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Ausgabe:

1968

Spalte:

345-346

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kuss, Otto

Titel/Untertitel:

Der Brief an die Hebräer 1968

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Seite 1

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345

Theologische Literaturzeitung 93 Jahrgang 1968 Nr. 5

346

NEUES TESTAMENT

Kuss, Otto: Der Brief an die Hebräer übers, u. erklärt. 2., durch-
ges. u. erweit. Aufl. Regensburg: Friedrich Pustet 1966. 2(10 S. 8°
= Regensburger Neues Testament, hrsg. von A. Wikenhauser t
ii. (). Kuss in Verbind, mit .1. Freundorfer f, J Michl, G. Richter,
.1. Schmid, u. K. Staab, 8,1. Lw. DM 22,-.

In erster Auflage war diese Auslegung des Hehr. 1953 gemeinsam
mit den katholischen Briefen im Regensburger NT erschienen; L.
Fendt hat sie in ThLZ 1955 Sp. 432 f. besprochen. Die neue Auflage
erscheint als gesonderter Teil des 8. Bandes. Sie ist durchgesehen,
aber nicht merklieh verändert. Dagegen wurden ihr 11 zum Teil
umfangreiche Exkurse beigegeben, und auch die Einleitung w urde
durch 2 Stücke ergänzt. Dadurch wuchs die neue Auflage um mehr
als ein Drittel des alten Umfanges an, hält sieh freilich auch damit
noch „im allgemeinen an den gewohnten Kähmen des Regensburger
Neuen Testaments" (S. 8), das bekanntlich nicht nur für Theo
logen geschrieben wird.

Wir nennen die wichtigsten Erweiterungen der 2. Auflage: In
der Einleitung wird nun ausdrücklich den Versuchen widersprochen
, eine durchgehende und geplante Gliederung des Schreibens
autzudecken; die Ergebnisse Solcher Versuche legen eher von dem
konstruktiven Scharfsinn des hetrellenden Auslegers als von der
berechnenden Planmäßigkeit des Autors Zeugnis ab. Unmittelbare
oder auch nur relativ enge Beziehungen zu (Juniran vermag Kuss
mit Hecht im Hehr, nicht zu entdecken.

Die Exkuse versuchen vor allem, die theologischen Hauptgedanken
des Hehr, thematisch zu erlassen. Dabei zeigt sich deutlich,
wie stark Kuss seine Arbeit inzwischen der paulinischen Theologie
zugewandt hat; erscheint doch z. '/.. eine beachtenswerte Auslegung
des Röm. von seiner Hand. In den Exkursen „Der heilsge
schichtliche Augenblick" (31-36), „Das Gesetz" (97-101), „Blut als
Heilmittel" (121—124). „Heiligtum, Priester und Kult in der alten
und in nen Ordnung" (126—128), „Das Hier und .letzt der Gemeinde
" (158-162), „Die I.ebenslehre" (187-197), „Das Heil als Heils-
gut" (205—214) versucht Kuss mit Geschick, die Einheit der Bolschaft
unseres Briefes mit dem zentralen urchristlichen Kerygma,
wie es Sei Paulus und Johannes in besonders eindrücklicher Weise
begegnet, nachzuweisen:

„Das geschichtliche Erscheinen Jesu mit allem, was dazugehört,
ist also das schlechthin entscheidende Ereignis, welches das Ende
und den Untergang der Tage und der Äonen akut einleitet" (31). Die
„Gemeinde steht schon im Besitz der entscheidenden Heilsgüter"
(32). „Das Kirchenbewußlsein des Hebräerbriefes ist demnach
eschalologischer Art" (162). Aber wenn dessen Autor auch davon
überzeugt ist, daß das Heilswirken Jesu die entscheidende und
endgültig das Heil schaffende Tat Gottes an den Menschen bedeutet
, so ist er sich doch immer der Zwiespältigkeil der gegenwärtigen
heilsgeschichtlichen Situation bewußt" (100). Denn es steht
So, „daß Heil da ist, aber doch auch wieder nicht da ist,
daß Unheil fort ist, aber doch auch wieder nicht fort ist" (188).
..Der Heilsstatus des Glaubenden in der Gegenwart, von welcher
allein Vergangenheil und Zukunft faßbar werden, ist in seinem
vollen Umfang geglaubter Heilsslatus" (214). Das Hier und Jetzt
der Gemeinde wird durch den schlechthin unvergleichbaren Ernst
der unmittelbar geforderten Entscheidung bestimmt, durch die
unausweichliche Notwendigkeit, mit Ja oder Nein - und zwar mit
einem das ganze Leben umfassenden Ja oder Nein — zu dein Angehot
des Heils Stellung zu nehmen" (35). Der Mensch weiß ja:
„Man kann versagen und man kann verlorengehen, auch wenn man
zunächst von Gott erwählt war" (191).

Hier kommen richtige Erkenntnisse zum Ausdruck, die freilich
nicht alles umfassen, was der llebr. enthält. Ob Luthers partielle
Kritik an diesem Schreiben wirklich so unberechtigt ist, wie Kuss
meint, ließe sich definitiv erst entscheiden, wenn wir den genauen
historischen Ort der Schrift feststellen und sie so aus ihrer konkreten
Situation erklären könnten. Das will indessen bis heule
nicht gelingen.

Von den übrigen Exkursen sei der über .Schrill und Schrif(gebrauch
' erwähnt; er zeigt verständnisvoll auf, daß sich die Exegese
des AT in der Manier des aulor ad Hehr, heute nichl mehr Vollziehen
läßt (55-07). „Die C.lirislologie" (143-152) des Hehr, benutzt

weder historische Jesusüberlieferung noch die synoptische Passionsgeschichte
, „sondern verarbeitet die kerygmatischen Grundelemente
auf .. . eigene Weise" - womit sich die Frage stellt, wieweit
auch die synoptischen Traditionen einfach eine solche Verarbeitung
des Kerygmas darstellen. Verschiedentlich legt der Verfasser
Wert auf den Nachweis, daß der Autor unseres Schreibens
die reiche, vor allem dem Kult entnommene Bildwelt nicht durch-
systematisiert, sondern sie je und je typologisch-symbolisch deutet
.

Ein guter Kommentar, der durch die genannten Ergänzungen
der neuen Auflage noch besser geworden isl, und gewiß der beste
allgemeinverständliche, den wir besitzen! Seinen überkonfessionellen
Charakter herauszustellen, erübrigt sich bei seinein Verfasser
.

Marburg Walter S c h m Ithais

Dodd, C. IL, Prof., Hon. I). IX, F. B. A.: Historical Tradition in
Hie Fourtli Gospel. London: Cambridge Fniversity Press 1963.
XII, 454 S. gr. 8°. Lw. 55 s.

Seit Dodd I D.) sein berühmtes Werk, „The Interpretation of
(he Fourth Gospel" hatte erscheinen lassen, hol Iten seine Leser auf
einen weiteren, ergänzenden Band. Er liegt nun vor in dem Buch:
„Historical Tradition in the Fourth Gospel".

Es gliedert sich (nach einem kurzen Vorwort, einem Verzeichnis
der Tabellen und einer Einführung) in z w e i H a u p t t e i I e. Der
erste behandelt das Erzählungsgut (21—321). Er ist unterteilt
in (A): Passionsgeschichte, mit den sieben Abschnitten: Einführung
(21-30); Zeugnisse (31-49); Der Abschied (50-64); Die Gefangennahme
(65-81); Der Prozeß (82-120); Die Hinrichtung (121-1301;
Die Wiedervereinigung (137-151) und in (B): Die öffentliche Tä-
ligkeil Jesu (The Ministry) mit 5 Unterteilen: Vorspiel zur Leidensgeschichte
(152-173); Heilungsgescbichlen (I 74-195); Speisung
der Menge und dazu gehörender Stoff (196—222); Das Weinwunder
und die Erweckung des Lazarus (223—232); Überleitungsstellen
und topographische Notizen (233—247) und (C): Johannes der Täufer
und die ersten Jünger, mit ebenfalls fünf Abschnitten: Einführung
(248-250); Das Zeugnis des Johannes (251-278); Johannes
bei Ainon nahe Salini (279-287); Der Täufer im 4. Evangelium und
bei den Synoptikern (288-303); Die ersten Jünger (304-312). Der
/.weile Hauptteil bebandelt den Redestoff (The Sayings). Auch
er ist in 5 Abschnitte unterteilt: Bede und Dialog im 4. Evangelium
(315—334); Gemeinsames Bedegul bei Johannes und den Synoptikern
(335-365); Gleichnisformen (366-387); Spruchreihen (388 bis
104); Voraussagen (406-420); Zusammenfassung und Folgerungen
1423-432); Stellenregister (433-452) und Namensverzeichnis (453f.)
bilden den Abschluß.

Man wird D.s neues Werk nach Gebühr nur würdigen, wenn
man es in seiner Verbindung mit dem 1953 erschienenen Buch betrachtet
: „The Interpretation of the Fourth Gospel". Dort hatte D.
zunächst den geistigen Hintergrund des Johannesevangeliums
(= JE), sodann dessen Hauptbegriffe behandelt und schließlich
Gedankengang und Aufbau zu klären versucht. Einzig ein Anhang
brachte einige Überlegungen zum historischen Aspekt des JE.

Was dieser Anhang nur andeutete, führt das neue Werk umfassend
aus. Das Vorwort trägt das Datum des 15. 8. 1961; damals
hatte sich die — durch Käsemann neu geweckte — Frage nach dem
historischen Jesus in England noch nichl ausgewirkt. Darum beginnt
1). sein Buch mil einer Entschuldigung für den Versuch, im
JE (nichtsynoptische) historische Tradition zu finden. Er nimmt
jedoch nicht die alte Theorie einer „Grundschrift" mit späteren
Ergänzungen auf. Vielmehr benutzt er die F"ormgeschichte in deren
erster Phase, wo sie einzelnen Erzählungen und Sprüchen mit
ihrem „Sitz im Leben" nachspürte. D. setzt voraus, daß der Evangelist
nur mündliche Tradition kannte und bearbeitete. Er meint,
solche mündliche Uberlieferung sei auch noch nach dem Erscheinen
der Evangelien eine „lebendige Stimme" gewesen; dafür beruft
er sich auf Papias. Damit ist er in der Lage, nur noch die beiden
Größen der mündlichen Uberlieferungen und deren Bearbeitung
durch den Evangelisten vorauszusetzen. Das erlaubt ihm, jene
Schwierigkeiten zu vermeiden, vor die sich jeder Kommentator des
JE durch dessen - wirkliche oder vermeintliche — Widersprüche
und Spaltungen bei der genauen Analyse gestellt sieht. Darüber