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Ausgabe: | 1968 |
Kategorie: | Philosophie, Religionsphilosophie |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Problematik, zu der die Schleiermacher-Forschung immer wieder
neu Stellung zu nehmen hat: auf das Verhältnis von Philosophie
und Theologie in Schleiermachers Gesamthaltung. Der Verfasser
bemerkt: „Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden,
dafi Schleiermachcrs Philosophie nur von seiner christlichen Existenz
her zu verstehen ist" (102). Wenn dieser Satz bedeutet, dafi
die Theologie Schleiermachers als selbständiges Phänomen sein
philosophisches Denken entscheidend beeinflufit hat, so mufi ich
dem Verfasser widersprechen. Seine eigene Analyse der Glaubenslehre
mit dem dauernden Hinweis darauf, dafi ihre wichtigsten
theologischen Sachverhalte, wie Sünde, Gnade, Schöpfung, Erlösung
u. a., nie die Genuität der ausschließlich vom Neuen Testament
her geprägten Begriffe erreichen, die von ihm richtig festgestellte
Sachlage, dafi Schleiermacher nie zur Tiefe des lutherisch-
reformatorischen Denkens durchstöfit, vielmehr oft sogar in eine
bedenkliche Nähe der katholischen Analogia-entis-Haltung gerät,
müssen die Annahme bestätigen, dafi der Eingriff philosophischen
Denkens in dem theologischen Bereich bei Schleiermacher so stark
ist, dafi dieser Bereich nicht zur freien Entfaltung kommen kann.
Demgegenüber ist es gleichgültig, ob man die Glaubenslehre von
ihrer religionsphilosophischen Einleitung her versteht oder von
ihren nachfolgenden speziell theologischen Teilen. Aber wichtig
ist es zu erkennen, dafi Reden, Monologe und Glaubenslehre
eine Einheit bilden, die Schlciermacher bekanntlich selbst so empfunden
hat, wie er auch in den späteren Abschnitten seines Lebens
gern betonte, er sei immer derselbe gewesen. Diese Einheit aber
ist wesentlich bestimmt von den Grundkategorien eines idealistischen
Denkens, das nun auch in sein theologisches Denken weit
hineingebrochen ist, wie der Verfasser durchaus richtig u. a. an
dem theologisch relevanten Sachverhalt der Sünde nachweist, insofern
Schleiermacher „in einer platonisierenden Weise" Sünde als
Mangel am Sein deutet (106). Dafi der Verfasser auch ohne nähere
Berücksichtigung des griechischen Einflusses auf Schleiermacher
bei seiner Analyse der Sachverhalte Welt und Geschichte zu derselben
Erkenntnis der Grenzen der Theologie Schleiermachers
kommt, bestätigt das gute wissenschaftliche Niveau seiner Untersuchung
.
Kiel Werner Schultz
Bejerholm, Lars, u. Gottfried Hornig : Wort und Handlung
. Untersuchungen zur analytischen Religionsphilosophic.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn (1966). 139 S.
gr. 8°. Lw. DM 19,80.
Viel stärker als im deutschsprachigen Bereich ist in den angelsächsischen
und skandinavischen Ländern die sprachanalytische
Richtung der Philosophie hervorgetreten. Sicher liegt deren Hauptforschungsinteresse
- wenn wir an Vertreter wie Wittgenstein oder
Ryle denken - nicht in der Religionsphilosophie. Dennoch ist es
äufterst aufschlufircich, auch diese philosophische Methode auf
religiöse Phänomene angewandt zu sehen. Die beiden Autoren
haben damit eine Aufgabe übernommen, die „weder den zweckbestimmten
Absichten einer konfessionellen Apologetik, noch
denen einer tendenziösen Rcligionskritik" (S. 7) unterliegen soll.
Ausgehend vom tatsächlichen, gegenwärtigen Sprachgebrauch sollen
Formulierungen der religiösen Sprache auf ihre Bedeutung
und Funktion hin erhellt werden. Nicht um Wesens- bzw. Begriffsfragen
der Religion geht es dabei, auch nicht um Klärung von
Sachverhalten, sondern um Eingrenzung der religiösen Phänomene
vom Sprachgeschchcn her.
Wenn in der traditionellen Religionsphilosophie Deutschlands
der Frage nach wahr und falsch eine zentrale Bedeutung auch
für religiöse Phänomene zukam, so haben sich in dieser semantischen
Religionsphilosophic die Akzente verlagert. Das wird besonders
deutlich in der Einführung der sogenannten Performative
in die Analyse. Die Verfasser knüpfen hier an Untersuchungen des
Oxforder Philosophen J. L. Austin an. Man geht dabei von der
Beobachtung aus, dafi Worte oder Wortverbindungen nicht nur
etwas beschreiben bzw. behaupten können, sondern auch etwas
bewirken. Wenn etwa der Standesbeamte erklärt: „Ich erkläre die
Ehe für geschlossen", dann hat er nicht nur etwas beschrieben,
sondern etwas bewirkt: dafi die Ehe tatsächlich nunmehr geschlossen
ist. Das Wort trägt also eine bewirkende Macht in sich, die
sich bei der grofien Bedeutung des Wortes für die Religion in den
verschiedensten Bereichen zeigen mufi.
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An einigen typischen Punkten setzt die Untersuchung der bewirkenden
Macht des Wortes an: Bei „Kasualformeln", der „Logik
des Glaubens", beim Problem „Wahrer Leib - eine semantische
Katechismusfrage". Ein methodisches Zurückschieben der Wahrheitsfrage
kann in all diesen Analysen nicht übersehen werden.
Nicht, dafi die Wahrheitsfrage als überhaupt nicht relevant abgebucht
würde, aber das religionsphilosophische Interesse hat sich
verlagert. Typisch dafür ist die Stellungnahme zur Wahrheit des
Bekenntnisses: „So verdienen ... vom semantischen Aspekt her
zwei Feststellungen Beachtung: erstens, dafi das Bekenntnis als
solches weder eine wahre noch eine falsche Äußerung darstellt,
und zweitens, dafi das Bekenntnis nur dann wirksam sein kann,
wenn gewisse Behauptungen wahr und falsch sind" (S. 65). Der
zweite Teil des Salzes, der die Wahrheit als Bedingung voraussetzt
, wird - obwohl die Wahrheitsfrage erwähnt wird - in der
Untersuchung ausgeklammert. Es herrscht eine pragmatische Gesamttendenz
vor, die „positiv" die Wirkung der Worte betont,
nicht aber die Wahrheitsfrage.
Das wirft die Frage auf, ob diese Umkehrung der Fragestellung,
ob dieses Ausklammern metaphysischer und ontologischer Probleme
überhaupt möglich ist, und weiter, ob dieses Programm
auch durchgehalten wurde. Bei den genannten Themen „Kasualformeln
" usw. wird das nicht so deutlich, weil hier vorliegende
Sprachtexte behandelt werden können. Sobald aber vom Gegenstand
her die ontologische Frage an Gewicht gewinnt, mufi sich
das zeigen. Dieses Hervordrängen der ontologischen Grundlage
wird im letzten Kapitel sichtbar, in dem die Verfasser „Das Wunder
und die sprachliche Bereitschaft" behandeln. Das Phänomen
Wunder weist auf ein objektives Geschehen hin, aber folgerichtig
erfolgt auch hier eine Verlagerung des Wunderbegriffes ins Subjektive
durch Deutung von der sprachlichen Bereitschaft her.
„Aussagen, dafi ein bestimmtes Geschehen ein Wunder sei, sind
nicht als Behauptungen zu verstehen, dafi ein fragliches Geschehen
einen bestimmten inhaltlichen Charakter habe, sondern vielmehr
als Eingeständnis, dafi der Berichtende keine befriedigende Erklärung
für das fragliche Geschehen gefunden hat." (S. 135.)
Obwohl die genannten Fragen nach der Möglichkeit der Ausklammerung
ontologischer Grundlagen bleiben, haben die Verfasser
durch ihre semantischen Untersuchungen zweifellos geholfen
, Mißverständnisse über den Sinn religiöser Aussagen abzubauen
. Damit haben sie - wenn auch nur indirekt - dem Wahr-
hcitsanliegen der Religionsphilosophie gedient.
Leipzig Hann Moritz
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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3