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Ausgabe:

1968

Spalte:

267-269

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pesch, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Matthäus der Seelsorger 1968

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 4

268

Stuttgarter Bibelstudien, hrsg. v. H. Haag, N. Lohfink
u. W. Pesch. Stuttgart: Rath. Bibelwerk. 8°.
2: Pesch, Wilhelm: Matthäus der Seelsorger. Das

neue Verständnis der Evangelien dargestellt am Beispiel

von Matthäus 18. [1966]. 80 S. Kart. DM 4.80.
11: Lammers, Klaus: Hören, Sehen und Glauben

im Neuen Testament. [1966]. 113 S. Kart. DM 6.80.
12: Pesch, Rudolf: Die Vision des Stephanus. Apg.

7,55-56 im Rahmen der Apostelgeschichte. [1966]. 74 S.

Kart. DM 4.80.

15: Heising, Alkuin: Die Botschaft der Brotvermehrung
. Zur Geschichte und Bedeutung eines Christusbekenntnisses
im Neuen Testament. (1966). 83 S.. Kart.
DM 5.80.

24: Ortkemper, Franz-Josef: Das Kreuz in der Verkündigung
des Paulus. Dargestellt an den Texten
der paulinischen Hauptbriefe. [1967]. 109 S. Kart. DM 6.80.

Die SBS, die hier erstmals in ThLZ begegnen, behandeln nicht
nur den Spezialisten interessierende Fragen in nicht bloß diesem
verständlicher Form in wissenschaftlicher Weise, u. a. auch vom
Philologischen her (auch griechischer Text wird zitiert, und zwar
nicht transkribiert). Weitere Hefte liegen anderen Rezensenten
bereits vor.

In der erweiterten Fassung eines Aufsatzes in BZ N. F. 7
(1963) 220-235 analysiert Wilh. Pesch Mt 18 redaktionsgeschichtlich
(s. Untertitel) und gewinnt von daher entscheidende
Aspekte der Auslegung. So enthält etwa V. 16f. ursprünglich die
„Kirchenzuchtordnung einer judenchristlichen Ortskirche", die
durch Mt „in den Dienst einer Predigt zur Vergebungsbereitschaft
und Bruderliebe" gestellt wird (37). V. 18 ist das „an die
elf Apostel und damit an alle Gläubigen" gerichtete (37) Urwort
des Auferstandenen, das „Ausgangspunkt vieler Überlieferungsvarianten
" wurde, z. B. Mt 16,19 b (41 f.). „Mt 18,20 entstammt
der nachösterlichen Christengemeinde" (44 f.). Die auch sonst
nicht selten gebrauchte Form der Frage, die einen Übergang herstellt
, in V. 21 geht auf Mt zurück (45 f.), ferner der zusammenfassende
Satz V. 35 (48). An den synoptischen Parallelen wird
die weilgehende Umgestaltung von Mk bzw. Q vorgeführt. Das
Gleichnis V. 12f. wird „umgeformt und allegorisch interpretiert.
Nicht mehr Verlorene, sondern Verirrte stehen jetzt in Frage";
Mt „denkt nicht mehr an das Suchen Gottes, sondern ... an
das Suchen in der Seelsorge" (71). P. gewinnt so eine geschlossene
Interpretation der beiden Abschnitte V. 1-14 und V. 15-35.

In seiner - hier gestrafften - Tübinger Lizentiatsarbeit untersucht
L a m m e r s „die Bedeutsamkeit der Sinneswahrnehmungen
für den Glauben" (17). Um sie theologisch zu erfassen,
geht er zunächst die einzelnen Schriften bzw. Schriftengruppen
des NTs in 9§§ durch; denn „das Verhältnis von Hören, Sehen
und Glauben ist unterschiedlich gestuft. Es kann also . . . nicht
um eine für das gesamte NT verbindliche, einheitliche Lösung
der Frage gehen" (12). In Kap. 2, das sich um zusammenschauende
Urteile bemüht (84-106), ergibt sich wohl für die Briefe
„eine Unterordnung des Sehens unter das Hören" (84) j stärker
betont erscheint jedoch „die Gleichwertigkeit beider Erfahrens-
v/eisen für den Glauben" (89). Bei beiden ist „in gleicher Weise
Glauben erforderlich, um über das Optische und Akustische hinaus
vorzudringen" (90). Das Sehen „ist in der Begegnung mit
dem irdischen Jesus am stärksten betont" (104); der Verf. möchte
es aber offenbar für das NT als ganzes einigermaßen aufwerten.
Das fides ex auditu hat auch bei Paulus als „nicht zu ausschließlich
angewandter Grundsatz zu gelten" (71). Die Erkenntnisse
des Verf.s, die zumindest nicht immer glücklich formuliert sind,
werden zumal in Kap. 2 des öfteren durch ausführliche Zitate
aufgefüllt.

Rud. Pesch fragt insbesondere nach der Bedeutung des
sotwxa in Apg. 7,55. Das Ergebnis: „Das Stehen des Menschensohnes
ist Symbol für die Bestätigung der Stephanusrede, die
Bestätigung der Anklage, Symbol für den gottgewollten Fortgang
des Evangeliums vor den Juden (zu den Heiden)" (54). Die Auslegung
beruht sprachlich insbesondere auf der Interpretation des

Stehens des Gottes Israels in Ass Mos 10,3; Jes 3,13 (58). Wie
man auch zu dieser Exegese, jedenfalls zu ihrer Begründung
von den genannten Texten her, stehen mag - die Studie ist methodisch
gut durchgeführt. Pesch, der von der Verlegenheit des
Predigers gegenüber Apg. 7,55 f. ausgeht („Ein homiletischer
Entwurf" schliefjt das Heft ab), skizziert und kritisiert - weithin
mit Recht - zunächst die bisherigen Deutungsversuche und bereitet
damit schon seinen „Auslegungsvorschlag" vor. Dieser stellt
Apg. 7,55 in den Zusammenhang von Apg. 6f. bzw. 1-12 hinein
und führt das Verständnis auch des engeren Kontextes von 7,55
beachtlich weiter. Man darf den Untersuchungen apokalyptischer
Texte des NTs, mit denen P. als Schüler A. Vögtlcs gegenwärtig
befaßt ist, mit guter Erwartung entgegensehen.

Heising bestimmt zunächst die Erzählung von der Brotvermehrung
der „literarischen Galtung"1 nach als „kerygmatische
Wundergeschichte" (20). Aus der Gattung ist die Absicht eines
Verfassers zu erkennen (13); von der Gattung her kann die Frage
nach dem Wirklichkeitsgehalt eingegrenzt werden (13f ). Als
„Vorlage für den Aufbau" von Mk 6,32ff. usw. diente 2. Kön. 4,
42-44; diese Erzählung wird, wie etwa die Aussage über den
Prophetenmantel Elias, „als kerygmatische Verdinglichung" (31)
verstanden, ist aber in ihrer „theologischen Dimension zu sehen"
(38). „Der Prophetenspruch aus der Speisungsgeschichte .Ihr werdet
essen und übriglassen!" ist von Elisa „wahrscheinlich ursprünglich
in der Zeit einer Hungersnot ausgesprochen worden"
(36); „das Heilsorakel . . . wurde von den Prophetenkreisen
bewahrt, indem es zum Mittelpunkt der Speisungsgeschichte gemacht
wurde" (37). Um den Aussagegehalt von Mk 6,32ff. u~w.
zu erheben, zieht H. auch die Manna- und Wachtelspeisung (Ex
16; Num 11) heran. Mit deren rationaler Erklärung ist wohl „der
sachliche Tatbestand" richtig erfaßt, nicht aber „die eigentliche
(J, P usw.) erhebt. In IV wird dann die Rolle von „Mannaspei-
Aussage erkannt" (23), die H. stufenweise aus den Quellen
sung und Prophetenerwartung in der eschatologischen Geisteshaltung
des Judentums zur Zeit Christi" behandelt, nach Ps 78,
den Qumranschriften, syr Bar usw. Bei der Interpretation von
Mk 6,32 ff. usw. zieht H. insbesondere Verbindungslinien zum
AT. Das „Überbietungsmotiv" wird bezüglich des Heilsorakels
Elisas (s. o.) und der Verhältniszahlen von Bröl und Gespeisten
in AT und NT sichtbar (52-54) usw. „In der wunderbaren Speisung
weist sich Jesus als der neue Moses der Endzeit aus" (55).
„Es scheint kaum möglich zu sein, zu einem historischen Faktum
durch die literarische Schicht zu gelangen" (56). In VI will H. „Die
Brotvermehrung als eucharistische Kult-Didache" aufzeigen; dieses
ihr Verständnis ist schon vormarkinisch (63). Schließlich werden
die spezifischen Interpretationen der Erzählung in den vier
Evangelien behandelt; den in den Synoptikern gegebenen wird
die des Joh betont gegenübergestellt („eine rein irdische Speisung
" [78], keine Beglaubigung des neuen Mose (80) usw.). Auch
wenn man zur Beurteilung als ganzer und zu einzelnen Assoziationen
, die hier nur z. T. referiert werden konnten, Fragen stellen
mag, ist H.s gedankenreiche Arbeit interessant u. a. in ihrer
Anwendung moderner Grundsätze der Interpretation der Jesusüberlieferung
.

Ortkempers Münstersche Lizentiatsarbeit (1964) „behandelt
das Thema . . . nicht so, daß neue eigenständige Forschungsergebnisse
vorgetragen würden, sondern so, daß die schon erarbeiteten
Ergebnisse der Forschung zusammengetragen, kritisch
überprüft und in die Einheit einer thematischen Darstellung gebracht
werden" (J. Gnilka im Vorwort). Das geschieht in einer
ansprechenden Weise. O. zeigt sich gut informiert, wenn auch
nicht alle Literatur herangezogen wird, und verarbeitet vielfältige
neuere Einsichten auch der protestantischen Interpretation. Es
wird viel zitiert. Nicht immer ist alles ganz ausgeglichen, etwa
zu Rom. 6, das nach der Zusammenfassung in der Überschrift (83)
„Das .Mitgekreuzigtwerden' mit Christus in der Taufe" aussagt,
während in der Ausführung z. T. sachgemäßer formuliert wird
(56, s. Anm. 47; im vorigen Sinn jedoch 20 f. u. ö.). In der Hauptsache
behandelt O. ausgewählte Stellen, in I solche aus Gal., in

') Den Ausdruck entnimmt er der Dogmatischen Konstitution des Vaticanum
II (11 A. 1). Auf sie beruft sich auch W. Pesch betont (7).