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Ausgabe:

1968

Spalte:

230-231

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Bornmann, Erich

Titel/Untertitel:

Calendarium perpetuum 1968

Rezensent:

Jursch, Hanna

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3

230

herausgearbeitet, deren wirksame und bestimmende Rolle sich
heute immer deutlicher offenbart. Das Buch liest sich streckenweise
wie ein Kommentar zur Liturgiekonstitution, der um eine
Dekade zu früh erschien.

Zu diesem Vorzug des Buches trägt sicher auch die Methode,
deren sich der Verfasser bei der Behandlung seines Gegenstandes
bedient, in großem Maße bei. K. gibt keine Geschichte der liturgischen
Bewegung; seine Ausführungen zu diesem Thema beschränken
sich auf ein knappes, sogar ausgesprochen dürftiges
Kapitel (II).

So fehlt hier z. B. - beinahe eine unverzeihliche Unterlassung!
- ein Hinweis auf das „Mechelner Ereignis" vom 23. September
1909, das heute allgemein als Stichtag für den Beginn der eigentlich
progressiven Phase der liturgischen Bewegung angesehen
wird, und auf die Rolle, die L. Beauduin in diesem Zusammenhang
zukommt.

K. unternimmt auch nicht den Versuch, eine „Theologie" der
liturgischen Bewegung systematisch darzustellen, obwohl er seine
Arbeit selbst als eine theologische Studie versteht. Er schlägt vielmehr
einen gleichsam phänomenologischen Weg ein: Die verschiedenen
Aspekte, unter denen sich die Bewegung dem Betrachter
darbietet, ihre wesentlichen theologischen und praktischen Impulse,
Grundthemen und Ausdrucksformen werden aufgegriffen und in
einen Zusammenhang gebracht, dem die unvermeidliche Einseitigkeit
eines „Systems" fehlt. Daß sich hierbei das starke soziologische
Interesse des Verfassers als sehr fruchtbar erweist (I, IX u. ö.),
wird man unbefangen zugeben müssen.

K beschreibt zunächst die grundlegende Bedeutung, die dem Begriff
der „Gemeinschaft" für das Kirchenbild und das Gottesdienstverständnis
der Bewegung zukommt; ein „strugglc for Community",
das alle Gebiete erfaßt, wirkt sich im besonderen aus in einer neuen,
„organischen" Sicht der Kirche, die frühere juridische und statische
Konzeptionen verdrängt, und in einer neuen Wertung der
Ortsgemeinde als dem eigentlichen Zentrum allen geistlichen und
sakramentalen Lebens der Kirche (III). Die Betonung des Allgemeinen
Pricstcrtums (V), die Rückkehr zur Frühzeit der Kirche und zur
Bibel, eine erneuerte Christozcntrik in Theologie und Liturgie (VI)
sind weitere Themen, deren Zusammenschau erst ein zutreffendes
Bild der Bewegung und ihrer bestimmenden Motive vermittelt.
Auch das gewandelte Verständnis des eucharistischen Opfers, wie
es im Gefolge der liturgischen Erneuerung sichtbar wird (VII), und
im Zusammenhang damit die Mysterientheologie Odo Casels (VIII)
bezieht K. in seine Untersuchungen ein. Deutlich von diesen theologischen
Schwerpunkten abgegrenzt und in einen mehr praktischen
Bereich verwiesen werden die Bemühungen um die Muttersprache
in der Liturgie (X), um den Kirchengesang (XI), um einen
Hturgicgcrcchten Kirchenbau und um neue künstlerische Ausdrucksformen
(XII). K. wird nicht müde, immer wieder darauf
hinzuweisen, daß eine Betrachtungsweise, die der Bewegung
Asthetizismus, Archaismus und Esoterismus vorwirft, einfach an
der Wirklichkeit vorbeigeht.

Was jedoch den aktuellen Wert des Buches in besonderer Weise
ausmacht, ist das Gewicht, das hier dem Schlüsselbegriff der „par-
tieipatio" für das Selbstverständnis und die Zielsetzung der liturgischen
Erneuerung beigemessen wird; in bezug auf die vorgenannten
Themen kommt diesem Begriff - in gleicher Weise übrigens
wie in der Liturgiekonstitution - eine integrierende Funktion
ZU:

„The apparently disparate directions which are treated in the
following chapters - Mystcrientheologic, the general priesthood,
the vernacular, Gregorian chant, art and architecture etc. - are
9iven unity by their integration in the prime objective of the
movement: the more active partieipation of the faithful in the
üturgical life of the Church" (S. 7).

„Active partieipation" wird jedoch nicht verstanden im Sinne
einer Beteiligung ausschließlich am äußeren Vollzug des Gottesdienstes
, sondern als innere, bewußte Teilnahme aller Gläubigen
m einer vollständigen, vollberechtigten Mitfeier der Liturgie. Nicht
mehr und nicht weniger als die Abwendung von jeder Art einer
-fides implicita" und die umfassende Hinwendung zu einem „expli-
cit faith" mit allen sich daraus ergebenden theologischen und
strukturellen Konsequenzen bildet nach Meinung des Verfassers

den Hintergrund für das Verlangen nach „tätiger Teilnahme" auch
des Volkes an einem sinnvollen, klaren, faßlichen Gottesdienst (IV).

Es besteht gegenwärtig die Neigung, die vom II. Vatikanischen
Konzil erarbeiteten Texte in ihrem definierten Wortlaut absolut
zu nehmen, ohne ihren historischen Hintergrund und die gleichsam
„geologische" Schichtung ihrer Aussagen genügend zu beachten
. Das vorliegende Buch vermag zumindest im Hinblick auf
die Liturgiekonstitution (und die ihr folgende Liturgiereform) vor
dieser Gefahr zu bewahren. Obwohl es einen Zeitraum behandelt,
der inzwischen längst zur „Geschichte" gehört, vermag es doch in
einem erstaunlichen Maße auch gegenwärtige Kundgebungen und
Entwicklungen zu erhellen und so erst verständlich zu machen.
Man muß dem Verfasser dankbar dafür sein, daß er sich - wenn
auch „with mixed emotions" - zu einer Neuauflage seiner Arbeit
entschlossen hat.

K. hat eine Fülle von zum Teil recht schwer erreichbarer Literatur
verarbeitet. Es liegt mit an dem behandelten Sachgebiet und
an dem weitgespannten Rahmen der Arbeit, wenn man trotzdem
streckenweise die Verwertung der Quellen (wie auch die Art der
Darstellung ganz allgemein) als mehr oder weniger zufällig empfindet
und manchen wichtigen Hinweis vermißt. Ein ausgedehnter
Gebrauch von Zitaten und eine Fülle von konkreten Beispielen
aus der liturgischen Praxis vermitteln zwar einen unmittelbaren,
lebendigen Kontakt zum behandelten Gegenstand, verstärken aber
teilweise noch den Eindruck der Zufälligkeit. Doch ändert dies
nichts an dem echten „internationalen" Charakter der Studie; der
deutsche Leser - der sich sicher manche Partien sehr viel systematischer
, konzentrierter, reflektierter und distanzierter wünscht -
wird andererseits dankbar sein für die Einblicke in Entwicklungen
im westeuropäischen und nordamerikanischen Raum, die ihm gewährt
werden.

Sagard auf Rügen Karl-Heinrich B i e r i t z

Born mann, Erich: Calendarium Perpetuum. Schiebetafel zum
Kirchen- und Kalenderjahr, entworfen u. mit einem Textbuch
„Zeitrechnung und Kirchenjahr" hrsg. Kassel: Stauda 1964.
1 Schiebetafel, 70 S. gr. 8°. DM 21,-.

Unter dem Titel „Zeitrechnung und Kirchenjahr" hat Erich
Bornmann eine Studie herausgebracht, die Grundlegendes zum
Gebrauch der Schiebetafel „Calendarium perpetuum" beiträgt. Die
Schiebetafel, die in jahrelanger Arbeit erstellt worden ist, ermöglicht
die Ermittlung der Daten aller Kirchen- und Kalenderjahre
von 325 bis 2100. Sie ist vom Verlag in einer schönen handlichen
Ausführung dem Buch beigegeben.

In fünf Abschnitten führt uns der Verfasser in den Gebrauch
der Tafel und in die Probleme der Zeitrechnung ein.

Im ersten Abschnitt wird das Unternehmen begründet: Es handelt
sich um eine Schiebctafel, die auf das Kirchenjahr abgestimmt
ist, aber zugleich für das bürgerliche Jahr ihre Gültigkeit hat.
Beide Zählweisen nach Trinitatis sind eingearbeitet, die durchgehende
der Sonntage nach Trinitatis und die der Sonntage nach
Michaelis.

Im zweiten Abschnitt geht es um das bürgerliche Jahr und das
Kirchenjahr. Der Unterschied im Jahresbeginn, der mehrfach gewechselt
hat, ist nicht das Entscheidende. Die unterscheidenden
Wcsensmerkmale liegen in der Jahreslänge und in der Verankerung
. Die Länge des bürgerlichen Jahres beträgt 365/366 Tage. Das
Kirchenjahr besteht aus einer Anzahl runder Wochen. Es beginnt
stets mit einem Sonntag. „Damit kommt seine volle Übereinstimmung
mit der Schöpfungsordnung der 7-Tage-Wochc zum Ausdruck
" (S. 11). Während das bürgerliche Jahr keine sinnvolle Verankerung
mehr hat, hat das Kirchenjahr zwei Angelpunkte: das
Christfest und das Osterfest. Über den Sonntag ist das bürgerliche
Jahr noch im Kirchenjahr verankert. Alsdann werden wir über den
Aufbau des Kirchenjahres unterrichtet, über die Festblöcke, über
die Heiligentage, über die liturgisch sinnvolle Feier von kirchlichen
Gedenktagen.

Im dritten Abschnitt werden wir in den Gebrauch der Schiebctafel
eingeführt. Auf Grund der Anweisungen des Verfassers kann
sich der Benutzer sehr schnell einarbeiten, und sowohl der Pfarrer
im praktischen Amt als auch der Historiker, dem es um die Ermittlung
bestimmter Daten und Gedenktage geht, wird die Tafel
gern als ständiges Instrument seiner Arbeit verwenden.