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Ausgabe:

1968

Spalte:

364-365

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Rost, Gerhard

Titel/Untertitel:

Der Prädestinationsgedanke in der Theologie Martin Luthers 1968

Rezensent:

Peters, Albrecht

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und die Thomaskirche im Süden der Stadt? Sie dürften alle beide
auf der gleichen West-Ost-Linie liegen. Im Norden der Stadt lag
die spätere Matthäi-Kirche, die früher Kirche der Barfüßer war.
Markkleeberg/Leipzig Franz I- a n

Constable, Giles: Monastic Tithes. From their origins In the
Iwelfth Century. Cambridge: University Press 1964. XXI, 346 S.
gr. 8° = Cambridge Studies in Medieval life and thoughl, ed by
M. D. Knowles, N. S. X. Lw. 50 s.

In seiner Untersuchung des mönchischen Zehnten von den Anfängen
bis ins 12. Jahrhundert beschäftigt sich C. mit den Zehnten,
die während des Mittelalters von Mönchen einerseits erhoben, an
dererseits gezahlt wurden. Energisch setzt er sich dabei von der
früher häufig vertretenen Meinung ab, als hätten die Mönche bzw.
die Klöster im Mittelalter fast immer den Zehnt empfangen, aber
selten einen solchen gezahlt. Diese Meinung sei durch leichtfertige
Verallgemeinerung entstanden, indem man die Mönche kurzerhand
mit dem übrigen Klerus in eins zusammenfaßte, obwohl besonders
im frühen Mittelalter für beide Gruppen recht unterschiedliche
Regeln bestanden, Regeln, die es jedenfalls den Mönchen verwehrten
, Zehntempfänger zu sein.

An Hand eines umfangreichen Vergleichsniaterials weist C. nach,
daß die zunehmende Vereinnahmung von Zehnten auch durch die
Mönche erst seit dem 12. Jahrhundert zu beobachten sei. Damals
zeichneten sich die verschiedenen Richtungen ab; auf der einen
Seite standen die, die sich gegen die Abgaben an Klöster und
Mönche wandten, um das alte Ideal der mönchischen Besitzlosigkeit
zu erneuern, auf der anderen Seite jene, die z. T. aus Gründen
einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung kirchlichen Besitzes
sich um Befreiung von etwa zu zahlenden Zehnten wie auch um
Einbehaltung des an sie abgelieferten Zehnten bemühten. Das be
traf v. a. die Klöster, die sich einer Zehntzahlung an die Bischöfe
meist mit Erfolg widersetzten und dabei häufig Unterstützung sei
tens des Papsttums fanden.

C. zeigt, daß es sich bei den verschiedenen Formen von Zehnt
Zahlungen um ein viel differenzierteres System handelte, als meist
angenommen wird. Auch der Meinung, die Zehnten seien Vorwiegend
eine von der Kirche den Laien aufgebürdete Last gewesen,
die diese nur mühsam und widerwillig trugen, tritt C. entgegen.
Die Quellen bezeugten vielmehr, daß die Frömmigkeitsvorstelltin
gen jener Jahrhunderte bei der Mehrheit so tief verankert waren,
daß die Abgaben großenteils aus einer gläubigen Haltung heraus
willig gezahlt wurden. Freilich blieb es über die Zeiten hin nicht
bei dieser wohlwollenden Haltung. Auch gab es immer Ausnahmen
, besonders bei Soldaten, Kaufleuten und Handwerkern, die
dann mit entsprechenden Ermahnungen bedacht wurden, Fälle,
die sich im Lauf der Jahrhunderte, besonders im späteren Mittelalter
, natürlich mehrten. Aber die grund sätzlichen Auseinandersetzungen
und lang anhaltenden Streitigkeiten um den Zehnten entstanden
innerhalb der Kirche und ihrer verschiedenen Gruppen
und Parteiungcn und wurden hier auch ausgetragen.

C. behandelt die Entwicklung des mönchischen Zehnten in drei
Abschnitten. Im ersten wird deutlich, wie in der karolingischen
Epoche der Zehnt von den meisten Klöstern gezahlt, selten jedoch
von ihnen eingenommen wurde. Im zweiten zeigt C, wie während
der drei folgenden Jahrhunderte immer mehr Klöster Zehnteinnahmen
erlangten, und im dritten geht er der Tatsache nach, daß
es vielen Mönchen im 12. Jahrhundert gelang, sich von der Zehntabgabe
von den durch sie oder für sie produzierten Gütern zu befreien
.

Aus der Theorie war man allmählich zu einer geregelten Praxis
gekommen, und die Päpste Hadrian IV. und Alexander III. hatten
einen Kompromiß ausgehandelt, der sowohl die Interessen der
Zehntzahlenden wie der Zehntbesitzenden berücksichtigte, festgehalten
auf dem IV. Laterankonzil in Form eines universalen kirchlichen
Gesetzes. Anfangs eine freiwillige Abgabe, gezahlt auf Grund
einer Doktrin und bestimmter Frömmigkeitsvorstellungen, allmählich
als eine Art Steuer aufgefaßt, wurde der Zehnt schließlich im
Lauf der Zeit zu einem Besitz, der das Ganze nicht so sehr von Glau-
bcnsfragen hergeleitet erscheinen ließ, sondern als einen der wich
tigsten ökonomischen Faktoren innerhalb der von der Kirche aufgebauten
Wirtschaft wie der mittelalterlichen Wirtschaft überhaupt
.

Potsdam Ruth Bork

3M

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Rost, Gerhard: Der Prädestinationsgedanke in der Theologie
Martin Luthers. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1966]. 238 S.
8°. Lw. M 14,50.

Gerhard Rost, Dozent an der Theologischen Hochschule der lu
therischen Freikirchen in Oberursel, legt in dieser Monographie
den zentralen Abschnitt seiner Münsterer Dissertation von 1960
vor, nachdem er einige andere Teile derselben veröffentlicht hat
(Luthers Schöpfungsglaube und Geschichtstheologie, Luth. Rundblick
6. Jg. 1958, S. 2-14; Der Zorn Gottes in Luthers Theologie,
Luth. Rundbl. 9. Jg. 1961, S. 2-32; Zum Verhältnis von Naturrechl
und Geschichte bei M. Luther, NZsystTh 4. Jg. 1962, S. 112-132).
In pointierter Schärfe arbeitet er Luthers prädestinatianische Pa
radoxien heraus, welche von Calvin schematisiert, von Melan
chthon (aber auch von Bullingcr), der Konkordienformel (Art. XL
und der lutherischen Orthodoxie abgeschwächt und zurückgedrängt
wurden, ohne diese Spannung innerhalb des reformatori
sehen Ansatzes auf deren auguslinisch-tliomislisch-nominalisti
sehen Hintergrund hin durchzureflektieren.

Ein umfangreiches erstes Kapitel schildert den „bisherigen Gang
der Forschung" (S. 13-53). Auf der einen Seite stehen diejenigen
Forscher, welche wie Albrecht Ritsehl und dessen Antipode Theo-
dosius Harnack Luthers Prädestinationsaussagen möglichst auf
De servo arbitrio eingrenzen möchten und sie deuten „auf dem
Wege aposteriorischen Folgerungsdenkens als Grenzperspektive
von der Rechtfertigungslehre, oder richtiger von der Rechtferti
gungserfahrung her" (S. 21) (Martin Doerne und Hellmut Randt).
Auf der anderen Seite sucht man mit Karl Holl sich von der „re-
signatio ad infernum" in Luthers Frühschriften aus einen neuen
Zugang zu diesen für Luthers Gottesbild charakteristischen Gedanken
zu bahnen. Rost nennt hier Gustaf Aulen, Ragnar Bring.
Keinhold und Erich Seeberg, Werner Eiert, Gerhard Ebeling und
Wolf hart Pannenberg. Aus diesem Überblick gewinnt er die Frage:
Sind Luthers prädestinatianische Worte lediglich als sekundäre
Grenzperspektive seiner Gnaden- und Rechtfertigungslehre zu deuten
, oder erwachsen sie primär eigenständig aus dem allen Men
sehen gemeinsamen Wissen um Gottes allmächtiges Gottsein her
aus (S. 49-53)?

Ein zweites Kapitel über „die fundamentaltheologische Grund
läge von Luthers Prädestinationsgedanken" (S. 55—88) zeigt, daß
Luther sich nicht scheut, mit der uns Menschen sich aufdrängen
den Einsicht zu argumentieren, wo Gottes Gottheit ernstlich gedacht
werde, da schließe sie sein unfehlbares Vorherwissen und
seine alleinwirkende Allmacht ein und zugleich eine ihm gegenüber
eigenständige Freiheit des Menschen aus. Diese zugleich
durch Schriftwortc untermauerte absolute Alleinwirksamkeit Gottes
bekräftigt ihrerseits die Gewißheit unserer Erwählung. „Weil
der Gott des in Christus offenbarten Heils ganz Gott ist, darum
kann sich der Gläubige trotz aller Anfechtungen dieses Heils getrösten
" (S. 84). Rost faßt Gottes allmächtige Alleinwirksamkeit und
unsere ihr korrespondierende Unfreiheit etwas unglücklich zusammen
unter den Begriffen des „Formalprinzips" des Heils (S. 86)
oder des „formalen Grundes der Glaubensgewißheit" (S. 84), han
delt es sich hier für Luther doch nicht so sehr um eine abstrahierende
Schlußfolgerung als um das inhaltsgeladene Geheimnis unseres
Geschöpfseins vor Gott.

Ein drittes Kapitel über „die historischen Wurzeln von Luthers
Prädestinationsauffassung" (S. 89-103) skizziert Luthers Entwicklung
auf dem Hintergrund spätscholastischer Synthesen (insbes.
Biels). Leider wird der augustinisch-thomistische Gesamthorizonl
nicht angedeutet; auch zur Spätscholastik sind nur die Forschun
gen von L. Grane berücksichtigt, leider nicht mehr diejenigen von
B. Hägglund, W. Dettloff und 11. A. Oberman, ebensowenig die Ver
gleiche mit Thomas von H. Vorsler, O. H. Pesch und H. .1. Mc-
Sorley.

Das vierte Kapitel entfaltet Luthers Stellungnahme zu den
„denkmäßigen Schwierigkeiten der Prädestinationslehre" (S. 105
bis 131), wobei sich die Kontroverse zuspitzt auf die Gerechtigkeit
und Güte des Deus absconditus. Luther hat die Paradoxien in un
serer Gotteserfahrung nicht abgeschwächt, sondern bewußt gemacht
, indem er zwischen Gottes verborgenem und gepredigtem

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 5