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Ausgabe:

1968

Spalte:

370-372

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Schmid, Johannes Heinrich

Titel/Untertitel:

Kritik der Existenz 1968

Rezensent:

Holm, Søren

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Theologische Literaturzeitung 9.'(. Jahrgang 1968 Nr. 5

nunft'- befaß! sich mil der Frage, wie „Gottes Hede" in unsere B. 14,123,156, 258 u. ö.); immerfort urteilt „der Christ" (99, 285 u.
Sprache, in das (systematische) Denken und in unsere wechseln- ö.), „der christliche Betrachter" (172), „der christliche Denker"
den Erkenntnisformen eingehen könne. „In der Tat kann sich Gott '178), auch wenn es sich um ganz kontroverse Kragen handelt,
selber mitteilen und Worte finden, die unmittelbar zwar unan- Dem entsprechen die überlegen absprechenden Urteile über Hegel
wendbar sind, aber dadurch, daß Gott sie anwendet, anwendbar („Zusammenbruch des Hegelianismus" 38 u. ä.), über Ritsehl, Heiwerden
" (176). Ein kurzer IV. Teil über den „Beitrag des christ- degger („als ob uns Heidegger lehren könnte, richtig zu fragen und
liehen zum nichtchristlichen Denken" verhandelt ansatzweise jene wir von daher erst die biblischen Antworten richtig hören könn-
philosophischen Probleme, die die Philosophie vermutungsweise ten" 117), Schleiermacher (er hat „die Frage nach der Wahrheil
'lein christlichen Denken verdankt; es sind, wenn man von ethi und Wahrheitserkenntnis in die Philosophie verlegt..., während
sehen Normen absieht, das Zeit- und das Geschichtsproblem. Ver- der Religion nur das Gefühl zukam" 19-1). Von Kant heißt es, daß
lasser täuscht sieb nicht über die weile Entfernung der heutigen er „eigentlich niemals einen so zentralen Platz in der Erkenntnis-
Zeit- und Geschichtsphilosophie von den christlichen Ursprüngen, kritik ... hätte einnehmen dürfen und dal.i er jedenfalls heute als
aber mau wird wohl in einem Zitat E. Meisners die eigene Stimme überwunden betrachtet werden muß" (200). über Ernst Troeltsch
des Verfassers vernehmen: Philosophie (ein „Wechselbalg der erfahren wir: „In Übereinstimmung mit der üblichen wissen-
Iheologie"!) sei das, „was von der Theologie übrigbleibt, wenn sie schaftlichen Auffassung betrachtete er alle empirisch gegebenen
Gott verliert, also eine Theologie ohne Theos" (190). Der letzte Eaklen, auch die Person Christi, als elwas Relatives, und mußte
Hauptteil „Vernunft und Offenbarung" ist der längste und ver- dabei- konsequent den Absolutheitsanspruch des Christentums
einigt in in Abschnitten ohne deutlich erkennbare Systematik bestreiten" (196). Diese Zitate sprechen für sich, und ich möchte
einige prinzipielle Themen über die Religion und den christlichen ihnen nichts hinzufügen.

Gottesbegriff mil den allen wellanschaulichen Problemen, an de- Die Bedeutung des Buches liegt in. E. darin, dal.i es einem

reu Verhandlung die Dogmatik sich immer aufs neue in ausweg- — wenn ich mich so ausdrücken darf - barthianischen common

l°Se Spekulationen verstrickt hat: der christliche Wunderbegriff, sense Ausdruck verleiht, der noch immer in breiteren Kreisen

das rheodizeeproblem, die Fragen der Kosmogonie und des Well- der evangelischen Theologie herrscht. Es isl gewiß nicht Harth

''ndes Zeil und Ewigkeit und die Philosophie der Geschichte. Man selbst, aber ein Durchschnitt seiner Wirkungsgeschichte. End in-

S]eht, es sind die schwer vermeidbaren apologetischen Themen der sofern ist die Religionsphilosophie des bekannten und verdien-

"Ogmatik, und es nimmt nicht wunder, dal.i man hier über viele ten Kopenhagener Dogmatikers wichtig und aufschlußreich. Frau

Seiten hinweg vergißt, dal.) wir uns in einer Religionsphilosophie Hosemarie Legstrup verdient als vorzügliche Übersetzerin des zu-

beflnden. - Namen- und Sachregister bescbliellen das Buch. vor 1955 und 1962 in Dänisch erschienenen Werkes besondere Her-

Man wird dein Buch gewiß nicht unrecht Inn, wenn man es damit vorhebung.

kennzeichnet, daß es den Themen zugewendet isl, in denen eine Güttingen Wulfgang Tri 11ha a s
christliehe Dogmatik dem Herkommen nach die Philosophie nicht
vermeiden kann, sondern mit ihr ins Gespräch kommen muß. Es

kommen bei einem derartigen religionsphilosophischen Interesse S e h m i d, Heini: Kritik der Existenz. Analysen zum Existenz-

v°r allem die kognitiven Probleme in den Vordergrund, also das denken Sören Kierkegaards. Zürich: EVZ-Verlag [1966]. 235 S.

Verhältnis von Glaube und Wissen, von Offenbarung und mensch- 8°. DM 16,80.
'icher Erkenntnis, dazu die Fragen, in denen der Glaube wellan-

schauliche Ansprüche erhoben hat oder doch im Sinne solcher An- Der Verfa«er scheint Sören Kierkegaard wirklich zu kennen

spräche verstanden werden könnte. "n<l n,ch< zuletzt philosophischen Hauptschriften mit der

„Nachschrift" an erster Stelle. Es ist ein unschätzbarer Vorteil,
Was man von dieser „Religionsphilosophie" gewiß nicht erwarten daß djc zi|a((, aug dem dänischen Originaltext gegeben werden,
darf-und der Verfasser würde sich bei solcher Erwartung in der Zu wenigc scheinen zu begreifen, wie wesentlich es ist, Kicrke-
»efe mißverstanden fühlen-, das wäre eine Verhandlung über die „aard in der dänischen Sprache lesen zu können, wenn man alles
»Religion", sei es im Horizont der Vernunft, sei es im Angesicht des erfassen will. Da Kierkegaard als Ausgangspunkt der Existen-
^nspruches der Religionsgeschichte. Was man hier nicht erwarten tialphilosophie betrachtet wird, kann man bei ihm kaum einen
.'• isl vollends ein freies Philosophieren. Dem sind vielmehr, an mehr zentralen Begriff als eben die Existenz finden, und es
»»elen Stellen des Buches nur allzu deutlich, dogmatische oder auch ist gerade diese, die Heini Schmid als Thema für sein Buch, das
'»nmelisehe Sc hränken gezogen: Man kann nicht „den christ- in zwei Teile zerfällt, gewählt hat. Der erste und größte Teil Deinen
Glauben so behandeln, als sei er das Problematische und die bandelt Kierkegards dichterische und gedankenmäßige Darstel-
w«ssenschaft das Sichere, somit berechtigt, über den christ liehen |„ng Existenz, und der kürzere, /.weile Teil analysiert diese

Rauben zu richten" (15). So formuliert, hal die Schranke natür- Existenz selbst in ihrer ethisch-religiösen Beschaffenheit. Es heißt
"•h zunächst elwas Schreckendes. Aber sie sehneidet der „Philo- ni(.|„ das Ethische u n d Religiöse, denn Schmid meint, daß man
»Ophie", wenn das Wort noch einen Sinn haben soll, den Lebens- bei Kierkegaard keine scharfe Grenze zwischen dem Ethischen
!*den ab. Denn alle Philosophie lebt vom freien Denken, und kein und dem Religiösen statuieren kann. Heide gleiten eben inein-
»neologie verzichtet darauf, wenn er überlieferte Formeln denke- ander über Schmid scnein1 das Wichtigste aus der Literatur über
r>sch prüft, um sie etwas neu zu formulieren, zu interpretieren oder Kierkegaard zu kennen; aber insbesondere die drei Deutschen,
auch - zu verwerfen. Ich verzichte auf die Häufung ähnlicher |[irseh, Diein und Anz, werden häufig zitiert, und an diese hält er
' a,zc, die doch nur die Befangenheit bestätigen müßten, von der gich während Ed. Geismar, der mit den Genannten im Vorwort
! leses „barthianische" Buch durchzogen ist und die es hindert, crwailnl wjrd nur seiten zu Wort kommt. Es muß jedoch beton!
Wirkliche Philosophie zu sein. So fallen auch eine Menge der Fra- werden, daß der Verfasser durch und durch aus erster Hand und
8e»J weg, d. h., sie kommen gar nicht ins Blickfeld, ohne die wir uns Inil größter Selbständigkeit mil Kierkegaard selbst arbeilet.
!',""• Religionsphiloaophie gar nicht denken können. Da für den Einc solche Selbständigkeit erkennt er auch Kierkegaard selbst
'' Ki ill de, Religion hier einfach das reformatorisch verstandene JU wen]) gesagt wird daß es unmöglich ist, Kierkegaard in seine
jllristentum substituiert wird, fallen folgerichtig Themen aus, wie Umwelt einzuordnen. Er ist ein erratischer Kloben. In der schwle-
*■ B. die Frage nach dem Wesen der Religion, nach Typen und rigCn prage betreffs Kierkegaards Verhalten zu seinen vielen
»ach der Phänomenologie der Religion, nach dem Verhältnis von Pseudonymen ist Schmid der Meinung, daß die Pseudonyme
j!,ügion und Ethik (also anders als S. 89 ff.: Ethik als „Weg" zur lediglich Zweige eines Stammes sind. Die Verfasserschaft ist
"'"' serkenntnis), nach der Entartung von Religion und vor allem eme geschlossene Einheit, und deshalb werden die Pseudonyme
"'e heule bis in die Mitfe der Theologie hineinreichende Frage .mcn |nit Kierkegaards Namen zitiert. Ich bin geneigt anzunehmen
der Sprache. Wie schon angedeutet, wollen diese Bemerkun- men daß d;eg im großen und ganzen richtig ist, obwohl dies
Ren gar nicht als Kritik verslanden werden, sondern nur als ein Kierkegaards eigenem ausdrücklichem Verlangen entgegensteht;
Hinweis auf die Konsequenzen aus Sees erklärten Voraussetzungen. ich muß mich aber hier darauf beschränken, auf das Kapitel
Allerdings kann ich nicht verhehlen, daß sich wohl aus diesen „Pseudonyme" in meinem Ruch über „Sören Kierkegaards Ge-
V°raussetzungen eine Sicherheit und Apodiktik des Urteils ergib), schichtspbilosophie" von 1956 hinzuweisen.

die mitunter nur schwer erträglich ist. So identifiziert der Verfas- Der Verfasser sagt in seinem Vorwort, daß ein persönliches und

seine eigenen Meinungen mit „dem christlichen Theologen" (z. leidenschaftliches Interesse an Kierkegaard sein Antrieb gewesen