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Ausgabe:

1968

Spalte:

256-257

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Dunand, Françoise

Titel/Untertitel:

Papyrus grecs bibliques 1968

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 4

25t;

und dieses „Gesetz" in höchst fragwürdiger Weise als einen theologisch
negativen Begriff abzuwerten. Völlig vergessen ist dabei
, da5 das Alte Testament selbst in sehr differenzierter Weise
von Gesetzen spricht, weiil es über eine unübersehbare Fülle von
Rechtsfällen und Rechtssituationen redet und von sich aus bereits
versucht, Verordnungen zu summieren und etwa im Begriff
törä theologisch positiv zu interpretieren.

Der Verf. verzichtet völlig auf theologische Exkurse und übergreifende
Gesichtspunkte, die theologisch sofort verfügbar gemacht
werden könnten. Er bietet auf engem Ramm in ungewöhnlicher
Dichte eine Besprechung des reichen Belegmaterials mit
vielen Anmerkungen und stellenweise exegetischen Exkursen.
Gerade diese an den Texten so hart arbeitende und manchem
schnellen Leser vielleicht mühsame Methode verschafft einen
starken Eindruck von den Problemen, die das Material selbst
bietet. Es zeigt sich, wie eine exakte Begriffsbestimmung letztlich
immer von ihrem Kontext und von ihrer jeweiligen Zeitlage
abhängig ist, in der der Begriff in bestimmten Zusammenhängen
Verwendung fand. Dafj dabei zuweilen exegetische Prämissen
eine Rolle spielen, wenn man die rechten Konsequenzen aus
einer Begriffsverwendung ziehen will, wird vielfach deutlich.

Wie schwierig sich die Dinge itn einzelnen ausnehmen, mag
man an wenigen Beispielen sehen. Tn Ex. 15,25 b sind mit höq
und mispät wahrscheinlich wie in Jos. 24,25 b Kultordnung und
Recht gemeint, wobei die Frage strittig ist, ob Ex. 15,25 b-26
als deuteronomistisch anzusehen ist. Verf. gesteht für v. 20
deuteronomistische Bearbeitung zu, nicht aber für v. 25 b wo
ihm ein älteres Bruchstück vorzuliegen scheint. Es kommt hinzu,
dafj in Ex. 15,25 b die Termini im Singular stehen, in v. 26 aber
von den Gesetzen Jahwes im Plural gesprochen wird. „V. 26
enthält typisch deuteronomistische Redewendungen. Hier sind
die Termini qöl JHWH, miswötäw und huqqäw offensichtlich
synonyme Bezeichnungen für den Willen Jahwes überhaupt"
(Hentschke, S. 29). - Der Umstand, dafj die hier in Rede stehenden
Begriffe ebenso bestimmte Einzelanweisungen wie zusammenfassende
Rechtscorpora bezeichnen, die ihrerseits wiederum
verschiedenen Rechtsinstanzen und -funktionen ihre Entstehung
verdanken können, erschwert das Urteil über die Tragweite der
Rechtstei-mini weitgehend. In der Erzählung Ex. 18,13-27 wird
„meistens ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der richterlichen
Tätigkeit Moses und der Bekanntgabe der huqqim und
töröt Gottes als selbstverständlich angenommen" (Ex. 18,16 b;
20). Hier kommt jedoch Verf. zu dem Resultat, dafj der Sprachgebrauch
in diesen Versen typisch sei für die deuteronomische
Paränese, und die Verse nachträglich interpoliert seien, um der
gesetzgeberischen und unterweisenden Tätigkeit Moses neben
seiner richterlichen Funktion Geltung zu verschaffen. Deshalb sei
es unmöglich, auf Grund von Ex. 18 etwas über die Bedeutung
von höq in vordeuteronomischer Zeit zu sagen. (S. 30 ff.) -
Während für die Verwendung des Begriffes höq zu beachten ist,
dafj er „niemals ein Ergebnis der Gottesbefragung, also ein Orakel
in zivilrechtlichen Angelegenheiten, bezeichnet" (S. 30), wird
scheinbar umgekehrt zu Num 27,8-11 und dem vermeintlichen
Pleonasmus huqqat mispät festgestellt, daß „die göttliche Autorität
des Gesetzes durch den Terminus huqqä hervorgehoben"
wird, „während mispät den Anwendungsbereich, nämlich die
Sphäre des bürgerlichen Rechts, angibt". Verf. entschliefjt sich,
die aus zwei „eigentlich heterogenen Ausdrücken" zusammengesetzte
Wendung huqqat mispät mit „von Gott gesetztem Recht"
zu übersetzen (S. 46).

Hentschke kommt zu dem Resultat, daö eine begriffsgeschitht-
liche Entwicklungslinie, deren einzelne Phasen noch deutlich
feststellbar wären, für den Ausdruck höq/huqqä nicht aufgezeigt
werden kann. Die Grundbedeutung „eingezeichnete, (endgültig)
festgesetzte Grenze" hat zu unterschiedlichen Bedeutungsvarianten
geführt, die ebenso das „festgesetzte Mafj" wie auch die „von
Jahwe aufgerichtete Naturordnung" meinen können. Im Unterschied
zu mispät hat sich der gesetzestechnische Gebrauch von
höq neben einem mehr allgemeinen bis in die nachexilische Zeit
hinein behauptet. Erst relativ spät scheint der Ausdruck in die
Gesetzesterminologie eingegangen zu sein, zumal er als Bezeichnung
für Rechtsbestimmungen in vorexilischer Zeit weder in Gesetzessammlungen
noch bei den Propheten vorkommt. Dieses
Resultat stimmt nachdenklich im Blick auf die Tatsache, da5 höq
neben mispät in alten Erzählungen über die Einführung von
Rechtsordnungen wie Gen. 47,26; Jos. 24,25 und 1. Sam. 30,25
sowie in den Paränesen des Deuteronomiums und des Heiligkeitsgesetzes
wie ein scheinbar altbekannter Begriff verwendet
wird.

Klarer sehen wir hinsichtlich des Anwendungsbereichs. Im
priesterlichen Sprachgebrauch besteht eine enge Beziehung zwischen
höq/huqqä und törä im Zusammenhang ritueller Kultordnungen
. Hentschke formuliert das Verhältnis bewufjt zugespitzt
(S. 113): „höq ist schriftlich kodifizierte törä (Jos. 24,25), die ihrerseits
als Grundlage der mündlich erteilten priesterlichen Laienbelehrung
, d. h. weiterer Tora-Bildung, dient (Lev. 10,11)." Jedoch
sei dieser exakte Sprachgebrauch nur in solchen alttesta-
mentlichen Schriften zu finden, die mit priesterlicher Fachsprache
vertraut sind. Beachtung verdient daneben der in der Priesterschrift
wiederholt vorkommende Gebrauch von höq in der speziellen
Bedeutung „Priesterdeputat" (S. 35-42.90). Nur an einer
einzigen Stelle im ganzen Alten Testament (Jes. 24,5) erscheint
höq als übergeordneter Terminus für das ganze Gesetz Jahwes,
das aus einer Mehrzahl von töröt besteht (S. 89).

Wenn Verf. zuletzt seine Auffassung so umschreibt, dafj höq
(bedeutungsmäfjig übrigens von huqqä nicht zu unterscheiden)
einen weiteren Bedeutungsumfang besitzt und gegenüber törä
und mispät weniger profiliert erscheint, so mufj aber hinzugefügt
werden, da§ es mit dem „Profil" von törä und mispät nur
relativ besser aussieht. Alle diese Begriffe haben sehr verwickelte
bedeutungsgeschichtliche Prozesse durchlaufen, deren Rekonstruktion
durch die vielfältige Verwendung der Begriffe im Alten
Testament weitgehend verwehrt ist. Was Hentschke für höq gezeigt
hat, sollte ein Warnschufj sein. Denn auch die ursprüngliche
Verwendung von törä und mispät ist keineswegs über jeden
Zweifel erhaben und könnte, wie Rez. meint, ähnlich wie
höq beurteilt werden müssen, nämlich als eine zunächst au5er-
halb der strengen Rechtssprache stehende Funktionsbezeichnung,
sei es der Belehrung oder gleichsam als Ausdruck für Prinzipien
normativ geregelten Handelns, sofern man namentlich hinter
der Wurzel spt, die dem Worte mispät zugrunde liegt, nicht
nur ein „Richten", sondern ein „Regieren" im weitesten Sinne
als Grundbedeutung anzunehmen bereit ist.

Nicht als törä, aber mindestens in der Form eines unverbindlicheren
höq erlaubt sich der Rez. zuletzt eine Paränese: Niemals
sollte eine solche Untersuchung ohne Register erscheinen! Es ist
schade, da5 Hentschkes zahllose Einzelbeobachtungen, auf die
alles ankommt, im Kontext versinken, ohne durch eine Register
ständig und mühelos verfügbar zu sein.

Bochum Siegfried Herrmann

Dunau d, Francoise: Papyrus Grecs Bibliques. (Papyrus F. Inv.
266). Volumina de la Genese et du Deuteronomc. (Introduc-
tion). Le Caire: Imprimerie de l'Institut Francais d'Archeolo-
gie Orientale 1966. V, 64 S. 4° = Recherches d'Archeologie, de
Philologie et d'Histoire, XXVII.

- do. (Texte et Planches). Ebda: 1966 = Extrait des Etudes de
Papyrologie, IX, p. 81-150, 15 pl. 4°.

Der wohl aus der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. stammende
Papyrus Fuad 266, der aus 115 Fragmenten, davon 3 zur
Genesis und 112 zum Deuteronomium, besteht, ist teilweise schon
vor mehreren Jahren veröffentlicht worden und hat damals auch
darum besondere Beachtung gefunden, weil er den in einer altertümlichen
Quadratschrift geschriebenen hebräischen Gottes-
namen aufweist. Jetzt liegen die „Introduction" in ihn und „Texte
et Planches" von ihm vor. Die Introduction ist in diese acht Kapitel
gegliedert: „I. Le Papyrus F. 266. Presentation et Essai de
Reconstitution du Texte" (S. 1-8), »II. L'Ecriture du Papyrus F.
266 et le Probleme de la Datation" (S. 9-13), „III. Particularites
stylistiques et grammaticales du Papyrus F. 266" (S. 14-17), „IV.
Rapports du Papyrus F. 266 avec les differents Manuscrits de la
Septante' (S. 17- 23), .V. Les Legons propres au Papyrus F. 266"
(S. 23-29), .VI. Le Papyrus F. 266 et le Probleme de l'Origine de