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Ausgabe:

1968

Spalte:

304-306

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Becker, Werner

Titel/Untertitel:

Der Aufbruch zur Einheit der Christen 1968

Rezensent:

Lell, Joachim

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sorgfältig analysiert und auf Langhans' Missionskritik in dessen
Buch „Pietismus und Christenthum im Spiegel der äußeren Mission
" sachlich einzugehen lehrt.

Mainz Wolter Holsten

B e u m e r, Johannes, S. J.: Auf dem Wege zur christlichen Einheit
. Vorläufer der ökumenischen Bewegung von den Anfängen
des Humanismus bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Ausgewählte
Texte, hrsg. u. eingeleitet. Bremen: Schünemann
[1966). XXXI, 373 S. kl. 8° = Sammlung Dieterich, 314. Lw.
DM 19.80.

Titel und Texte dieser Sammlung sind von einer eigenartigen,
doch charakteristischen Ambivalenz. Es mag Zufall oder Absicht
sein, daß im Titel nicht von den Vorläufern der ökumenischen
Bewegung in der römisch-katholischen Kirche gesprochen wird.
Tatsächlich erscheint keine einzige offizielle Stellungnahme der
römisch-katholischen Kirche zur christlichen Vereinigung. Es finden
sich nur Voten einzelner aus einem sehr weitgespannten
Zeitraum.

Am Anfang steht ein vollständiger Abdruck der Schrift „De
paoe fidei" des Nikolaus von Kues in der Übersetzung von L.
Möhler. Den Abschluß bildet das Schlußkapitel aus der Abhandlung
„Der große Streit und die christliche Politik" von Vladimir
Solovjev - leider nicht die apokalyptische Vision von den Ereignissen
um ein Unionskonzil in Jerusalem aus der „Erzählung
vom Antichristen", die ein interessantes Gegenstück zu dem
Schluß von „De pace fidei" bildet, wo ja ebenfalls ein Unionskonzil
nach Jerusalem einberufen wird.

Der Text von Solovjev stammt aus dessen „universalkirchlicher
Periode" (1883). Er liegt also dreizehn Jahre vor dem vielumstrittenen
„Übertritt" zur römisch-katholischen Kirche, bei
und nach dem sich Solovjev immer noch als Glied der orthodoxen
Kirche betrachtet hat. Trotzdem wird man dem Herausgeber
nicht ohne weiteres den Vorwurf machen können, er habe hier
die Kirchenzugehörigkeit präjudiziert. Denn neben Solovjev stehen
in dieser Sammlung auch manche andere Außenseiter und
Grenzgänger wie Georg Witzel, Franz von Baader, Henry New-
man, Michel de Montaigne - mit einem Stück aus seinen „Essais
", die 1676 indiziert worden sind -, ja selbst Ignaz von Döl-
linger mit einem Text aus den Vorträgen „Über die Wiedervereinigung
der christlichen Kirchen", die er 1872, also im Jahr
nach seiner Exkommunikation, gehalten hat. Der Einsatz um
Verständigung und Einheit ist hier stets aufs engste verbunden
mit dem persönlichen Schicksal dieser „Vorläufer der ökumenischen
Bewegung", deren Stimme heute neue Geltung gewinnt
und Aufmerksamkeit verdient.

Doch fließend sind nicht nur die konfessionellen Grenzen,
sondern auch die Übergänge von Theologie und Humanismus,
von Einheit und Toleranz. Der Auszug aus der „Utopia" des
Thomas Morus ist wohl ein Sonderfall, der schwerlich noch in
den Bereich der Theologie gehört. Weithin vergessene Perlen
aus der römisch-katholischen Irenik sind hingegen die Auszüge
aus der „Regula fidei" des Franciscus Veronius, aus dem Werk
des Benediktiners Beda Mayr oder auch aus den „Friedensworten
" von Maximilian Prechtl. Mit Johann Sebastian Drey und
Johann Adam Möhler kommen schließlich auch Vertreter der Tübinger
Schule zu Wort, die im vorigen Jahrhundert zweifellos
repräsentativ gewesen ist für das theologische Gespräch zwischen
den getrennten Kirchen.

Die Auswahl der Texte will und kann gewiß nicht die noch
ungeschriebene Geschichte des ökumenischen Gedankens in der
römisch-katholischen Theologie ersetzen. Neben den Beiträgen
von sechzehn Autoren aus fünf Jahrhunderten könnten sonst
noch wesentlich mehr angeführt werden. Auf Contarini, Gropper,
Julius Pflug und Georg Cassander wird nur einleitend hingewiesen
(S. 101), Sadoleto fehlt, und hier ließe sich die Liste der Namen
und Texte leicht erweitern. Doch es ist bei der Auswahl
gewiß gelungen, überhaupt einmal in einer zugänglichen Ausgabe
auf diese nicht unbedeutende und doch auch keineswegs
vergebliche Strömung innerhalb und am Rande der römischkatholischen
Kirche hinzuweisen.

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Aufs Ganze gesehen, und das wird auch in der Schlußbetrachtung
des Herausgebers betont, ist in den Texten keine einheitliche
Linie festzustellen. „Es fehlte allem Anschein nach dem katholischen
Ökumenismus eine überragende Persönlichkeit, die
tiefgreifend auf die Zeitgenossen und die Nachwelt hätte einwirken
können, ohne zugleich die notwendige Verbindung mit den
kirchlichen Autoritäten einzubüßen..." (370). Doch ist das nur
das Dilemma des katholischen Ökumenisimrs?

In der Einleitung, den einzelnen Einführungen zu den Texten
sowie in der Schlußbetrachtung sind manche, wenn auch
knappe erläuternde Angaben und bibliographische Hinweise gegeben
. Das mehrfach erwähnte Werk von Joseph Lecler S. J., Hi-
stoire de la Tolerance.. ., ist auch in deutscher Übersetzung erschienen
: Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation
, Stuttgart 1965. S. 81, Anm. 2 muß es statt „Meißlin-
ger" heißen: Meißinger. S. 183 statt „Abt von Lokkum; Wolter
Molanus": „Abt von Loccum, Gerhard Walter Molanus". Die Einführung
zu Solovjev stützt sich etwas einseitig auf Szylkarski;
B. Schultze, Russische Denker, 1950, und vor allem die Arbeiten
von Ludolf Müller werden nicht berücksichtigt. Zu S. 368, Anm. 4:
J. Chr. Hampe zählt wohl nicht zu den katholischen Autoren; das
Buch von G. Thils, Histoire Doctrinale du Mouvement Oeeume-
nique, ist 1963 in einer zweiten, erweiterten Auflage erschienen;
statt Maurice Vilain (!) muß es heißen: Villain. S. 371, Z. 14 v. o.:
statt Erasmanianismus - Erasmianismus.

Heidelberg Reinhard SIencilta

Becker, Werner [Hrsg.]: Der Aufbruch zur Einheit der Christen
. Von der Gegenreformation zum ökumenischen Dialog.
Gesammelte Aufsätze. Leipzig: St. Benno Verlag [1965]. 339 S.
8°. Lw. MDN 7.30.

In die 26 Aufsätze, zum größten Teil Nachdrucke verstreuter
und schwer zugänglicher Arbeiten, teilen sich 18 katholische
und zwei evangelische Autoren. Der äußerlich ansprechende Band
gliedert sich in einen historischen (geschichtliche Wende zur Einheit
der Christen) und einen gegenwärtig praktischen Teil (Die
Antwort der Christen), dem ein Anhang (ökumenische Gestalten
) folgt. Der Herausgeber möchte Vorläufer und Vorkämpfer
für die „große Idee" der ökumenischen Bewegung auf katholischer
Seite bekanntmachen, denn „die ökumenische Bewegung
schien zuerst einzig Sache der nichtkatholischen Christenheit zu
sein" (10). Doch beginnt die Einführung mit einer Art Zukunftsmeditation
von Roger Schutz, dem Prior des Evangelisch-refor-
mierten Klosters von Taize über „Einheit - Hoffnung des Lebens
". Es stellt den Christen, der „seine Taten mit den Gedanken
Christi, der in seinem Inneren lebt, in Einklang zu bringen"
sucht (17), und die Christenheit auf ihrem Weg zur Einheit in
den Horizont einer neuen unaufhaltsam vorrückenden Menschheitskultur
, die „ebenfalls auf der Suche nach einer univei-salen
Einheit" ist (19). Von demselben Vf. stammt eine ausführliche
und statistisch unterlegte Analyse über „die Christenheit heute",
deren Spaltungen und Brüche er nur als „Verarmung" würdigt
(31). Roger Schutz leitet auch den zweiten Teil mit „Hinweisen
zur ökumenischen Verantwortung" ein (189). Der Protestantismus
als „eine Funktion des Katholizismus" würde seinen Ursprung
verleugnen, „wollte er sich radikal von ihm unterscheiden
" (191). Wer der Einheit entgegengehen will, darf „nicht zurückschauen
, nicht einmal zum gestrigen Tage", denn Christus
verklärt und verwandelt auch „unsere Schatten in Licht".

Joseph Lortz, „Von den Ursachen der christlichen Spaltung
und der rechten Art, davon zu sprechen", präzisiert hier seine
Geschichtsbetrachtung in knapper Form. Schuld an der Trennung
sind als „theologische Unklarheit" der spätscholastische
Schulstreit über Zentralthemen des Glaubens (51) und die durch
Papstschisma und tiefgreifende Mißstände geschwächte Einheit
(56). So sehr Lortz sich an die tiefe Frage Luthers herantastet
nach dem, was die Kirche zur Kirche macht, so empfindet er
doch seinen Kirchenbegriff (creatura verbi, communio sanetorum
etc.) als matt, weil „eben nicht als den sakramentalen Schoß, der
den einzelnen Gläubigen als Glied des einen Leibes gebiert"
(53). - Ausgehend von der Möglichkeit, daß Wahrheitsfragen
„offiziell" geklärt werden können (51), muß Lortz am Abfall Lu-

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 4