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Ausgabe:

1968

Spalte:

342-343

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Soetendorp, Jacob

Titel/Untertitel:

Symbolik der jüdischen Religion 1968

Rezensent:

Meyer, Rudolf

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Texte iPs. 144,5f.; 77,17-20; 97,2a.3-5; 29,3-9b; Nah. l,2a.3b-6;
Ps. 18,8-16; Hab. 3,3-15; späte Texte: 4. Esr. 3,18; äth. Hen. 1,3-7;
Ass. Mosis 10,3-6; 1 QH 3,32-36). 3. Das zweite Glied ist fortgefal-
len, so daß nur noch vom Kommen Jahwes, nicht mehr von seinen
zu besiegen Jes. 30,27-33; 66,15f.; 59,19; Sach. 9,14; Jer. 25,30b.
31; Jes. 31,4; 42,13; 40,10; er kommt zum Gericht Mal. 3,lab. 2; er
kommt im Lichtglanz Dt. 33,2; Ps. 50,2 f., im Sturm Ez. 1,4, in der
(Wind-)Stille 1. Kon. 19,11 f.). 4. Das erste Glied ist fortgefallen,
so dal! nicht mehr das Kommen Jahwes, sondern nur noch der
Aufruhr der Natur berichtet wird (Ps. 114,3-7; Jer. 10,10b; Hi. 26,
5f.; 26,11; Judith 16,15; in neuem Zusammenhang Hag. 2,6.21). 5.
Die Form kann ganz aufgelöst sein, indem nicht nur das zweite
Glied fehlt, sondern auch das erste verkümmert ist (Hi. 38,1; Ps. 81,
8), oder indem sich Einzelelemente wie Jahwes Einherfahren auf
den Wolken und das Schleudern seiner Naturwaffen verselbständigt
haben (Ps. 68,5; 68,34; 104,3b; Dt. 33,26 und Jes. 29,6; Ez. 13,
13; Ps. 83,15f. u. a.).

Die Berührungen der einzelnen Elemente der Theophanieschil-
derungen mit Vorstellungen der Umwelt Israels sind zahlreich und
eng. In den Naturereignissen wird hier wie dort die göttliche Wirksamkeit
erblickt. Besonders schlagende Parallelen finden sich zu
den Aussagen, daß Jahwe auf den Wolken fährt, im Donner seine
■Stimme erschallen läßt, seine Blitze als Pfeile schleudert, im Sturm
naht, die Erde, die Berge, die Tiefen beben läßt, feurige Kohlen
auf seine Feinde regnen läßt, mit Naturwaffen gegen seine Feinde
kämpft. Es ist im Einzelfall nicht sicher, woher Israel diese Vorstellungen
genau bezogen hat; Vermittlung durch die syrisch-palästinische
Bevölkerung ist meist anzunehmen und läßt sich an einigen
Stellen auf Grund ugaritischcr Parallelen sehr wahrscheinlich
machen. Die Beminiszenzen an einen Chaoskampf sind nicht einheitlich
; sie lassen sich weder (mil Gunkel) ganz aus Babylon noch
ganz aus Ugarit herleiten; wo sie mit dem Schilfmeerwunder zusammen
auftauchen, hat dieses ihnen gegenüber die Priorität.
Während die Theophanieschilderungen an manchen Stellen eindeutig
Einfluß durch die Tradition vom Tage Jahwes, vereinzelt
auch durch die Ladetradition und die Vorstellung von Jahwe als
König aufweisen, haben merkwürdigerweise die Darstellungen
der Sinaitheophanie auf die Gailling nicht eingewirkt.

Schließlich das Problem des Sitzes im Leben. Eine Begehung des
Jerusalemer Festkulles kommt nicht in Frage. Theophanieschilde
rungen finden sich im Kontext des Jahwchymnus, der prophetischen
Gerichtsankündigung, der prophetischen Heilsankündigung
und in prosaischer Erzählung. Ihr ursprünglicher Ort ist das Sie-
geslied (Ri. 5,4 f.). Auch dort hat freilich das erste Glied der Grundform
der Gattung, das das Kommen Jahwes aussagt, nicht seinen
Ursprung; es stammt vielmehr aus der Sinaitradition, wenngleich
nicht aus deren uns vorliegenden Ausforinungen. Das zweite Glied,
das die Folgen von Jahwes Kommen beschreibt, wurde aus der
Umwelt übernommen; beide wurden schon in den Siegesliedern
miteinander vereinigt, die verschiedenen Ausgestaltungen beider
wuchsen allmählich zu. Nach dem Aufhören der Jahwekriege und
ihrer Siegesfeiern löste sich die Gattung zwangsläufig von ihrem
ursprünglichen Sitz im Leben. Dem einzigen Siegeslied-Beleg Bi. 5,
4 f. stehen Ps. 46 und Dt. 33,2-5.26-29 am nächsten. Die Schriftpropheten
führten die Theophanieschilderungen fort, um mit ihnen
Jahwes Eingreifen zum Gericht über Israel anzukündigen (Am. 1,
2; Mi. T,3f. u. ö.), aber auch in der Heilsansage an Israel (Jes. 31,4;
19,1 ff.; Hab. 3,3—15 u. ö.), Aussagen, die in später Zeit universali-
siert wurden (Jes. 26,21 u. ö.). Hinzu kommt die breite Verwendung
der Theophanieschilderungen im Hymnus (Ps. 77,17—20:
Nah. 1,2 ff. u. ö.) und an vereinzelten anderen Stellen. Abseits stehen
die Prosaberichte. Daß die Gattung ein so langes Leben hatte,
erklärt sich daraus, daß sie „zwei konstitutive Elemente des israelitischen
Gottesglaubens in prägnanter Form in Worte faßte",
nämlich „das Wissen um die Gewalt und unwiderstehliche Macht
Jahwes" und das um seine „Lebendigkeit, Dynamik, ja Leidenschaft
" (S. 163 f.).

Die Untersuchung ist allseitig und sorgfältig durchgeführt. Sie
bietet das exegetische Material in großer Fülle und leitet den Leset
bei jedem Schritt gewissenhaft durch das Für und Wider. Die
Filigranarbeit der Formbeschreibung und Formgeschichte wird
unverdrossen geleistet. Daß man hier in Einzelheiten wohl allerlei
variieren könnte, liegt in der Natur der Sache, wie die Entwicklung
dieser Arbeitsweise seit Gunkel auf mehreren Gebieten zeigt.
Auf die Dauer wird man sich von der Schematik, wie sie heute vor-

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herrscht, vermutlich wieder ein wenig entfernen und dann Untersuchungen
wie die vorliegende (die ohne Frage zu den allerbesten
ihrer Art gehört) in erster Linie als geordnete Beschreibungen
miii Motiven und Phänomenen würdigen und dafür auf die Definition
von Motivgruppen als Gattung und die sichere Bestimmung
von deren ursprünglichem Sitz im Leben ein geringeres Gewichl
legen. Auch bei dem gegenwärtig herrschenden Bedürfnis, möglichst
viele Gattungen und deren Sitze im Leben aufzufinden, wird
sich die These von der Theophanie als Gattung wie auch die vom
Siegeslied (einer als solche unbestrittene Gattung!) als ihrem Sitz
im Leben vermutlich nicht überall durchsetzen, die zweite wegen
ihrer doch nur ziemlich geringen textlichen Basis im Deboralied.
Das mindert, wie angedeutet, den Wert des hier angezeigten Buches
kaum; es kann als eine in ihrem Rahmen vorbildliche Arbeil
nur warm begrüßt und empfohlen werden.

Münster/Westf. Hildulf S m c n d

Kapelrud, Arvid S.: Profctcne i det gamle Israel ng .Inda.

Oslo-Bergen-Troms0: Universitetsforlagel [1966]. 138 S. V
= Scandinavian University Books. Norw. Kr. 19.80.

Professor Kapelrud hat mit diesem Büchlein norwegischen Studenten
, SchuMehrern und anderen Interessierten eine allgemein
verständliche Darstellung des alttestamentlichen Prophetismus gehen
wollen. Er hat das Hauptgewicht auf die Verkündigung der
Propheten und den historischen Hintergrund der einzelnen Propheten
gelegt. Und darüber hat er Gutes und Kluges gesehrieben.
Uber die. kontroversen Probleme äußert er sich sehr vorsichtig,
vieles bleibt in der Schwebe, neue Gedanken sind selten. Leider
sind die psychologischen und religionsgeschichtlichen Aspekte
trotz neuerer Untersuchungen zu kurz ausgefallen. Was eigentlich
einen Propheten von anderen religiösen Verkündern unterscheidet
und was die Eigentümlichkeit der prophetischen Literatur ausmacht
, darüber wird der Leser in Unkenntnis gelassen. Etwas
überraschend ist, daß noch behauptet wird, daß das israelitische
Nabilum schließlich eine Importware aus der Fremde war. Der
Verfasser wird sich vielleicht damit verteidigen, daß die prophetische
Verkündigung ihn hier vor allem interessiert hat, aber eine
Seite oder zwei mit einer allgemeinen Charakteristik des Wesens
des Prophetismus hätten sicher auch die nichl wissenschaftlich in-
teressierten Leser dankbar entgegengenommen.

Land Joh. I. i n d b I n m

JUDAICA

Snc le ndorp, Jacob: Symbolik der jüdischen Religion. Sittr

und Brauchtum im jüdischen Leben. Aus dem Holländischen
übers, von W. Bunte. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn [1963|. 208 S. gr. 8°. Lw. DM 28,-.

In einer ausgezeichneten Übersetzung legt W. Bunte ein Werk
des Babbiners der Liberalen Jüdischen Gemeinde zu Amsterdam
und Den Haag, J. Soetendorp, vor, das im Holländischen den Titel
„Symboliek der Joodse Religie. Beschrijving eu Verklaring der (ie
bruiken in het Joodse Leven" trägt. Gleich eingangs darf gesagt
werden, daß diese Handreichung der Symbolik eine bislang
schmerzlich empfundene Lücke ausfüllt, da die deutsche judaisti-
sche Literatur nichts Entsprechendes aufzuweisen hal.

In einem kurzen Vorwort sagt Verfasser: „Dieses Buch will
keine Einführung in das Wesen des Judentums sein. Es will nur
Symbole und Bräuche beschreiben, in denen sich das Judentum
seinen Ausdruck sucht." Hierbei geht er von der Existenz des Individuums
aus, indem er in fünf Hauptabschnitten die Hauptetappen
menschlichen Daseins beschreibt: 1. „Beginn des Lebens" (S. 9
bis 22); 2. „Der Weg ins Leben" (S. 23-31); 3. „Gottes Bund und
sein menschliches Abbild" (S. 32-59); 4. „Heiligung des Lebens"
(S. 60-70); 5. „Ende des Lebens" (S. 71-99). Der nächste Abschnitt,
„Der gottesdienstliche Raum" (S. 100-125), behandelt die Synagoge
, die gottesdienstlichen Formen, die Rolle der Tora, das Gebet
, die Liturgie unter besonderer Berücksichtigung der Piyyulim.
der Qedussa sowie des Qaddis und schließt mit der Besprechung der
Bolle des Vorsängers. Im letzten Abschnitt, „Fest und Feier im jü-

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 5