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1968

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

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Neuerscheinungen

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warten. Seine Ausführungen sind auch sehr vorsichtig und zurückhaltend
. Chatzidakis (S. XXIII-XL, Tafel 37-96) sieht seine
Aufgabe darin, „alle Ikonen, die als Kunstwerke der byzantinischen
Kunst schlechthin und nicht einer mehr oder minder lokalen
Schule angehören, zu untersuchen". Mit Hilfe seines Bildmaterials
(darunter ein Buntdruck der bekannten Philoxenia des
Benaki-Museums in Athen) gelingt Ch., die byzantinische Ikonenmalerei
in ihrer Eigenart wie in ihrer bis nach Rufiland ausstrahlenden
Fruchtbarkeit darzustellen. Besonders interessant sind die
Stücke, die, aus Rufiland und aus Griechenland stammend (eine
Verklärung im Russischen Museum in Leningrad und eine Laza-
rusauferweckung aus Athen), dem Dodekaorton einer Ikonostas
angehören dürften. Die Auswahl des Bildmaterials bringt Beispiele
entlegener Malkunst, aber auch solche Denkmäler, die z. B. unter
unmittelbarem Einfluft des Westens während der lateinischen
Okkupation Griechenlands entstanden sind. Der kretischen Schule
wird grofie Aufmerksamkeit geschenkt. Den Abrifi der bulgarischen
Ikonenmalerei schrieb M i a t e v (S. XLIII-LVI, Tafel 97 bis
156). Er betont, dafi Bulgarien vor der Slaweninvasion mit den
Maltraditionen des Orients eng verbunden gewesen sein mufi.
Später, nach dem Ikonoklasmus und der Einführung des byzantinischen
Christentums wuchs der Einfluft dieser Seite. Die wechselvolle
Geschichte Bulgariens und die Sekte der Bogomilen gestalteten
die Bilderverehrung in vielem anders als in Griechenland.
Vor allem folkloristische Züge sind immer wieder anzutreffen. Die
herrliche Ikone der Gottesmutter mit dem Theologen Johannes
(Tafel 102, 103) dagegen ist reine Hofkunst. Sie zeigt übrigens
stilistische Verwandtschaft mit der griechischen Kreuzigungsikone
auf Tafel 55. Ob man das Verhältnis zwischen menschlichen Gestalten
und den Architektur- bzw. Naturformen als „irreal" bezeichnen
kann, bleibt mir fraglich (S. LI). Hier sprechen schwierige
Probleme der Perspektive eine Rolle. Man sollte auch nicht vom
„Rahmen" einer Ikone, sondern nur von ihrem Rand sprechen,
der ganz andere Funktionen als ein Rahmen zu erfüllen hat, und
die M. S. LII richtig beschreibt. R a d o j c i c , der den letzten Abschnitt
über die jugoslawischen Ikonen schrieb (S. LIX-LXXVI,
Tafel 157-220), weist entgegen immer noch fest verwurzelten Ansichten
darauf hin, „dafi die Ikone häufig Träger neuer künstlerischer
Ideen war". „Die Ikone unterscheidet sich durch viele Eigenschaften
von den anderen Zweigen der Malerei. Sie ist weder durch
Unbeweglichkeit an einer Wand noch durch einen Text in nationaler
Sprache örtlich gebunden, sie läftt sich leicht transportieren
und kopieren. Durch sie verbreiten sich am schnellsten die neuen
Ideen und hohen Qualitäten der Meister." Verfasser zeigt den
historischen Weg der serbischen Ikonenmalerei, ihre slawische
Eigenart und die noch in den späten Denkmälern spürbare Kraft,
auf der Grundlage der byzantinischen Auffassung vom Bild auch
westliche Einflüsse organisch verarbeiten zu können. Nur außerhalb
der Heimat, wie z. B. bei den nach Ungarn, Syrmien und
Slawonien vor den Türken geflohenen Ikonenmalern, „verwandelte
sich die Ikonenmalerei in eine eigene Variante des orthodoxen
Barocks, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in seiner
exotischen Schönheit auf den serbischen Ikonostasen aufleuchtete".
Die serbische Ikonenkunst hat neben der allerdings nicht in diesem
Umfang wirksamen bulgarischen sowohl in ästhetischer als
auch in ikonographischcr Hinsicht auf die russische Malerei Einfluß
genommen. Die von Miatev und Radojcic gemachten Äußerungen
über die balkanischen Denkmäler sind deshalb von Wichtigkeit
auch hinsichtlich der russischen Malerei. - Es folgen Beschreibung
der Ikonen (S. LXXIX-XCVII), wobei auch die Restaurationen
vermerkt werden, ein Verzeichnis der Literatur zu den
einzelnen Ikonen (S. XCVIII-CV) und eine kurzgefaßte Biographie
der Autoren (S. CVI). Das vom Verlag vorzüglich ausgestattete
Buch wird die Spezialisten der Ikonenforschung genauso befriedigen
und anregen wie Liebhaber, Sammler und nicht zuletzt
moderne Künstler.

Halle/Saale Konrad O n a s c h

Blankesteijn, H. R.: Hollands alte Kirchen und die heutige
Gemeinde (Kunst und Kirche 30, 1967 S. 158-164).

Ihlenfeld, Kurt: „Schri Kunst Schri..." Zu Lucas Cranachs
Wittenberger Reformationsaltar (Kunst und Kirche 30, 1967
S. 110-114).

Langmaack, Gerhard: „Die Liturgie ist Bauherr". Legende
eines Postulats (Kunst und Kirche 30, 1967 S. 123-125).

208

Monachino, Vincenzo: Un patrocinio speciale di S. Pietro
(Gregorianum 49, 1968 S. 75-96).

Schade, Herbert: Die Menschwerdung des Wortes. Zur Symbolik
des Lorscher Evangeliars (StZ 180, 92. Jg. 1967 S. 361-364).

Scharfe, Siegfried: Gott - bildlich dargestellt in der heutigen
Kunst (PBl 107, 1967 S. 684-689).

Schwebel, Horst: Autonomie der Kunst und - biblisches
Thema? (Kunst und Kirche 30, 1967 S. 165-166).

- Abstrakte Malerei im Kirchenraum (Kunst und Kirche 30, 1967
S. 99-104).

V o 1 p , Rainer: Bildende Kunst und christlicher Glaube (Kunst und
Kirche 31, 1968 S. 3-8).

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Jacob, Friedrich: Geschichte und Welt in Schlciermachers Theologie
. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (1967). 148 S. 8° = Theologische
Arbeiten, unter Mitarb. v. E. Fascher, A. Jepsen, A. D.
Müller, E. Schott, hrsg. von H. Urner, 24. Kart. M 10,50.

Die Untersuchung ist eine „überarbeitete Fassung" der Dissertation
des Verfassers, die der Theologischen Fakultät der Universität
Jena vorgelegt wurde. Sie will die Bedeutung der Begriffe
Welt und Geschichte herausstellen, um nachzuweisen, daß Schleiermacher
nicht einem Subjektivismus verfallen ist, sondern dafi er
um die Bindung an eine jenseits des Subjektiven liegende Wirklichkeit
weifi. Im Hinblick auf diese Grundthese, der ich auch
durchaus zustimme, gliedert sich die Untersuchung in drei Teile;
sie gibt in einem ersten Teil eine Analyse des Gcschichts- und
Weltbegriffes Schleiermachers in seiner philosophischen Ethik,
während ein zweiter und dritter Teil die Bedeutung der Geschichte
und Welt für den christlichen Glauben darstellt, wobei ganz besonders
Schleiermachers Glaubenslehre herangezogen wird.

Die ganze Schwierigkeit der vom Verfasser behandelten Thematik
wird bereits im ersten Teil seiner Untersuchung sichtbar.
Auf der einen Seite sind Welt und Geschichte jeweils für Schleiermacher
etwas Besonderes. Auf der anderen Seite bilden beide Bereiche
letzten Endes eine Einheit, wie der Verfasser mit Recht ausführt
. „Welt und Geschichte sind letztlich identisch" (29). Folgerecht
hebt Schleiermacher in der Schöpfungslehre seiner Glaubenslehre
die Einheit von Welt und Natur hervor. Also ist die Geschichte
auch mit der Natur identisch wie etwa im Bereich der
griechischen Antike? Bei der bei Schleiermacher vorliegenden ausgesprochenen
Tendenz zur „Vereinheitlichung der Welt" (85) müßte
man diese Frage bejahen. Wie sehr Schleiermacher bei seiner Gc-
schichtsandeutung dem griechischen Denken verhaftet bleibt, wäre
noch deutlicher geworden, wenn sein Geschichtsbegriff mit dem
der nach ihm folgenden großen Bewegung des Historismus konfrontiert
wäre. So wären die Begriffe wie Geschichte, Geschichtlichkeit
, Historie noch klarer präzisiert worden, und es wäre deutlich
geworden, dafi Schlciermachers Gesamtauffassung über Welt
und Geschichte die Dimension naturalistischen Denkens mit seiner
relativen Identität von Natur und Vernunft nicht verlassen hat.

Diese Schwierigkeiten müssen sich noch stärker für die Theologie
Schlciermachers auswirken, die der Verfasser im zweiten und
dritten Teil seiner Arbeit in einer sorgfältigen, sachlichen und
kritisch vorsichtigen Untersuchung beleuchtet. Die hier vorliegende
Analyse macht seine Arbeit, auch wenn man ihrer Schlußfolgerung
nicht immer folgen kann, zu einer beachtlichen Leistung. Aus der
Fülle der aufgeworfenen Probleme hebe ich nur einige hervor.
Hat Schleiermacher die Gegenwärtigkeit des Reiches Gottes und
der Eschatologie - denn der Verfasser spricht hier von einem
Grundanliegcn Schlciermachers - so verstanden, daß schon jetzt
die Seligkeit, d. h. die Gemeinschaft mit Gott Wirklichkeit werden
kann, daß das Neue bereits da ist und nichts wirklich Neues mehr
geschieht? (52 f.). Aber wo bleibt dann die Geschichte? Wo bleibt
die Welt, die wie die Geschichte dem von Schleicrmacher immer
wieder benannten Gesetz der Oszillation unterworfen ist? Ist doch
für Schlciermachcr Leben in jeder Form etwas, was immer unvollendet
bleiben mufi.

Doch woher kommt jenes Streben nach Vereinheitlichung, Harmonisierung
, nach Relativierung alles Gegensätzlichen, das, wie
der Verfasser richtig gesehen hat, jedes paradoxe Denken unmöglich
macht? (63, 113). Die Frage führt unmittelbar auf die Grund-

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3