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Ausgabe:

1968

Spalte:

298

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Höffner, Joseph

Titel/Untertitel:

Ehe und Familie 1968

Rezensent:

Oyen, Hendrik

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Seite 1

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Ich möchte nur auf einen aufmerksam machen. Ein katholischer
Forscher wie Reiners und auch seine Gewährsmänner wissen
Bescheid, wollen eine klare Antwort haben. Der evangelische
Theologe ist doch wohl eher bereit, seine Unwissenheit einzugestehen
, ja zu unterstreichen.

Kopenhagen N. H. Sie

Schüller, Bruno: Gesetz und Freiheit. Eine moraltheologische
Untersuchung. Düsseldorf: Patmos-Verlag [1966). 196 S. 8°.
DM 15.80.

Die ersten fünfzig Seiten erörtern das Verhältnis von Gesetz
und Gnade. Hier kann uns wichtig sein, was der katholische
Theologe Schüller über das paulinische Gesetzesverständnis zu
sagen hat. Dazu folgendes: „Alles im Römer- und Galaterbrief
scheint dafür zu sprechen, daß für Paulus die Tora der Prototyp
des richtenden und strafenden Gesetzes ist, das nur insofern
Ausdruck göttlicher Gnade ist, als es auf die Rechtfertigung aus
Gnaden in Christus vorbereiten soll . . . Wenn Paulus tatsächlich
die Tora als Gottes Gericht und Strafe über die Israeliten
auffaßt, dann widerspricht er damit eindeutig dem Verständnis,
das die alttestamentliche Gemeinde selbst von der Tora hatte.
Die Texte, die wir vorhin aus dem Pentatcuch beigebracht haben
, tun zur Genüge dar, dar} nach Auffassung des Alten Testamentes
das Sinaigesetz Folge der Gnade Jahwes ist und nicht
etwa Ausdruck seines Zornes." (S. 50) Also geht die Gnade als
Verheifjungsgnade an Israel dem Jahwe-Gesetz immer voraus, „so
daß die alttestamentliche Gemeinde ihrem Wesen nach Gemeinde
der aus Glauben an die Verheißung gerechtfertigten Sünder ist.'
(S. 51) So ist also die Tora für die Israeliten nicht Gottes Gericht
und Strafe, sondern nur Gottes Paraklese gewesen (S. 52).

Ein Kernstück der Arbeit befaßt sich nun mit der Frage um
Gesetz und Freiheit. Und hier gibt es Verständnispchwiericrkcircn.
Schüller stellt zum Eingang dieser Problematik fest: „Daß auch
der Sünder noch das liberum arbitrium Gott gegenüber besitzt,
muß zunächst einmal unbedingt bejaht werden." (S. 111) Im
Fortgang der Untersuchungen lesen wir dann aber folgende Sätze:
..Der Mensch kann nicht sündigen, ohne sich dabei seiner Freiheit
an die Sünde zu entäußern. Der Wille des Sünders ist darum
notwendig unfreier Wille." (S. 144) - „Nach alledem kann
keine Rede davon sein, daß der Sünder seiner Sünde zum Trotz
noch die Fähigkeit behalten hätte zu einer totalverfügsnden
freien Selbstbestimmung für oder gegen Gott." (S. 150) Zugestanden
, daß diese Thematik um das liberum arbitrium ein sehr
schwieriger Bereich ist, so kann es doch nicht selbst bei eingehendster
Differenzierung dieses Themas zu solchen sich widersprechenden
Sätzen kommen. Hier bleibt uns der Verfasser eine
Aufklärung schuldig. In einer längeren Anmerkung setzt sich
dann der Verfasser mit Luthers servum arbitrium auseinander
(S. 161/162).

Das Gesetz Gottes bleibt auch für den Gerechtfertigten Paradiese
. Mit dieser These wendet sich der Verfasser der Frage zu,
Welche Rolle dem Gesetz für den wiedergeborenen Christen zukommt
. Der Verfasser bewegt sich bei dieser Darstellung im pau-
Ünischen Spannungsfeld von Indikativ und Imperativ, das wir
etwa so zu verstehen pflegen: Gott hat in Christo das Gesetz erfüllt
(Indikativ), also hütet euch vor einer Verletzung des Gesetzes
, damit ihr dieser euch zuteil gewordenen Erfüllungsgnade
nicht verlustig geht (Imperativ.). Dieser evangelischen Anschauung
entgegen formuliert Schüller den Gedanken wie folgt: „Seine
(des Gesetzes) besondere .Innerlichkeit' besteht darin, daß es
nicht erst noch zu erfüllende, sondern immer schon erfüllte Forderung
ist, und zwar vom Gerechtfertigten selbst im freien Empfangen
der .eingegossenen Liebe' erfüllte Forderung" (S. 169).
Spricht sich für den evangelischen Christen im Indikativ allein
die Tat Gottes in Christo aus, so scheint es hier doch so zu sein,
daß sich im Indikativ auch die Tat des Christen bezeugen läßt.
°as aber dürfte wohl daran liegen, daß Schüller das ganze exegetische
Phänomen um Indikativ und Imperativ bei Paulus nicht
>n Blick genommen hat.

Das eigentlich theologisch Interessante, aber auch problematische
Phänomen dieser ganzen Darstellung, die für den evan-

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gelischcn Theologen sehr lesenswert und instruktiv ist, beruht
in einer methodischen Tatsache. Die Arbeit ist nicht nur doppelbödig
, sie ist mehrbödig, wenn man das einmal so sagen darf.
Der Verfasser arbeitet einmal biblisch-exegetisch. Und hier greift
er über die katholische Literatur hinaus und zieht auch die evangelische
Exegese heran. Dann aber ist er zugleich, wie man wohl
verstehen kann, bemüht, die scholastisch-dogmatische Tradition
mit einzuarbeiten. Und schließlich greift er in das moderne existentielle
Denken hinüber und bemüht sich, die existentialen
Denkformen nutzbar zu machen. So stellt sich die Frage nach der
geistigen-methodischen Einheit der Darstellung: Schrift-Schola-
stik-Existentialistik. - So fließen hier also zusammen: Glaube-
Vernunft-Existenz. Daß diese Darstellung damit das geläufige,
konservative katholische Schrifttum überschreitet, macht sie lesenswert
und interessant, aber auch höchst problematisch.
Berlin Otto Dilschneider

H ö f f n e r, Joseph: Ehe und Familie. Wesen und Wandel in der
industriellen Gesellschaft. 2., erw. Aufl. Münster: Regensberg
1965. 128 S. 8°. DM 6.80.

Dieses Heftlein enthält eine gedrängte katholische Ehe- und
Familien-Ethik in nuce. Es wird ausgegangen von der gottgewollten
Güte der Geschlechtlichkeit, eine Geschlechtsfeindlichkeit
als manichäisch und gnostisch verworfen; es wird gezeigt, wie
der „Geschlechtskraft" zwei eng miteinander verschlungene
Sinngehalte innewohnen: die Kraft, welche naturhaft auf die
Fortpflanzung der menschlichen Gattung ausgerichtet ist, und
zweitens die, welche der leiblich-seelische Ausdruck des gegenseitigen
Sichverschenkens der Partner ist. Das Einhalten emp-
tängnisfreier Tage kann zu einer vernünftigen Regelung der Geburten
führen, insofern würden die Gatten „nicht unsittlich"
handeln. Die Kirche verkündige nicht den Grundsatz: „möglichst
viele Kinder". So bekennt sich der Verf. noch zum bekannten
Standpunkt der Enzyklika „Casti connubii"; die diesbezügliche
Diskussion hat allerdings inzwischen in der katholischen Kirche
diese Ansicht ein wenig überholt! Im Hinblick auf die Meinungsverschiedenheiten
über die Ehezwecke entscheidet sich der Verf.
für die bekannte Lösung: der ffnis operis sei und bleibe die Erweckung
und Entfaltung neuen Lebens, der finis operanlte jedoch
könne in der personalen Einswerdung der Ehegatten gesucht
werden. Scharf wird gegen „widernatürliche Methoden" der Geburtenkontrolle
gewarnt. Kurz werden Kontrakt, Institution und
Sakrament der Ehe besprochen, sie bleiben in der Linie traditioneller
katholischer Auffassung. - Die zweite Hälfte der Schrift
behandelt Probleme der modernen Familie, wobei Klage geführt
wird über die soziale Deklassierung der großen Familie und gezeigt
, daß beim ständigen Schrumpfungsprozeß der Familie auf
die Dauer die Arbeitskräfte fehlen werden, um das erforderliche
Sozialprodukt zu erzeugen. Wer sich indessen die Probleme der
Automation vergegenwärtigt, wird die Gefahr des Schrumpfungsprozesses
vielleicht doch nicht als so bedrohlich empfinden. Die
Automation wird eine Reduktion der Arbeitszeil und Freilegung
menschlicher Arbeitskraft zur Folge haben, die einen starken
Anwachs der Bevölkerung eher für untragbar erweisen. - Ein
Schlußwort bildet eine Verteidigung der Jungfräulichkeit um
Christi willen. Sie trage einen ekklesiologischen, eschatologischen
und charismatischen Charakter. Sie ist eine Teilnahme an der
Jungfräulichkeit der Kirche, für die Christus sich hingegeben
habe. „Der Jungfräuliche steht der endgültigen Gestalt des Menschen
näher als der Verheiratete, denn die Institution der Ehe
gehört nur diesem Aon an . . .". - Alles in allem eine kleine
Schrift über die katholische Ehe- und Familienlchre, die deutlich
zeigt, daß die Diskussion mit der evangelischen Lehre an manchen
Punkten dringlich ist.

Basel Hendrik van Oyen

Ca 1 Hess, Rolf-Peter: Recht und Frieden. Beitrag zu einer
ökumenischen Rechtstheologie (ZEE 12, 1968 S. 98-109).

Deniel, Raymond: Omnis potestas a Deo (Rm 13, 1-7).
L'origine du pouvoir civil et sa relation ä l'Eglise (RechSR 56,
196R S. 43-85).

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 4