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Ausgabe:

1968

Spalte:

198-201

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Neubauer, Reinhard

Titel/Untertitel:

Geschenkte und umkämpfte Gerechtigkeit 1968

Rezensent:

Lange, Dietz

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exinanitionis) zugehörte, auch in der Periode seiner Erniedrigung
(S. 206). In manchen Fragen der Ständelehre sei Calvin dem Lutheraner
Chemnitz näher als dem reformierten Zanchius. Er lehnt
nämlich im Gegensatz zu Zanchius die Interpretation ab, daß die
lebengebende Kraft Christi allein der göttlichen Natur zuzuteilen
sei (S. 207). Damit wäre eigentlich die Schranke hin zur commu-
nicatio idiomatum von Calvin her durchbrochen. Was Zanchius
der ewigen Zeugung des Sohnes zuschreibt, ordnen Calvin und
Chemnitz dem Fleische Christi (to the flesh of Christ) zu (a. a. O.).
Damit stünde in der Tat der Genfer Reformator auf der Seite der
Lutheraner gegen die genannten reformierten Orthodoxen.

Dieses Musterbeispiel könnte vervielfacht werden. Es muß hier
pars pro toto genügen. So wie W. Eiert die mit dem Disput zwischen
Gießen und Tübingen gesetzte Alternative ablehnt (S. 213),
so müssen die Perspektiven zwischen Lutheranern und Reformierten
- u. a. im Lichte der weit offenen Theologie Calvins - neu gesehen
und auf ihre Differenz hin geprüft werden. Unter solcher
Devise lädt Hoogland zu neuem Erkennlnisgang ein: „In our
Introduction we suggested that Calvin's perspective on the exalta-
tion cf Christ offers fruitful possibilities for a greater understand-
ing between the Lulherans and the Reformed branches of the Reformation
" (S. 231 f.).

Die zeitlich auf Calvin folgenden antithetischen Formulierungen
in der rcformiert-luthcrischen Polemik tragen, abgesehen von der
Verkennung der Auffassungen der Reformatoren, den wirklichen
Intentionen auf jeder der beiden Seiten nicht genügend Rechnung.

Damit hat der Verfasser deutlich ausgesprochen, was nach seiner
Meinung heute zu tun ist. Barth und Calvin hönnten ein heilsames
Korrektiv sein zu der Christologie der nachreformatorischen
Orthodoxie, auch wenn die beiden Erstgenannten nicht in allen
damit zusammenhängenden Fragen übereinstimmen.

Auch wer meint, die Querverbindungen zwischen den einzelnen
aufgeführten Christologien anders ziehen zu müssen, wird dankbar
sein für eine Studie, die so interessante theologiegeschichtliche
Aspekte neu ans Licht geholt hat.

Berlin Joachim R o g g e

Cochrane, Arthur C.i Reformed Confessions of the 16th Century
, ed. with historical Introductions. London: SCM Press [1966).
336 S. gr. 8°. Lw. 42 s.

Das Buch vereinigt in modernem Englisch folgende Bekenntnisse
: Zwingiis 67 Artikel (1523), die Berner Thesen (1528), die
Tetrapolitana (1530), die Erste Baseler Konfession (1534), die Con-
fessio Helvetica Prior (= Zweite Baseler Konfession [1536]), die
Lausanner Artikel (1536), die Confessio Genevensis (1536), das
Bekenntnis der Englischen Gemeinde in Genf (1556), die Confessio
Gallicana (1559), die Confessio Scotica (1560), die Confessio
Belgica (1561) und die Confessio Helvetica Posterior (1566). In
einem Anhang sind beigefügt das Symbolum Nicenum, das Sym-
bolum Apostolicum, der Heidelberger Katechismus (1563) und die
Barmer Theologische Erklärung (1934). Nach Ausweis des Vorworts
haben außer dem Herausgeber - Professor am Dubuque
Theological Seminary, Dubuque/Iowa - noch weitere reformierte
Theologen, ja ein amerikanischer Dominikaner, an Übersetzung
und Bearbeitung mitgewirkt.

Um am Schluß zu beginnen: Es überrascht nicht, die Barmer
Erklärung nach W. Niescls Vorbild in einer Sammlung reformierter
Bekenntnisschriften zu finden, da dieses Dokument von Anfang
an von reformierter Seite her als Bekenntnis verstanden worden
ist. Vorausgeschickt ist ihr hier (im Unterschied zu Niescls Sammlung
von 1938) noch das Wort an die evangelischen Gemeinden
und Christen in Deutschland. Nicht aufgenommen sind die Düsseldorfer
Thesen und die sogenannte Erste Barmer Erklärung. Auffälligerweise
fehlt im Anhang das Athanasianum, auf das im Buch
sonst mehrfach hingewiesen ist. Eine Begründung dafür wird nicht
Segeben.

Der Ausgabe ist eine gute Einführung über ältere Sammlungen
reformierter Bekenntnisse vorausgeschickt, in der man lediglich
die Erwähnung der Ausgaben von J. J. Meft (1828), Bodemann
(1844) und Bachmann (1891) vermißt. Hier finden sich auch instruktive
Bemerkungen über das Wesen des Bekenntnisses in reformierter
Sicht und über die Prinzipien zur Auswahl solcher Zusammenstellungen
wie der vorliegenden. Denn - so sagt der Heraus-

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geber - es sei gar nicht so einfach, zu bestimmen, was nun eigentlich
als „reformiert" zu gelten habe. Erhebt sich doch sogleich die
Frage nach der Zugehörigkeit der 49 Artikel der Anglikaner und
methodistischer und kongregationalistischer Bekenntnisse. Im Anschluß
an O. Cullmann versteht der Herausgeber die Bekenntnisse
der Reformation als den Typ von Bekenntnissen, der die biblische
Botschaft auf dem Grunde des apostolischen Zeugnisses in Auseinandersetzung
mit den zeitgenössischen Irrlehren in die Sprache
der jeweiligen Gegenwart übersetzen will. Insofern aber sind sie
auch authentische Interpretation der alten Bekenntnisse und Zeugnis
für die wahre Katholizität der Kirche. Schließlich wird die
grundsätzliche Beschränkung der Auswahl auf die erwähnten Bekenntnisse
des 16. Jahrhunderts begründet: Sie sind die sozusagen
klassische Ausprägung der reformierten Bekenntnisbildung. Unter
ihnen nehmen die zwischen 1559 und 1566 entstandenen den
obersten Rang ein.

Es liegt nahe, daß an einem solchen Auswahlband den deutschsprachigen
Leser vor allem die grundsätzlichen Ausführungen
interessieren. Hingewiesen werden muß jedoch noch auf die knappen
, gut informierten historischen Einführungen mit Literaturangaben
, die den einzelnen Übersetzungen vorangestellt sind.

Bei den Literaturangaben wären als wichtig zu ergänzen: S. 35:
Oskar Farner: Huldrych Zwingli, Bd. 3, Zürich 1954, S. 337-358.
S. 140: Hannelore Jahr: Studien zur Überlieferungsgeschichte der
Confession de foi von 1559, Neukirchen 1964, S. 223, jetzt auch:
Glauben und Bekennen. 400 Jahre Confessio Helvetica Posterior,
hrsg. v. Joachim Staedtke, Zürich 1966. - Hier und da begegnen
unbedeutende Ungenauigkeiten. Die Confessio Virtembergica
stammt von 1551 (nicht - wie S. 20 angegeben - von 1552). Das
Athanasianum dürfte keinesfalls im 9. Jahrhundert (S. 247 Anm. 4),
sondern spätestens im 6. Jahrhundert entstanden sein. S. 51 Z. 3
muß es natürlich heißen: „Charles V".

Gern schließt man sich dem Wunsch des Herausgebers an, daß
das Buch nicht nur den reformierten Kirchen selbst, sondern auch
dem interkonfessionellen Gespräch dienen möge.

Körner/Thür. Ernst Koch

Beumer, Johannes: Erasmus von Rotterdam und Georg Witzel

(Catholica 22, 1968 S. 41-67).
Fraenkel, Pierre: John Eck's Enchirifion of 1525 and Luther's

Earliest arguments against Papal Primacy (StTh 21, 1967, S. 110-

163).

K a d a i, Heino O. [Ed.]: Accents in Luther's Theology. Essays in
Commemoration of the 450th Anniversary of the Reformation.
St. Louis/Miss. - London: Concordia Publishing House [1967].
272 S. 8°. Lw. $ 7,50.

M a r o n , Gottfried: Petrus, Luther und wir. Gedanken zum Reformationsjubiläum
1967. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1967]. 16 S. 8° = Bensheimer Hefte, hrsg. v. Evangelischen
Bund, 35. DM 1,-.

O b e r m a n , Heiko A.: Wir sein pettler. Hoc est verum. Bund
und Gnade in der Theologie des Mittelalters und der Reformation
(ZKG 78, 1967 S. 232-252).

Reichert, Ernst Otto: In tanta ecclesiarum mestitia . . . Eine
Antwort Nikolaus von Amsdorffs an Philipp Melanchthon (ZKG
78, 1967 S. 253-270).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Neubauer, Reinhard: Geschenkte und umkämpfte Gerechtigkeit
. Eine Untersuchung zur Theologie und Sozialethik Rcinhold
Nicbuhrs im Blick auf Martin Luther. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht (1963). 223 S. gr. 8° = Forschungen zur syst, und ökumenischen
Theologie, hrsg. v. E. Schlink, 12. Kart. DM 24,-.

Reinhold Niebuhr im Vergleich mit Martin Luther darzustellen,
ist ein verdienstvolles Unterfangen. Das Verhältnis des bedeutenden
Amerikaners zu Luther ist bisher meist weniger gründlich
untersucht worden als andere, weniger verwickelte Beziehungen. Der
Verfasser der vorliegenden (im Pfarramt geschriebenen!) Heidelberger
Dissertation hat die methodischen Probleme seiner Aufgabe
zutreffend bezeichnet (I): Niebuhrs Lutherkenntnis ist begrenzt,
und seine von Troeltsch bestimmte Interpretation hält neueren

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3