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Ausgabe:

1968

Spalte:

248-249

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hesse, Franz

Titel/Untertitel:

Das Alte Testament als Buch der Kirche 1968

Rezensent:

Wallis, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 4

248

sammenstellung der zahlreichen Einzelbeiträge verschiedener
Autoren und die Ausstattung des Gesamtwerkes mit Karten und
Tabellen geraumer Zeit bedürfen, haben sich die Herausgeber
entschlossen, die einzelnen Kapitel im Vorabdruck gesondert als
Monographien erscheinen zu lassen, um möglichst rasch die Arbeiten
der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dieses Verfahren
ist sehr zu begrüßen, zumal dadurch auch denjenigen, die am
weitgespannten Gesamtwerk weniger interessiert sind, der Erwerb
einzelner spezieller Abschnitte ermöglicht wird.

Die beiden hier anzuzeigenden Teilhefte aus der Feder von
O. Eißfeldt behandeln die Geschichte Israels von der Frühzeit
bis zum Tode Salomos. Auf dem knappen Raum von nicht mehr
als insgesamt neunzig Textseiten gelingt es E., von dieser Epoche
der Geschichte Israels einen ausgezeichneten Überblick zu geben,
wobei auch Religion und Kultur gebührend berücksichtigt werden
. Selbstverständlich ist der Verf. bemüht, seine Darstellung
auf sicheren oder doch weithin anerkannten Forschungsergebnissen
basieren zu lassen und Hypothesen nur mit der vom Charakter
einer zusammenfassenden Übersicht gebotenen Zurückhaltung
das Wort zu geben. Allerdings ist ja gerade bei der Frühgeschichte
Israels weithin über Vermutungen nicht hinauszukommen
, wenngleich auch heutzutage schon einiges mehr an geschichtlich
zuverlässigen Angaben aus dem alttestamentüchen
Quellenmaterial herausgearbeitet werden kann, als dies noch
z. Z. des Erscheinens der ersten Ausgabe der .Cambridge An-
cient History" der Fall war. Es ist daher ein Vorzug der beiden
vorliegenden Arbeiten, dafj sich E. besonders bei der Darstel-
. lung der schwer zu fassenden Vorgänge des Exodus und der
Landnahme nicht auf eine Auffassung unbedingt fcstleqt, sondern
die wichtigeren Ansichten, auch wenn er ihnen nicht zustimmt
, jeweils kurz referiert. So wird neben der Vermittlung
von Fakten und Ergebnissen zugleich auch ein lebendiger Einblick
in die Forschung gegeben, der den Wert der Darstellung
nur noch erhöht. Weitere Studien werden dem Ieser durch eine
umfangreiche, sorgfältig ausgewählte Bibliographie erleichtert,
auf deren Titel laufend in Anmerkungen verwiesen wird1.

Von besonderem Interesse ist natürlich E.s eigene Sicht des
Geschichtsverlaufes, die allerdings hier im einzelnen nicht referiert
werden kann. Doch sei wenigstens auf einige in dieser
Hinsicht hervorzuhebende Kapitel verwiesen: „The Israelite Settlements
before the descent into Egypt" (in: Exodus and Wanderings
, S. 10-15), „The wanderings" (ebda., S. 19-26), „The land
settlement" (in: Hebrew Kingdom, S. 7-12) sowie „Canan and
Israel" (ebda., S. 24-33). Vor allem verdient die einleuchtende,
alle Quellen umsichtig auswertende und doch anschauliche Darstellung
der Landnahmevorgänge (u. a. Besiedlung des Ostjordan-
landcs ausschließlich vom Westjordanland aus!) Aufmerksamkeit»

Selbstverständlich vermag eine kurzgefaßte Darstellung
nicht alle Wünsche zu erfüllen, ebenso wie nicht jedes Lesers Zustimmung
E. bis in alle Einzelheiten hinein begleiten wird. Aber
unter den zusammenfassenden Arbeiten zur Geschichte Israels,
die in den letzten Jahrzehnten erschienen sind, nimmt E.s Darstellung
einen hervorragenden Platz ein. Es wäre daher sehr zu
begrüßen, wenn sich die Herausgabe einer deutschen Übersetzung
der beiden Hefte ermöglichen ließe.

Bei dieser Gelegenheit könnten auch einige kleine Verbesserungen
, die freilich nur Nebendinge betreffen, vorgenommen
werden: „Jaazer" dürfte nach neueren Forschungen nicht mit
„Khirbet Jazier" (Exodus and Wanderings, S. 25) zu identifizieren
sein, sondern mit teil 'areme, 3 km nw. von na'ür (vgl.
R. Rendtorff, ZDPV 76, 1960, S. 124 ff.) oder vielleicht auch mit
einer anderen Ortslage im wädi kefren. Desgleichen ist „Jabesh-
Gilead" wohl nicht in „Teil Abu Kharaz" (Hebrew Kingdom, S. 36),
sondern besser in teil el-maqlüb zu suchen (vgl. M. Noth, ZDFV
69, 1953, S. 28 ff.). „Mahanaim" (Hebrew Kingdom, S. 43) ist
nach R. de Vaux' und M. Noths Feststellungen nicht in „Khirbet
Mahnah" zu sehen, sondern in teil heddschädsch (vgl. M. Noth,

') Leider wird das Auffinden der Titel erschwert durch ein zwar raumsparendes
, aber doch umständliches und den Benutzer ermüdendes Nummernsystem.
Zumindest wäre von den Herausgebern eine Durchnumerierung der nach Kapiteln
geordneten Bibliographie, die siebenmal bzw. zehnmal mit ,1' beginnt, vorzuziehen
gewesen.

PJB 37, 1941, S. 82 ff.; K.-D. Schunck, ZDMG 113, 1963, S. 34 ff.).
Bei der Erwähnung der Pferdeställe Salomos in Megiddo (Hebrew
Kingdom, S. 53) wäre ein Hinweis darauf, daß jedenfalls
die freigelegten Anlagen nach neuerer Untersuchung erst aus der
Zeit Ahabs stammen, angebracht (vgl. Y. Yadin, BA 23, 1960,
S. 62 ff.).

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Hesse, Franz: Das Alte Testament als Buch der Kirche. Gütersloh
: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1966]. 158 S.
8°. Lw. DM 12.80.

Die Bekennende Kirche hat in statu confessionis die Autorität
des Alten Testaments als christlicher Offenbarungsquelle erneut
und unbeirrt bezeugt. Damit stellt sich der theologischen Wissenschaft
die unumgängliche Aufgabe, diesen Teil der Heiligen
Schrift unter den Voraussetzungen der modernen Auslegungs-
methoden der gegenwärtigen christlichen Kirche nicht allein verständlich
und zugänglich zu machen, sondern ihr auch die Ver-
bsndlichkeit des Alten Testaments wieder klar vor Augen zu führen
. F. Hesse hat den dankenswerten Versuch unternommen, in
die Problematik und die sich daraus ergebende Diskussion erneut
einzuführen.

Es geht bei diesem Unternehmen um zwei Fragen: 1. um das
Verhältnis der beiden Testamente zueinander, und 2. um die
Frage nach der geschichtlichen und existentialen Auslegung des
Alten Testaments (S. 7). Für den Autor bleibt das Evangelium
von Jesus Christus die norma normans, der Maßstab des evangelischen
Glaubens und der evangelischen Theologie (S. 34), während
das Alte Testament norma normata, also bedingte Norm
bleibt (S. 35). Allerdings ist es heute nicht mehr möglich, sich an
den von den neutestamentlichen Autoren selbst geübten verschiedenerlei
Methoden der Auslegung alttestamentlicher Schriftworte
zu orientieren. Die Geschichte der christlichen Theologie
macht dies schlechterdings unmöglich. So drängt sich die Frage
nach unserer geschichtlichen und der existentialen Auslegung
des Alten Testaments auf. Diesem Problem gilt der zweite Teil
der Darlegungen.

Dem Autor scheint der schon von seinem Lehrer Friedrich
Baumgärtel herausgestellte Begriff der Verheißung als her-
meneutischer Schlüssel (S. 67 ff.) den Zugang zum Verständnis
und zur Annahme des Alten Testaments zu eröffnen. Dabei grenzt
der Verf. die Verheißung, die göttliche Grundzusage, die alle
Einzclverheißungen trägt, scharf gegen Einzelweissagungen ab,
deren Subjekt der Mensch ist. Die Urverheißung ist in Christus
als absolut gültige Zusage Gottes bestätigt worden. „In ihm als
dem eschato logischen Ereignis hat jene Endverwirklichung schon
begonnen, auf die auch wir Christen noch warten" (S. 72; vgl.
S. 94). So sind wir einerseits mit den alttestamentlichen Frommen
noch auf dem Wege zum endgültigen Offenbarwerden, andererseits
jedoch im auf Christus begründeten Glauben der absoluten
Gültigkeit der Heilszusage gewiß. „Die unter diesem
Doppelaspekt aufgenommene und verstandene alttestamentliche
Botschaft zeigt uns, wo wir als Menschen und als Sünder faktisch
stehen" (S. 89).

Die Botschaft des Alten Testaments von Gott ist nun aber in
Geschichtsdarstellung gekleidet, deren Gestalt nicht mehr unserem
Bild vom faktischen Verlauf der Geschichte Israels entspricht
. Ist diese unsere Geschichtsschau nun wohl keinesfalls
uninteressant und bedeutungslos - sie erhält ihren Platz in der
Unterweisung -, so ruht doch die Hauptlast des alttestamentlichen
Zeugnisses auf dem K e r y g m a vom Handeln Gottes in
der Ceschichte. Dieses bildet das Fundament der existentiellen
Anrede in der Predigt.

Mit der säuberlichen Scheidung von Verheißung und Weissagung
auf der einen und Geschichte und Kerygma auf der anderen
Seite sowie deren dargestellter Zuordnung zueinander
meint der Autor sich gegen G. v. Rad einerseits und den Pannenberg
-Kreis andererseits zur Genüge abgegrenzt zu haben.
Gleichzeitig kann die von E. Hirsch wie auch von Fr. Baumgärtel
und R. Bultmann vorgetragene negative Sicht des Alten
Testaments überwunden werden. Allerdings wird eine solche Lösung
dann auch wieder damit erkauft, daß Geschichte und Kerygma
verschiedenen Bereichen zugewiesen werden und so inner-