesenheit und Sünde, sondern dadurch, daß die
christliche Beligion in der Kirche die amtliche und unfehlbare Instanz
besitzt, die ein wesentliches, kritisches Moment gegen alle in
ihr auftretenden Entstellungen darstellt (S. 171). Weil den nichtchristlichen
Beligionen diese Instanz abgebt, kann ihnen nur begrenzte
Punktion in der Heilsgeschichte zukommen.

Inwiefern bleibt aber dann die Mischung legitimer und illegitimer
Elemente in den nichtchristlichen Beligionen noch von Gott
gewollt und umfangen'.' Der Verfasser antwortet darauf, von einer
moraltheologischen Analyse her, teleologisch: Gott legt den Nicht-
christen in der erbsündigen Ordnung verpflichtende Heilswege vor,
damit sie ihre heilsnotwendige Religiosität verwirklichen, bis
ihnen eine vollkommenere oder die wahre Beligion den richtigen
Heilsweg eröffnet. Gott will das Illegitime, weil in der erbsündigen
Ordnung ohne Übernahme dieses Illegitimen kein heilschaffendes
Gottesverhältnis durchgeformt werden kann (S. 192). Gehören so
die nichtchristlichen Religionen in jeder Weise zur Vorgeschichte
der christlichen Religion, wie sind sie dann innerhalb der Geschichte
des Christentums anzusehen? Diese Frage beantwortet
Heislbetz von der schlechthin unüberbietbaren Annahme des Endlichen
durch (iott i» der Geschichte Jesu Christi als dem Wesen
und Sinn des christlichen Absolutheitsanspruches aus. Mit Rahner
sagt er, daß die nichtchristlichen Religionen solange ihre vorspielhafte
Legitimität behalten, bis das Evangelium ihre eigene Geschichte
wird (S 201. 211). Zugleich aber gilt: Auch wenn die nicht-
christlichen Religionen faktisch erst durch die geschichtliche Begegnung
mit dem Christentum überwunden werden, grundsätzlich
sind sie es bereits in der Menschwerdung Gottes (S. 218).

Daß die katholische Theologie sich in relativ offener Weise mit
den nichtchristlichen Religionen beschäftigt, ist, wie diese Arbeit
zeigt, ein positives Zeichen des mit dein Vaticanum II signalisierten
und legitimierten Neuaufbruchs. So findet man denn im theo-
logiegeschichtlichen Belegmateria] dieser Untersuchungen Zeugnisse
ausgegraben, die noch vor wenigen Jahren nicht hätten erhoben
werden können. Gleichwohl besitzt die Arbeit von Heislbetz

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 5