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Ausgabe:

1968

Spalte:

339-340

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Di Lella, Alexander A.

Titel/Untertitel:

The Hebrew text of Sirach 1968

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Seite 1

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Aber das entfaltet der Verfasser nicht mehr. Es bleibt die Frage,
ob Prophetie und Gesetz überhaupt im Alten Testament auf einen
theologischen Begriff gebracht werden können. Wie die vorliegende
Arbeit es für die Prophetie gezeigt hat, daß es sie und daher
auch ihr Verhältnis zum .Gesetz' nur in ihrer geschichtlichen Kr-
streckung im Reden je der einzelnen Propheten gibt, so ist doch
wohl entsprechend auch für das .Gesetz' zu sagen, daß es im AT
faktisch nur in einer Geschichte da ist, in der ganz verschiedene
Formen in ganz verschiedene Funktionen gehören, die jeweils ihren
Ort in der Geschichte des Gottesvolkes haben.

St. Leun Claus W e s t e r in a n n

Lella, Alexander A. di, U. F. M.: The Uebrew Text of Slrach. A
text — critical and historical study. London — The Hague — Paris:
Mouton & Co. 1966. 183 S. 8° = Studies in Glassical Literature, 1.

Das Spruchbuch des Jesus ben Sirach war bis zum Jahre 1896
nur in der griechischen und syrischen Ubersetzung sowie verschiedenen
anderen abhängigen Versionen bekannt. Seit diesem Zeilpunkt
sind nach und nach umfangreiche Partien des hebräischen
Textes in zahlreichen Fragmenten, die aus der Genisa der alten
Synagoge zu Kairo stammen, zum Vorschein gekommen, so daß
gegenwärtig, nach der Zählung A. A. Di Lella's, von den 1616 Versen
der griechischen Fassung 1098 in hebräischer Sprache vorliegen
(S. 16). Seit dem Bekanntwerden der ersten Fragmente des hebräischen
Textes ist nun die Frage immer wieder erörtert worden,
ob es sich hierbei um Reste des hebräischen Originals oder nur um
eine späte mittelalterliche Rückübersetzung aus dem Griechischen,
Syrischen oder gar Persischen (D. S. Margoliouth) handelt. In eine
neue Phase trat die Debatte durch die Entdeckung von Fragmenten
des hebräischen Sirachbuches in der Höhle 2 von Qumran, zu
denen im Jahre 1964 noch Reste einer Sirachroile aus der Festung
Massada gekommen sind. Mit diesen neuen Entdeckungen konfrontiert
A. A. Di Lella in der vorliegenden erweiterten Wiedergabe
seiner Dissertation die bisherigen Forschungsergebnisse und
gibt damit zugleich einen Überblick zur Forschungsgeschichte
(S. 20-46), den eine sorgfältig zusammengestellte umfangreiche Bibliographie
(S. 152-172) noch ergänzt.

Im Endergebnis kommt L. zu einer Auffassung, die sich „in
broad agreement" mit der Meinung 1. Levi's befindet (S. 26); eine
Meinung, die Levi bereits vor 60 Jahren nach einigem Schwanken
in der Beurteilung der Kairoer Sirachfragmente vorgetragen hatte.'
Danach handelt es sich um den hebräischen Originaltext, der in
einigen Teilen durch Rückübersetzungen aus der syrischen Version
ergänzt worden ist. In der Tat dürfte diese Auffassung die
größte Wahrscheinlichkeit unter den bisher vorgelegten Hypothesen
haben und auch am ehesten mit dem Sachverhalt der Sirachfragmente
von Qumran in Einklang zu bringen sein. Zur Absicherung
dieser Auffassung hat nun der Verfasser nicht nur die Gegenargumente
der älteren und jüngeren „opponents of the authenti-
city of the Geniza Hebrew" einer scharfen Kritik unterzogen (S. 27
bis 46), sondern auch selbst eine Reihe von richtigen Beobachtungen
und beachtenswerten Folgerungen beigebracht.

Zunächst werden drei „text-critical arguments'' vorgetragen:
1. Hebr. Sir. 46,19c zitiert 1. Sam. 12,3 und Hebr. Sir. 51,2b zitiert
Jes. 38,17 nach einem nichtmasoretischen Text, in dem der Verfasser
— wie früher schon L6vi — die Vorlage der LXX erblickt
(S. 47 f.). — 2. In den Kapiteln 30-36 weisen alle griechischen Manuskripte
und die vom griechischen Sirach abhängigen Versionen
bekanntlich sekundäre Umstellungen auf. Demgegenüber haben die
syrische und die altlateinische Ubersetzung (nebst weiteren abhängigen
Versionen) sowie auch der hebräische Text aus Kairo die
zweifellos ursprüngliche Textanordnung beibehalten. Deshalb
könnte allenfalls die syrische Übersetzung als Vorlage für den Kairoer
Text in Betracht kommen. Durch Textvergleiche zu Sir. 30,
24f.; 33,16f. und 36,13 aber zeigt es sich, daß es Partien im hebräischen
Text gibt, für die die syrische Übersetzung keinesfalls die
Grundlage gewesen sein kann (S. 49 ff.). — 3. Seine Auffassung von
der Eigenständigkeit der Hauptmasse des hebräischen Genisa-Textes
unterbaut der Verfasser durch eine Analyse ausgewählter Si-
rach-Abschnitte (S. 55ff.).

') The Hebrew Text of the Book of Ecclesiastkus iSemitic Study Series 3),
Leiden 1W4.

340

Nachdem so die Ursprünglichkeit der hebräischen Version im wesentlichen
überzeugend nachgewiesen worden ist, bemüht sich der
Verfasser um eine nähere Bestimmung der Herkunft des Textes.
Ausgangspunkt bilden die freilich nur wenige Verse bietenden Qum-
ran-Fragmente aus Höhle 2, die auf einen mit den Kairoer Manuskripten
identischen Text schließen lassen. Diese Beobachtung
scheinen auch die noch nicht publizierten Textfunde von Sirach-
Fragmenten aus Massada und Höhle 11 nach vorläufigen Auskünl
ten zu bestätigen. Die Frage, wie nun der Qumran-Text in den Manuskripten
der Karäer-Synagoge in Kairo nach fast einem Jahrtausend
wieder zum Vorschein kommen konnte, versucht L. sodann
durch historische Erwägungen zu lösen, wobei er sich auf
die Angaben einiger mittelalterlicher Autoren stützt, von denen
der berühmte Brief des nestorianischen Patriarchen Timotheus 1.
von Seleucia aus der Zeit um 800 n. Chr. und Saadja Gaon's (882
bis 942) Zitierung des hebräischen Sirach-Textes in seinem ,Sepher
hag-galüy' die wichtigsten sind (S. 78ff.). So kommt L. schließlich
zu folgender Hypothese über die Geschichte des Textes:

Jesus ben Sira hat im ersten Viertel des 2. Jahrh. v. Chr. sein
Spruchbuch in Palästina geschrieben, von dem bald viele Kopien
in Umlauf kamen. Auch bei der Qumrangemeinschaft erfreute sich
das Sirachbuch großer Wertschätzung, „probably because of its em
phasis upon sadoqite priesthood" (S. 150). Unter den Manuskripten,
welche die Leute von Qumran in den Höhlen verbargen, waren auch
einige Abschriften des Sirachbuches. Nach der Synode von Jamnia
um 100 n. Chr. wurde das Sirachbuch unterdrückt. Aber es blieben
doch einige Kopien in Umlauf, von denen eine die Vorlage für die
syrische Übersetzung abgab, die zwischen dem 2. und 4. Jahrh. n.
Chr. wahrscheinlich ein Christ niederschrieb. Der hebräische Text
verschwand während des 5. und 6. Jahrh. bis auf eine schwache
Teilüberlieferung in F'orm von l-'lorilegien. Um 800 wurde der hebräische
Text durch Zufall in einer der Qumran-Höhlen wieder
aufgefunden und von den Karäern vervielfältigt.2 Da das aus der
Höhle stammende Manuskript offenbar nicht gut erhalten war,
wurden die fehlenden oder unleserlichen Stücke durch Rückübersetzung
aus der syrischen Version ergänzt. Dafür wird auf S. 106
bis 147 umfangreiches Belegmaterial geboten, wobei auch die in
einzelnen Fällen nicht unerheblichen Unterschiede zwischen den
fünf Kairoer Manuskripten, die anscheinend nicht sehr sorgfältig
kopiert worden sind, deutlich werden. Dieser Abschnitt gehört
- ebenso wie die schon erwähnte Analyse ausgewählter Sirach-
Abschnitte (S. 55 ff.) — zu den interessantesten und wichtigsten
Partien des Buches, die der textkritischen Schulung des Verfassers
ein gutes Zeugnis ausstellen.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Jeremias, Jörg: Theophanle. Die Geschichte einer alt-
testamentlichen Gattung. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag
desErziehungsvereins 1965. VII, 182 S. gr. 8° = Wissenschaft
liehe Monographien zum Alten und Neuen Testament, hrsg. von
G. Bornkamm und G. von Rad, X. DM 18,-; Lw. DM 21,-.

Die Arbeit, eine Bonner Dissertation von 1964, versteht und beschreibt
die alttestamentlichen Theophanieschilderungen als eine
tiattung. Der erste, im engeren Sinne formgeschichtliche Teil (S. 7
bis 72) handelt von der ursprünglichen Form der Gattung und ihrer
Weiterentwicklung, der zweite (S. 73—117) untersucht die einzelnen
in ihr begegnenden Vorstellungen auf ihre Herkunft, der dritte
(S. 118-164) fragt nach dem Sitz der Gattung im Leben.

Die ursprüngliche Form, die in Am. 1,2; Mi. 1,3f.; Ps. 46,7 und
Jes. 63,19b und annähernd in Ri. 5,4 f. und Ps. 68,8 f. vorliegt, besteht
aus zwei Hälften, die je eine oder zwei Halbzeilen lang sind.
Die eine spricht vom Kommen Jahwes selbst, die andere von dein
Aufruhr, den es in der Natur hervorruft. Aus dieser Grundform
haben sich vier andere Formen entwickelt: 1. Die Grundform hat
sich äußerlich erhalten, aber eins ihrer Glieder oder beide haben
einen neuen Inhalt bekommen (Jes. 19,1; Ps. 76,9; Jes. 26,21; mit
Zusammenwachsen der Glieder zu einem Satzgefüge Jer. 10,13a;
Ps. 104,7; Jes. 33,3; Sir. 43,17a.l6a; mit Veranschaulichung des
Kausalzusammenhanges zwischen Ursache und Wirkung der
Theophanie Ps. 104,32; Am. 9,5; Sir. 16,18 f.; 4. Esr. 8,23; Test. Levi
3,9; stärker aufgelöste Kurzformen Iii. 9,5f.; Sach. 14,4). 2. Eins
der beiden Glieder oder beide sind stark erweitert worden („Langform
"). Hierher gehören besonders eindrucksvolle und wichtige

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 5