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Ausgabe:

1968

Spalte:

252-253

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Vogt, Hubertus C. M.

Titel/Untertitel:

Studie zur nachexilischen Gemeinde in Esra - Nehemia 1968

Rezensent:

Gunneweg, Antonius H. J.

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 4

252

„Transliteration"-Tafeln (S. X) und „Abbreviations" (S. XI-XII) ein
ausführliches Literaturverzeichnis (S. XIII-XIX) voran, das ebenso
wie die Arbeit selbst die grundliche Vertrautheit des Autors
auch mit der einschlägigen europäischen, speziell der deutschsprachigen
Literatur, ausweist. Die Schrift wird abgeschlossen
durch fünf nicht minder sorgfältig gearbeitete Indices (S. 91-101),
für die dem Verf. besonderer Dank gebührt; sie erleichtern eine
Auswertung der Arbeit ganz wesentlich.

Mit dem I. Kapitel: „The Problem and the Sources" (S. 1-11)
bietet Hillers zunächst einen kurzen Überblick über die neueren,
von einer Berücksichtigung der hethitischen Vasallenverträge
ausgehenden Lösungen der Frage nach der Entstehung der alt-
testamentlichen Bundesvorstellung sowie die daraus folgernden
Thesen über eine Verbindung zwischen Flüchen in Vasallenver-
tiägen und im alttestamentlichen Schrifttum. Unter Ablehnung
der Position von J. Wellhausen und jüngerer Nachfolger, von
denen ja der Bundesgedanke als eine erst mit Elia und Arnos
einsetzende prophetische Vorstellung erklärt wurde, stützt sich
Hillers hier vor allem auf G. Mendenhall und K. Baltzer sowie
F .C. Fensham und auch H. Graf Reventlow. Ob überhaupt und
wie weit diese sog. Vasallenvertrag-Hypothese tragfähig ist,
kann in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden; für eine
kritische Auseinandersetzung mit ihr sei indes auf die Ausführungen
von G. Fohrer in ThLZ 91, 1966, Sp. 895-897 verwiesen.

Ein weiterer Überblick gilt danach den altorientalischen Verträgen
, die Verfluchungen enthalten. Sie zerfallen in zwei Gruppen
: 1 Texte aus der Zeit des spätethitischen Reiches (15.-13.
Jh. v. Chr.) (sie sind von keiner wesentlichen Bedeutung für die
vorliegende Untersuchung) und 2. Texte aus dem 9.-7. Jh. v. Chr.
(hierzu gehören der Vertrag zwischen Samsi-Adad V. und Mar-
duk-zakir-sum I., der Vertrag zwischen Assurniräri V. und Mati'-
ilu von Arpad, die Sefire-Verträge [zwischen Mati' 'el von Ar-
pad und Bir-Ga'ya von KTK], der Vertrag zwischen Asarhaddon
und Baal von Tyrus, der Vertrag zwischen Asarhaddon und seinen
Beamten sowie der wiederum weniger wichtige Vertrag zwischen
Aisurbänipal und seinen Beamten).

In einem II. Kapitel: „Types of Treaty-Curse and their hi-
story" (S. 12-29) wird danach der Versuch unternommen, die verschiedenen
Typen von Verfluchungen in Verträgen gattungsmäßig
zu bestimmen. Das geschieht unter ständigem Hinblick sowohl
auf mögliche Parallelen im AT als auch ähnliche Flüche in anderen
Rede- und Literaturformen, mit dem Ziel, eine Entwicklungsgeschichte
dieser Verfluchungen zu rekonstruieren.

Das III. Kapitel: „Two Biblical Lists of Curses: Deuteronomy
28 and Leviticus 26" (S. 30-42) wendet sich sodann als „necessary
preliminary" zu Kap. IV einer speziellen Untersuchung zweier
at-licher Fluchlisten zu. Sowohl Lev 26 als auch Dt 28 werden
dabei als Bearbeitungen alter israelitischer Fluchlisten erklärt,
die - wie der Verf. mit Recht betont - weder in direkter Abhängigkeit
von mesopotamischen Verfluchungen stehen noch
direkt voneinander abhängig sind.

Auf der damit gewonnenen literarischen Grundlage baut nunmehr
Kapitel IV: „Old Testament Parallels to Treaty-Curses"
(S. 43-79) als der die Untersuchung krönende Abschnitt auf. Der
Verf. vergleicht hier 20 prophetische Formulierungen mit Vertragsflüchen
, wobei zu Recht auch weitere außer- wie innerbiblische
Parallelen herangezogen werden. Von entscheidender Bedeutung
sind in diesem Zusammenhang für Hillers vor allem
zwei Textstellen: Jes 34,16 und Jer 34,18. Wie er in einer ausführlichen
Erörterung nachzuweisen versucht, sollen beide Aussagen
belegen, daß die Propheten in ihren Gerichtsankündigungen
auch direkt aus den altorientalischen Verträgen geschöpft
haben (S. 44ff.). Also: Nicht nur Ähnlichkeit auf Grund der Abhängigkeit
von gemeinsamen Quellen, wie es etwa die engen
Parallelen zu den Sefire-Verträgen nahelegen, oder indirekte Beeinflussung
, sondern auch direkte Aneignung der mit Verträgen
verbundenen Flüche!

Gegen dieses Ergebnis aber, das der Verf. in einem abschließenden
Kapitel V: „Additional Considerations and Conclu-
sions" (S. 80-89) durch allgemeine Erwägungen noch weiter zu
stützen bemüht ist, erheben sich m. E. doch verschiedene Bedenken
. Abgesehen davon, daß Hillers selbst mehrfach die Vermittlung
durch Aramäer und Kanaanäer betont sowie auf Parallelen
in anderen mesopotamischen Literaturformen verweist, vermag
er die Möglichkeit einer parallel, unabhängig voneinander
verlaufenen Entstehung in verschiedenen Bereichen nicht hinreichend
zu widerlegen. Vor allem aber erscheint mir auch die
Erklärung von Jes 34,16 - „the verse is of unique significance
for this study"! - als Teil eines Prophetenwortes aus der Zeit
Jesajas, in dem Hin' "150 auf den Text eines Vertrages zwischen
Juda und Edom weise, der von Edom gebrochen worden ist
(S. 48.52), wenig überzeugend. Auch dann, wenn man verschiedene
Anlässe für einen Vertrag zwischen Juda und Edom für die
Zeit zwischen 734 und 587 v. Chr. einräumt2, sind doch die typisch
nachexilischen Züge in Jes 34 nicht zu übersehen. Und ist es
wirklich ohne weiteres verständlich, daß „Seper yahweh may be
a shorter form for seper bnit yahweh" (S. 52)? Gerade das Wort
berit ist hier doch die entscheidende Vokabel, die dann ja auch
in Jer 34,18 u. ö. nicht fehlt.

Diese Einwände sollen indes nicht den Wert dieser kleinen
Studie im allgemeinen beeinträchtigen; sie vermittelt in beispielhafter
Weise einen Einblick in ein Teilgebiet der Vasallenvertrag
-Hypothese und erweist wieder einmal, daß die Propheten in
ihren Gerichtsworten formal wie inhaltlich weithin überkommenes
Material aufgreifen.

Corrigenda: S. XV: Arabischen; S. 81: so viele.

-) Ob Edom im Zusammenhang mit der Zerschlagung des Reiches Juda 587
v. Chr. freilich nur eine Zuschauerrolle spielte und sich die haßerfüllten Edom-
Worte nachexi lischer Zeit allein gegen einen Vertragsbruch Edoms richten (S. 51),
erscheint doch sehr fraglich. Vgl. dazu auch M. Noth, RGC II, 3. Auflage 1958
Sp. 309.

Greifswald Klaus-Dieter S c h u n c k

Vogt, Hubertus C. M.: Studie zur nachexilischen Gemeinde in
Esra-Nehemia. Werl: Dietrich-Coelde-Verlag i. Komm. 1966.
XIX, 162 S. gr. 8°. DM 32.-.

Der katholische, am Studium Biblicum Franciscanum in Jerusalem
ausgebildete Verf. will mit dieser Arbeit einen Beitrag zur
Erfassung des Selbstverständnisses der jüdischen Gemeinde des
beginnenden dritten Jahrhunderts v. Chr. liefern. Er tut dies
durch eine lexikographisch-historische Untersuchung von in Esra-
Nehemia begegnenden Begriffen, welche die Gemeinde, ihre
Gliederungen und ihre Gegner beschreiben. Unter diesem Aspekt
werden nacheinander behandelt: Begriffe für das Gesamtvolk.
nl. rf?ia, Israel, Juda, Dsr.Vnp; Bezeichnungen, die bestimmte
Gruppen im Volk meinen: Vaterhaus, Statthalter, Vornehme und
Führer, die Schicht der Armen, Priester, Leviten, Laien und Pro-
selyten; und schließlich die Begriffe, die die Feinde der nachexilischen
Gemeinde beschreiben: tPIl.Tlxn 'nv und die fremden
Frauen. Damit soll, wie einleitend bemerkt wird, nur eine
Vorarbeit für eine spätere theologische Erfassung, die einer besonderen
Studie überlassen bleibt, geleistet werden. Auch bei
einer solchen Selbstbeschränkung ist es nicht statthaft, die zu
untersuchenden Begriffe flächenmäßig nebeneinander aufzutragen
. Esra-Nehemia ist ja keine einheitliche Schrift, sie ist vielmehr
aus verschiedenartigen Quellen zusammengesetzt, und es
gilt somit, die Begriffe an ihrem ursprünglichen Ort zu klären.
Verf. schickt daher eine Übersicht über die von ihm angenommenen
Quellen voraus (Nehemia-Denkschrift, Esra-Geschichte,
Bundesurkunde Neh 9-10 [unter Berufung auf K. Baltzer, Das
Bundesformular, 19601, Listen, aramäische Quellen, Chr) und geht
vorweg der Frage nach, ob der Kern der chr Aussage, daß es
eine Rückkehr aus dem Exil gegeben habe, historisch richtig sei,
was dann auf Grund von Keramikfunden (Dreieckkeramik) für
erwiesen gehalten wird. Die hier gebotene Beweisführung dürfte
kaum allgemein überzeugen. Jedoch weniger gegen dies Detail
als vielmehr gegen die dann faktisch angewandte Methode im
Hauptteil der Untersuchung wird man Bedenken anmelden müssen
. Diese entspricht nämlich nicht dem vom Verf. selbst aufgestellten
- durchaus richtigen - Programm, die Begriffe von
ihrem ursprünglichen quellenmäßigen Ort her zu klären. Das
Verfahren ist vielmehr synthetisch, begriffsdefinierend. Der historisch
gerade relevante Bedeutungswandel (die Überlieferungs-
geschichte) der Begriffe kommt so nur gelegentlich in den Blick.