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Ausgabe:

1968

Spalte:

306-308

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Benz, Ernst

Titel/Untertitel:

Messianische Kirchen, Sekten und Bewegungen im heutigen Afrika 1968

Rezensent:

Lehmann, Arno

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thers festhalten (61). Schon von daher ist es fraglich, ob man
wirklich sagen kann, da5 „wir (in der Lehre von der Rechtfertigung
) mit ihm und Calvin im Zentrum identisch denken" (58)..
Dann wäre Luther doch ein »Vollhörer des Wortes" gewesen,
was ihm Lortz bestreitet, weil er nicht „Vollhörer der Kirche"
war (61).

Yves Congar (OP) über »Das orientalische Schisma" (19541)
sieht in diesem Schisma den Gesamtgegensatz zwischen Ost und
West angelegt (65). Was die Trennung verursachte und bisher
jeden Wiedervereinigungsversuch scheitern ließ, ist nur von daher
erklärbar, daß man im Osten nicht genug organisch von der
Kirche denkt und keine Ekklesiologie der Universalkirche kennt
(67/68). Das Unrecht ist „nicht auf beiden Seiten gleich". Man
kann im Streit des Sohnes gegen den Vater (!) „im einzelnen
gute Gründe haben; man ist aber nie im Recht, wenn man sich
grundsätzlich gegen sie (die Autorität) stellt. Sie besitzt die strukturelle
, fundamentale Rechtfertigung der Legitimität und des
Rechtes" (69). Mögen auch viele Mißverständnisse abgebaut sein,
so bleibt doch das Ziel, dafj die beiden Seiten des einen Leibes,
Ost und West, sich gegenseitig annehmen und dabei anerkennen
, daß „Rom das sichtbare Haupt" ist, das die Bewegungen
des Leibes „in der Einheit zum Binklang bringt" (78).

Bernard Lambert (OP) in seinen zwei Aufsätzen („Die einmalige
Aussicht einer Wiedervereinigung der Christen in der
Gegenwart" und „Die Wende in der zweiten Konzilssession")
schürft tiefer - weniger, was die Darstellung der Entwicklung
auf protestantischer Seite anbelangt, als vielmehr in seinen Spekulationen
über die Möglichkeit einer „Wiederversöhnung", wie
er lieber sagt (110). Denn „das Einander-Annehmen der Christen
mufj - wenn es wirklich ökumenisch sein will - in einem
dynamischen, schöpferischen Sinn verstanden werden" (116). Die
biblische Karholizität der Protestanten ist „nicht einfach der römisch
-katholischen gleichzusetzen" 89), „denn Christus, die transzendente
Mitte der („biblischen") Katholizität, ist der Katholik
schlechthin" (90). Obwohl auch Rom „eine wirkliche Verstümmelung
" (117) erlitt, führt Vf. alle unmittelbaren Einigungsvorstel
lungen ad absurdum. Dagegen stellt er vor die radikale Wahl:
„Will man eine Begegnung oder will man sie nicht?" Will man
sie, dann hat man sich „gegenseitig innerhalb einer gemeinsamen
Schicksalsgemeinschaft anzunehmen" (121). Von einer römischen
Führung ist hier nicht mehr die Rede, sondern von der
Atmosphäre des Wohlwollens, der Notwendigkeit gegenseitigen
Kennenlernens, vom gegenseitigen Ansporn zu einer höheren
Berufung und von einem offenen Geist. „Die Kirche ist ein lebendes
Wesen", in der es keine Autarkie für einen Teil geben
kann. Die entzweite Familie, in der die Mutter von ihren Kindern
getrennt lebt (nicht umgekehrt!) hofft wieder auf ein gemeinsames
Haus (oikos Oekumene). Hier wäre nur zu fragen,
ob dieses Haus „Kirche" oder „Welt" heißt.

Das Ökumenismus-Dekret und das II. Kapitel der Kirchen-
Konstitution interpretiert der Herausgeber selbst: „Die ökumenische
Öffnung der katholischen Kirche als Leitbild und als Thema
des Konzils". Vielleicht kann man es als eine vorsichtige Kritik
deuten, wenn er bestimmte traditionelle Härten der Dokumente
einfach wegläßt. Daß „die katholische Kirche, die sich als die einzige
von Christus gestiftete Kirche weiß ... die Heilsbedeutung
der anderen Kirchen anerkennen" kann, wird jedoch nicht weiter
kommentiert (126/138), obwohl sich gerade bei der Elementen
-, Spuren- oder Stufentheorie der Dialog mit der protestantischen
Kritik aufdrängen müßte.

Einen Ansatz dazu könnte man bei Otfried Müller „Katholische
ökumenizität" finden, der ähnlich wie Lambert nicht von
vornherein Gewichte verteilt, sondern sich der Frage stellt, wie
es überhaupt zu einem Dialog zwischen Ökumene und Ökumenismus
kommen kann (175). Die ideologischen Klüfte werden
Jodoch nicht genannt, sondern dem „bedingungslosen" Gebet und
der ökumenischen Gesinnung anempfohlen. Man wird natür-
üch fragen müssen, ob hierbei nicht zu schnell der Kampfplatz
theologischer Verantwortung zugunsten von_ Frömmigkeit und
Ethik geräumt wird.

Der zweite Teil mit Aufsätzen von Kardinal Bea, Thomas
Sartory, Otto Karrer, Otto Kaufmann, Jeröme Hamer, Richard
Kleine, zum weiten Dialog, wobei Mischehe (Liselotte Höfer)

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und Konditionaltaufe (Haarsma) nicht ausgelassen wurden, dokumentiert
fast noch deutlicher die innerkatholische Spannung.
So sehr dem Hrsg. an der Repräsentation katholischer Pluralität
gelegen war, so zieht sich doch so etwas wie ein Typus durch,
den man bei Liselotte Höfer einseitig und zugespitzt findet („Das
theologische Gespräch" 259 ff). Ausgehend von der Aufgabe der
Theologie als Dolmetschen meint sie, die alte Polemik in der
Rechtfertigungslehre läge auch daran, daß „Luther gegen vermeintliche
kirchliche Lehren Sturm lief, die aber tatsächlich ock-
hamistische Irrlehren des Spätmittelalters waren" (263). Wenn
man's recht besähe, dann wären „Luther und das Augsburger
Bekenntnis gut katholisch und das Tricnter Konzil gut evangelisch
". Oder zum Amt: „Luther hatte durchaus das Gespür dafür
, daß das Amt göttliche Stiftung und in seiner Objektivität
ein konstitutives Wesenselement der Kirche sei" (272). Werden
die Gegensätze dadurch belanglos und weginterpretierbar, daß
man sie aller historischen Sachkunde zum Trotz nur als historische
und dogmatische Mißverständnisse dolmetscht?

Man legt das Buch, das hier nur in Auswahl besprochen werden
konnte, mit einem zwiespältigen Gefühl aus der Hand.
Wenn es doch wenigstens einen anderen Titel hätte; etwa: Katholisches
zum ökumenischen Problem. Dann wären manche
schon klischeehaften „Ökumenismen" neben ernsthaftem, zum
Dialog einladendem Aufweis innerkatholischer Unterschiede leichter
zu ertragen. Soll die Aufnahme von Nathan Söderblom unter
die ökumenischen Gestalten (Kard. Newman u. Mercier, Max J.
Metzger u. a.) zu dem Gedanken verleiten, daß es auch unter
den nichtrömischen Christen so etwas wie einen ökumenischen
Aufbruch gegeben habe?

Bensheim J o o c h i m L e I I

Benz, Ernst: Messianische Kirchen, Sekten und Bewegungen
im heutigen Afrika. Unter Mitarbeit v. E. Dammann, K. Schlosser
, O. Raum, H. W. Turner, H.-J. Greschat hrsg. Leiden: Brill
1965. X, 128 S. gr. 8° = Beihefte d. Zeitschrift f. Religions- und
Geistesgeschichte, X. Hfl. 24.-.
Auch wer eine Reihe von Werken über dieses Gebiet kennt,
lernt aus diesem Heft viel dazu, das eine weftvolle Bereicherung
der bisher nicht sehr zahlreichen deutschen Buchbeirräge darstellt
. Wer mit dieser Materie noch nicht oder wenig vertraut
ist, wird diese sechs Beiträge von Fachleuten als eine gute Einführung
in ein Sachgebiet bewerten können, das von allgemein-
theologischem Interesse ist.

Ernst Dammann schreibt das 1. Kap. über „Das Christusverständnis
in nachchristl. Kirchen und Sekten Afrikas" (S. 3-21),
wie es sich in ungefähr den letztvergangenen 75 Jahren in den
Absplitterungen von „Missionskirchen" gezeigt hat. Er charakterisiert
die separierten kirchl. Gruppen und weist fünf unterschiedliche
Formen des Christus Verständnisses auf wobei auch
„Christus in afrikanischem Gewände" und „Christus als Vertreter
einer politischen Ideologie" erscheint. Für das Entstehen solchen
Verständnisses in den messianischen Bewegungen werden
sechs Gründe genannt: politisch, wirtschaftlich, sozial, persönlich
, das Verlangen nach einem vorstellbaren Gott und das Nachwirken
der Narurreligion.

Katesa Schlosser, schon lange als Sachkennerin durch
zwei umfangreiche Bücher ausgewiesen, unterrichtet im 2. Kap.
über „Profane Ursachen des Anschlusses an Separatistenkirchen
in Süd- und Südwestafrika" (S. 26-45). An den Motiven „erkennt
man die große Vielfalt von Anforderungen materieller, sozialer
und politischer Art, welche die Nichtweißen an kirchliche Organisationen
und deren Führer stellen" (S. 45). Ihre Untersuchungen
erstreckten sich auf sechs Kirchen, die sie nennt und beschreibt
(und die in der Frage der Polygamie keine einheitliche Stellung
haben). Einer der Gründe mag genannt weiden: die Bevormundung
durch weiße Kirchenführung. Ein Afrikaner konnte sagen:
„Es ist nur wegen der Haut" (S. 35).

Der in Südafrika tätige Prof. O. F. Raum hat das Thema:
„Von Stammespropheten zu Sektenführern" (S. 49-70). Dieses 3.
Kap. ist so gefüllt mit Sachmitteilungen und Erkenntnissen, daß
eine Inhaltsangabe den hier möglichen Raum überschreiten
müßte.

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 4