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Ausgabe:

1968

Spalte:

359-363

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Schlesinger, Walter

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter 1968

Rezensent:

Lau, Franz

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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digten Augustins ist besser als zur Zeit der Mauriner. Für die vorliegende
Ausgabe konnte die Herausgeberin sich auf die Pionierarbeit
stützen, die C. Lambot und andere in dieser schwierigen Materie
geleistet haben. Sie packt aber die Probleme mit eigenem und
sachkundigem Urteil an. Für die Textgeslaltung hat sie sich vor
allem auf die von G. Morin entdeckte Wolfenbütteler Handschrifl
und das Homiliar von Fleury gegründet. Von den hier dargebotenen
Kriterien aus entsteht auch bei den Predigten, die in diesen
Handschriften fehlen, ein Text, der weniger glatt ist als bei den
Mauritiern, aber der gesprochenen Sprache mit ihren oft unvermittelten
Übergängen und den Anklängen an das Vulgärlatein erheblich
näherkommt. Über die Abweichungen von der Maurineraus-
gabe gibt der Apparat Auskunft, obwohl die Herausgeberin ihn natürlich
nicht mit allen Varianten belasten konnte. Die Übersetzung
führt zuverlässig in den Text ein.

Unter den Predigten befinden sich wahre Perlen, die auch heule
nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben, wie z. B. die Predigt
über die fünfte Bitte des Vaterunsers (sermo 211).

Die Ausgabe ist für den Kirchenhistoriker ebenso wie für den
praktischen Theologen von Bedeutung.

Mainz K- » rem

Lot j k, Benignus van, OSA [Hrsg.]: Bullarium Ordinis Ereniita-
rum S. Augustini. Periodus formationis 1187-1526. Würzburg:
Augustinus-Verlag 1964. IV, 138 S. 8° = Cassiciacum. Eine
Sammlung wissenschaftlicher Forschungen über den hl. Augustinus
und den Augustinerorden, hrsg. von A. Kunzelmann und
A. Zumkeller, XVIII.

Das Büchlein - in der Zeitschrift Augustiniana 12, 1962, 161 ff.,
358ff., 13, 1903,474ff. 14, 1964, 216ff., bereits vorabgedruckt - enthält
die päpstlichen Verlautbarungen, die die Entstehungsgeschichte
des Augustinereremitenordens betreffen — insgesamt 163
Dokumente, die z. T. im Auszug und Begest, zumeist aber vollständig
wiedergegeben und durch Kopfregest erschlossen sind. In der
vorliegenden Zusammenstellung erscheint die Entstehungsgeschichte
dieses Ordens als ein, insgesamt gesehen, folgerichtiger und einheitlicher
Prozeß. Er unterlag in stärkerem Maß als bei den übrigen
Bettelorden der Planung und Steuerung durch die Kurie, die
nach und nach eine ganze Beihe von Eremitenkolonien in die pro-
tectio S. Petri übernahm und zugleich regulierte und domestizierte
. Diese Entwicklung wurde nach den grundlegenden Erlassen
Innocenz' IV. abgeschlossen in der Bulle „Licet Ecclesiae"
Alexanders IV., die der Herausgeber auf den 8. April 1256 datiert
und in der die Zusammenfassung einer Anzahl von Eremitenkongregationen
mit dem schon bestehenden „Ordo Eremitarum Sancti
Augustini" verfügt wurde.

Güttingen Bernd M «> t- ] 1 e r

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Schlesinger, Waller: Kirehengeschichtc Sachsens im Mittelalter
. I. Bd.: Von den Anfängen kirchlicher Verkündigung bis
zum Ende des Investiturstreites. II. Bd.: Das Zeilalter der deutschen
Ostsiedlung (1100-1300). Köln-Graz: Bühlau 1962. XII,
399 S., 1 Kte. u. IX, 762 S., 1 Kte. gr. 8° = Mitteldeutsche Forschungen
, hrsg. von B.Olesch, W. Schlesinger, L. E. Schmitt, 27,
I u. II. Lw. zus. DM 98,-.

Während für eine Beihe deutscher Landeskirchen einigermaßen
umfängliche Darstellungen der Kirchengeschichte der betreffenden
Landschaft bereits vorliegen, für Mecklenburg etwa die dreibändige
von Karl Schmaltz aus den Jahren 1935, 1936 und 1952,
für Thüringen die zweibändige von Budolf Herrinann, die in den
Jahren 1937 und 1947 vorgelegt wurde, besaß Sachsen bisher nur
zwei Darstellungen seiner Kirchengeschichte, die nicht ausreichend
waren. Die ältere stammte aus den Jahren 1894 und 1895
und ist überhaupt nicht als selbständige Veröffentlichung erschienen
. Zwei Jahreshefte der Beiträge zur sächsischen Kirchenge-
schichle brachten unter dem Titel „Verfassungs- und Verwal-
lungsgeschichte der sächsischen Landeskirche" neun Vorträge, die
der ehemalige Oberlehrer am Wettiner Gymnasium in Dresden,
Prof. Dr. Georg Müller, im Herbst 1893 vor der Gehe-Sliflung in

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Dresden gehalten hatte. 1899 erschien dann die Sächsische Kirchengeschichte
von Franz Blanckmeister, die dann noch eine
zweite Auflage im Jahre 1906 erlebte. Während die Darstellung
von Müller kaum noch bekannt ist, hat die von Blanckmeister eine
gewisse Popularität erlangt, aber wesentlich mit dadurch, daß sie
in sehr populärem Stil gehalten ist und die Anekdote immer wieder
zu Worte kommen läßt. Daß Blanckmeister ein sehr gelehrter
Mann war, ist sicher. Seine übrigen Veröffentlichungen verraten
es. Ebenso deutlich ist aber auch, daß Blanckmeister die Neigung
zur Anekdote manchen Streich gespielt hat. Auf jeden Fall reichte
seine Darstellung nicht aus. Die Darstellung von Müller ist in vieler
Hinsicht solider. Sie geht auch auf die vorreformatorische Kirchenverfassung
in Sachsen ein, wenn auch nicht sehr stark. Eine
neue und wirklich hieb- und stichfeste Darstellung der sächsischen
Kirchengeschichte ist seit langem fällig.

Nun ist tatsächlich nach dem zweiten Weltkrieg eine neue sächsische
Kirchengeschichte begonnen worden, mit zwei gewaltigen
Bänden, die aber nur die vier Jahrhunderte von den Anfängen um
900 bis etwa 1300 umfassen. Noch ein dritter Band muß geschrieben
werden, damit wirklich die Kirchengeschichte Sachsens im
Mittelalter vollständig wird. Die Geschichte der sächsischen Landeskirche
, die sich dann anzuschließen hätte, müßte, wenn sie sich
maßstabgerecht an die Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter
anfügen sollte, mindestens vier Bände umfassen. Die Frage, wer
die kommenden Bände schreiben soll, ist noch nicht vollständig
gelöst. Daß die Erwägungen darüber immer noch im Gange sind,
ist der hauptsächliche Grund dafür, daß die beiden Bände der Kirchengeschichte
Sachstins im Mittelalter erst so spät angezeigt werden
. Es wäre mir als dem Bezensenten wesentlich angenehmer, ich
könnte wenigstens einen ungefähren und vollständigen Plan für
die weiteren Bände bekanntgeben.

Der Verfasser der beiden vorliegenden Bände mit der Darstellung
der in sich abgerundeten Kirchengeschichte Sachsens im frühen
und hohen Mittelalter ist Verfassungsgeschichtler. Mit seiner
Arbeit begonnen hat er, als er noch in Sachsen wohnte und
seine gesamte Arbeitszeit auf diese Arbeit verwenden konnte; die
sächsische Landeskirche hatte das Unternehmen zu dem ihren gemacht
. Die Quellen, die vor allem in den sächsischen, provinzial-
sächsischen und thüringischen Archiven ungedruckt vorhanden
sind, hat er umfassend eingesehen und auf die Weise das wesentliche
Material zusammengestellt. Nachdem er im Jahre 1951 legal
in die Bundesrepublik übergesiedelt war, konnte er nur einen
Bruchteil seiner Arbeitszeit für die Kirchengeschichte Sachsens
verwenden. Aber er hat sie soweit abgeschlossen und sich in ihr
auch mit der reichen Literatur, wenigstens der deutschsprachigen,
auseinandergesetzt, die vorlag oder neu entstand. Daß die Tuchfühlung
mit der in deutscher Sprache veröffentlichenden Forschung
viel stärker ist als die mit der, die im slawischen Baum, in
Polen oder in der Tschechoslowakei arbeitet, läßt sich nicht verkennen
. Ebenso unverkennbar ist, daß Schlesinger die verfassungsgeschichtlichen
Probleme am meisten bewegen. Damit soll nicht
gesagt sein, daß er sich die Frage nach der Verkündigung nicht gestellt
hätte. Daß sich so wenig über die Verkündigung sagen läßt,
ist auch sehr stark dadurch bedingt, daß sich die Quellen als
äußerst spröde erweisen. Die Feststellung (II, 10), daß die Chronica
Montis Sereni (Neuwerk bei Halle) die einzige mitteldeutsche
Quelle ist, die uns in das innere Leben eines Stiftes einen Einblick
gewährt, sagt mehr, als sich in längeren Ausführungen sagen ließe.
Man muß es Schlesinger abnehmen, daß er frömmigkeitsgeschichtlich
aus den Quellen herausgeholt hat, was sich nur herausholen
läßt. Die Ausführungen über Verkündigung und Frömmigkeit in
der Frühzeit und dann in den Jahren nach dem Investiturstreit füllen
jeweils nur einen Abschnitt der beiden Bände, und der ist in
keinem Fall der umfangreichste. Die Darlegungen über die Bechts-
probleme bei der Begründung der Bistümer, auch die biographischen
Ausführungen über die einzelnen Bischöfe von Meißen,
Naumburg-Zeitz und Merseburg, die Darlegungen über die ältesten
Pfarrkirchen und die der zweiten Schicht, über Verfassung, Becht
und Wirtschaft, die über Klöster und Stifter, über den Vorgang
der deutschen Ostsiedlung überhaupt, sind ungleich umfangreicher
. Auch das Schlesingersche Werk könnte man als Verfassungs-
und Verwaltungsgeschichte - zwar nicht der sächsischen Landeskirche
bezeichnen. Der Weg zu einer Landeskirc he des Wettini-
schen Staates wird im zweiten Band gerade noch in den allerersten

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr.5