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Ausgabe:

1968

Spalte:

11-20

Autor/Hrsg.:

Eltester, Walther

Titel/Untertitel:

Zur Geschichte der Berliner Kirchenväterkommission anläßlich der 75. Wiederkehr ihres Gründungsjahres 1968

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 1

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sierung der in den Verheißungen vormals ausgesprochenen Zusagen
hinausliefen.

Abgesehen davon, daß der Name »Israel" zumindest mit ebensoviel
Recht „El herrscht" heißen kann, erscheint es als schwierig
oder fast unmöglich, die von den Vätern ausdrücklich bei den
El-Heiligtümern Kanaans empfangenen Verheißungen in deren
vorpalästinische Zeit zurückzuverlagern. Der dafür genannte
Grund, diese Zusagen verstünden sich am besten auf der noch
nicht seßhaften Lebensstufe, ist nicht zwingend, weil er genau-
soguL für die Zeit des keineswegs seßhaft zu denkenden oder an
einen Ort gebundenen Aufenthalts der Väter im Lande Kanaan
zutrifft. Desgleichen wird ein nahezu nahtloser Übergang von
der Väter- zur El-Religion, wie ihn nicht zuletzt die Übernahme
der Verheißungen in jene neue Religionsform nötig machte, den
Texten nicht gerecht. Zu eindeutig ist in ihnen, vornehmlich in
Gen 35,1-4 und Jos 24,2.14-15, die Erinnerung festgehalten
worden, daß es zwischen dem Gottesglauben der Väter in ihrer
mesopotamisch-aramäischen Heimat und ihrer El-Verehrung im
Lande Kanaan keinerlei Gemeinsamkeiten gibt. Beides widerspricht
sich so eindeutig, daß man erst nach Ablegen der alten
heimischen Götter an der Verehrung des Gottes El teilhaben
kann. Im Gegensatz zum Aufgehen der El-Verehrung im Jahwe-
Glauben Israels wurde also liier ein tiefer Bruch empfunden.
Und weil sich, wie Eißfeldt gezeigt hat36, die Vätergoltbezeich-
nungen ebenfalls aus der El-Verehrung der Erzväter heraus verstehen
lassen, bleibt nichts, was eine so geartete vorpalästinische
Religionsstufe der Väter Israels befürworten könnte. Somit entfällt
auch die Annahme eines Erwählungsglaubens der vorpalästinischen
Väterreligion.

V.

Wir sind am Ende unserer Untersuchung angelangt. Es ging
ihr darum, den Ursprung des Erwählungsglaubens Israels in den
für die weitere Volksgeschichte grundlegenden Jahwe-Taten beim

M) ThLZ 1963, Sp. 486; vgl. auch Kl. Sehr. III, S. 392-396.

Auszug aus Ägypten und am Gottesberg sowie seine von Anfang
an bestehende enge Verflechtung mit der Berith-Vorstellung
der El-Religion in der Väterzeit aufzuzeigen. Denn in dem In-
und Nebeneinander beider Vorstellungen darf man die Ursache
für das ständige Ringen und Mühen Israels um ein rechtes Verständnis
von Erwählung und Bund, von Verheißung, Cesetz und
Gnade erblicken, das die israelitische Glaubensgeschichte über
die Propheten und das Deuteronomium bis in die exilisch-nach-
exilische Zeit hinein geprägt hat.

Je nachdem, ob der eine oder der andere Begriff stärker betont
wurde, fiel das Schwergewicht mehr der einen oder anderen
Vorstellung zu. Nicht zuletzt kann man auch daran ermessen,
daß jedem von ihnen sein spezifischer, unverwechselbarer Gehalt
eignete. Wie der Begriff der Erwählung dem alltäglichen
Leben des Menschen entnommen ist, so entstammt der Begriff
der Berith dem öffentlichen Rechtsleben. Wie es bei der göttlichen
Erwählung stets um ein das Volk als Glaubensgemeinschaft
betreffendes Handeln Gottes geht, so scheint in der Berith
mehr der personale Bezug zwischen Gott und Mensch im
Vordergrund zu stehen. Muß man unter der Berith zuallererst
eine göttliche Verheißung verstehen, die von ihrem Empfänger
nur im Glauben angenommen werden kann, so stellt die Erwählung
von Anfang an ein die Glaubensgemeinschaft in höchstem
Grade aktivierendes Handeln Gottes dar. Obwohl beide Vorstellungen
in Gottes Güte und Liebe gründen, standen sie doch stets
in Gefahr, den Grund zugleich auch im Menschen und seinem
Handeln zu suchen. Während der Glaube an die göttliche Erwählung
zur Gewißheit der Erwähltheit umschlagen und somit eine
falsche Sicherheit aus dem Glauben herleiten konnte, löste die
Herkunft der Berith aus der Rechtssphäre eine etwa noch an den
einzelnen Erzählungen vom Sinai-Bund deutlich ablesbare, mit
der Zeit zunehmende Verrechtlichung der Berith und folglich
auch des Verhältnisses zwischen Gott und dem Gläubigen aus;
denn immer mächtiger drängte sich die Befolgung von Gebot
und Gesetz in den Vordergrund und drohte, die erwählende
Gnade Gottes ganz zu ersticken.

Zur Geschichte der Berliner Kirchenväterkommission
anläßlich der 75. Wiederkehr ihres Gründungsjahres*

Von Walther Eltester, Tübingen

Die Gründung der akademischen Kommission für die Herausgabe
der griech'schen Kirchenväter im Jahre 1891 hängt auf das
engste mit dem 1890 erfolgten Eintritt A. Harnacks in die Preußische
Akademie der Wissenschaften zusammen. Die treibende
Kraft bei seiner Zuwahl war Th. Mommsen gewesen, und man
kann ohne weiteres annehmen, daß sich beide Männer zu dem
bestimmten Zweck zusammengefunden hatten, der seit 1866 bestehenden
Kirchenväterkommission an der Wiener Akademie ein
entsprechendes Unternehmen in Berlin an die Seite zu stellen.
Die Aufgabe war dadurch von vornherein gegeben. Die auf den
römischen Westen beschränkte Herausgabe der lateinischen Väter
im Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum forderte dazu
auf, in einer parallelen Reihe die „Griechischen Christlichen
Schriftsteller" unter modernen methodischen Gesichtspunkten
herauszubringen. Aber man geht doch wohl fehl in der Annahme
, daß sich Harnack mit dieser philologischen Zielsetzung

* Die folgenden Ausführungen gehen auf einen Vortrag zurück, den ich am
14. November 1966 anläßlich des Jubiläums der Kommission vor der Fachtagung
„Häresien und Schismen - oppositionelle Strömungen im antiken Christentum"
im Institut für Griechisch-Römische Altertumskunde der Deutschen Akademie der
Wissenschaften in Berlin gehalten habe. Sie geben ihn mit Rücksicht auf die
Raumverhältnisse dieser Zeitschrift in starker Verkürzung wieder, so daß der Zusammenhang
mit den Akten etwas verlorengegangen ist. Für die sehr großzügige
Überlassung der Akten der Kommission in Photokopien habe ich insbesondere
ihrem Geschäftsführer, Herrn Dr. habil. K. Treu, und für mannigfache
Hilfe Herrn Dr. Jürgen Dummer zu danken. Die Nekrologe am Schluß sind zum
größten Teil Band 67, 1942 dieser Zeitschrift entnommen und hier ebenfalls verkürzt
wiedergegeben.

begnügt hätte. Dagegen spricht die auffallende Beschränkung
schon im Titel der GCS auf die „ersten drei Jahrhunderte". Diese
geschah kaum nur unter dem pragmatischen Gesichtspunkt, daß
ein Hinausgreifen über diese Periode die Aufgabe ins Endlose
verlängert hätte. Sie hängt vielmehr eng mit dem theologischen
Interesse Harnacks an den frühen Jahrhunderten der Kirchengeschichte
zusammen. Er will für diese ihre Quellen vorlegen.
Die Geschichte der christlichen Literatur versteht er ausdrücklich
nicht als eine Geschichte ihrer Formen, sondern als Dokumentengeschichte
.' Daher ist es kein Zufall, daß seine Geschichte der
altchristlichen Literatur (3 Bände, Leipzig, 1893-1904) sich als
Prolegomena zu den GCS auffaßt und sich auf die Feststellung
der Überlieferung und der Chronologie beschränkt. Ein eigentliches
literatui-geschichtliches Interesse besteht nicht. Es ist auch
kein Zufall, daß Harnack sein 3bändiges Lehrbuch der Dogmengeschichte
seit der 3. Auflage (1893) der Kirchenväterkommission
gewidmet hat. Das war keine bloße Höflichkeit gegen ihre Mitglieder
, sondern zeigte, daß Harnack die Bestimmung der Kommission
unter historischen, ja man muß sagen: unter dogmenhistorischen
Gesichtspunkten verstand. Deshalb ist ihm die Frühzeit
so interessant, denn er sieht die christliche Literatur sich in

') Die Aufgabe einer .Altchristlichen Uteraturgeschichte-Patrologle" hat jetzt
Martin Tetz in der ThR NF 32, 1967, 1-42 entwickelt. Bei der Kontrastierung der
verschiedenen Auffassungen von Harnack und Overbeck wird er der theologischen
Zielsetzung Harnacks nicht gerecht.