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Ausgabe:

1968

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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daß das geistliche Amt als Dienst konkret gelebt werden müsse
und daß das allgemeine Priestertum der Laien theologisch ernstzunehmen
sei (S. 35). Er sucht auch solche Begriffe, die in der
herkömmlichen Kontroverse besonders polemisch behandelt werden
, den Protestanten anschaulich zu machen, z. B. den des „ex
opere operato" im Sakrament (S. 37). Auch hier müßten die Katholiken
die Aufgabe sehen: „Die reformatorischen Christen heute
werden uns dieses Verständnis so lange nicht glauben, wie das
konkrete Verhalten der Katholiken den Anschein erwecken muß,
als glaubten sie, irgendeinen Anspruch auf die Huld Gottes geltend
machen zu können, auf Grund irgendeiner Schuldigkeit gerechtfertigt
zu werden" (S. 37).

Am wichtigsten scheinen mir die Ausführungen Weibels zu dem
Problem der Katholizität, das sich immer mehr als das Zentralproblem
zwischen den beiden Konfessionen herausstellt. Er ist
hier sehr kritisch. „In dem Bewußtsein, eine ideelle Unversehrtheit
und Vollständigkeit des Glaubens zu besitzen, neigen wir
Katholiken dazu, uns den geschichtlichen Verlust zu verhehlen, den
auch wir hinsichtlich der Realisierung der eigenen Werte durch
einseitige, konfessionalistische Abwehrhaltung gegen evangelische
Anliegen erlitten haben, und wenn wir es vor den andern verhüllen
, begünstigt dies das landläufig böse Wort von der katholischen
UnWahrhaftigkeit" (S. 39). Er fragt im Ernst, „ob das katholische
Mehr an Kirchenordnung nicht durch das reformatorische
Mehr an Unmittelbarkeit zu Gott ausgeglichen werden müßte ...,
ob das katholische Mehr an kirchlichen Segnungen nicht durch
das reformatorische Weniger an Gesetzlichkeit glaubwürdiger werden
müßte . .., ob das katholische Mehr an Selbstdarstellung vor
der Welt nicht durch das reformatorische Weniger an Zur-Schau-
Stellung verinnerlicht werden müßte" (S. 39 f.). Auf die Darlegungen
über das Verständnis des Rechtfertigungsglaubens (S. 41 f.)
sei nur hingewiesen. Mit Recht macht er auf die Schwierigkeit
aufmerksam, daß das Tridentinum im Kanon 28 (Session 6) ausdrücklich
gegen die Bestimmung der Schmalkaldischen Artikel
(III, BSELK S. 448, 25-29) sich abgrenzt. In der viel erörterten
Frage von Schrift und Tradition nimmt Weibel manches von den
späteren Konzilsbestimmungen vorweg. Er stellt die alten Kontroverse
in einen weiteren Horizont: „in die Problematik von
Glaube und Geschichte. Wir müßten uns die Frage stellen, wie
das historische Ein-für-Allemal des Christusereignisses der geschehenen
Offenbarung sich heute vergegenwärtigt" (S. 42). Ebenso
lehrreich sind die Ausführungen über den Unfehlbarkeitsanspruch
des römischen Lehramtes. „Das grundsätzliche Verständnis der
Offenbarungsbotschaft und die Möglichkeit einer irrtumsfreien
Auslegung durch die Kirche sind heute wohl die tiefsten Probleme
innerhalb der neuen Fragestellung" (S. 47). Verfasser macht dabei
das Uneinleuchtende der undifferenzierten katholischen Position
in Sachen Schrift und Überlieferung deutlich und das Begreifliche
der reformatorischen Einwände und Befürchtungen. Er weiß
auch, wie schwer es für den Katholiken ist, „zwischen dem Wort
der Apostel und dem Wort der Kirche den fundamentalen Unterschied
praktisch anzuerkennen, den wir theoretisch zugeben"
(S. 53). Er möchte schließlich das ökumenische Gespräch nicht auf
eine Kontroverstheologie reduzieren, weil das Christentum erst
in zweiter Linie Lehre sei (S. 53). Es bleibt fraglich, ob er damit
der Tiefe des reformatorischen Wahrheitsanliegens gerecht wird.

Der dritte Beitrag von Piet Fransen über den Kirchenbegriff
(S. 67-94) braucht hier nur eben erwähnt zu werden. Er bietet
am wenigsten Selbständiges und Neues, behandelt die Kirche als
das Neue Israel, als das Volk Gottes auf Erden, als Ursakrament
und schließt daran eine theologische Besinnung. Die Abhandlung
ist hoch spekulativ: Sie „steigt von der Kirche in ihrer sichtbaren
historischen Erscheinung auf bis vor den Thron der heiligen Dreifaltigkeit
, indem so die Kirche als der Ort des Lebens der trini-
tarischen Gottheit erscheint" (S. 87). Die Gründe für das Unfruchtbare
des herkömmlichen katholischen Kirchendenkens findet Verfasser
in der Verdinglichung der Gnade, in der antireformatori-
schen und hierarchisch-autoritativen Ausgestaltung der Ekklesio-
logie, wie das unzählige vor ihm und seit ihm gesagt haben und
sagen.

Der Beitrag von Thomas Sartory über „Die Einigung der
getrennten Christen und das Petrusamt" (S. 95-140) verdient dagegen
unser stärkstes Interesse. Er ist freilich etwas uneinheitlich
geraten. Sieben Leitsätze über eine Einigung gehen voran, die

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dann auf die Petrusfrage angewandt werden. Sartory sieht eine
Hoffnung auf eine Einigung der getrennten Christenheit, wenn es
auf beiden Seiten gelänge, die Spaltung und die ihr zugrunde
liegende Wahrheitsfrage geistlich zu verstehen (I.), wenn man die
herkömmlichen Begriffe immer neu mit ihrem gemeinten Inhalt
konfrontiert (II.), wenn wir dem Paradox der christlichen Botschaft
standhalten (III.), wenn die uns noch trennenden Lehrunterschiede
nicht hochgeschraubt, sondern mit Geduld zur Fülle
hin entwickelt werden (IV.), wenn „jede Seite versucht, den Wahrheitsgehalt
der zunächst häretisch scheinenden Aussagen bei den
getrennten Brüdern zu erkennen, zu bejahen und ihm im eigenen
Raum Daseinsrecht zu verschaffen" (V.), und wenn die theologischen
Aussagen immer in ihrem „Sitz im Leben" erkannt und dargestellt
werden (VI.); schließlich, „wenn in allem das Evangelium
als über dem Gesetz stehend verkündigt wird" (VII.).

Sartory ist, wie in seinen sonstigen Veröffentlichungen zu den
Kontroversfragen, ziemlich nüchtern. Er scheut sich nicht, die
katholische Position in ihrem Unzureichenden deutlich werden zu
lassen, und geht in den Zumutungen an die eigene Tradition so
weit wie kaum ein anderer katholischer Autor in der Gegenwart.
Daß er dennoch katholisch bleibt, mag die Bemerkung zu Luthers
Ausführungen am Anfang der Invocavit-Predigten zeigen: „Für
den Katholiken schließt die Festigkeit seines Glaubens ein, daß
der Teufel mit seiner Frage nach der Irrtumsmöglichkeit (der
Kirche und des Papstes) nicht einbrechen kann, und ein Katholik
wird nie in dieser letzten Einsamkeit seinen Kampf mit Teufel
und Tod zu kämpfen haben. Er wird getragen von der Gemeinschaft
der Kirche" (S. 136). Kein Zweifel, daß an dieser Stelle eine
der Grunddifferenzen zwischen den beiden Konfessionen deutlich
wird, für deren Ausgleich es noch keinerlei Anzeichen gibt. Der
einzelne in der Kirche und die Konzeption der Katholizität im
Umgang mit der christlichen Wahrheit dürften Probleme sein, die
der Kontroverse und dem Dialog der Konfessionen noch viel zu
schaffen machen.

Münster/W. K. G. Steck

Barth, Ferdinand: Neue Tendenzen in der Diskussion um die

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Dantine, Wilhelm: Der ökumenische Ertrag der lutherischreformierten
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Zur institutionellen Neuordnung des Laienapostolates in Deutschland
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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3