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Ausgabe:

1968

Spalte:

195-197

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Hoogland, Marvin P.

Titel/Untertitel:

Calvin's perspective on the exaltation of Christ 1968

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3

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achtens Bucers für Franz I. von Frankreich ist ein etwas unglücklicher
Vorgriff auf die große Ausgabe, während man anderes, zumal
die Mitteilungen über die bisher kaum bekannte Mission des
Simon Grynäus, im Auftrag Heinrichs VIII. Gutachten bei den
deutschen Reformatoren zu dem Ehehandel des Königs einzuholen,
lehrreich finden wird.

Das Hauptgewicht liegt in diesem Band jedoch auf den beiden
ersten Teilen, in denen Pollets Werk den Charakter der ausführlich
kommentierten Textsammlung aufgibt und zur reich dokumentierten
historischen Darstellung wird. Und zwar handelt der
Verfasser hier von Bucers Verhältnis zur Reformation außerhalb
Strafiburgs. Dessen Beziehung zu den Städten Nürnberg, Ulm,
Augsburg, Zürich, Basel und Bern und zu deren Reformatoren
wird eingehend und zum Teil weit ausschweifend dargestellt, ferner
bestimmte Aspekte des Abendmahlsstreits - dessen Anfänge
um 1525 (eine etwas holzschnittartige Darstellung) sowie die Entwicklung
von Melanchthons Verhältnis zu den „Oberländern" in
den 1530er Jahren. Auch in diesen Teilen verliert das Werk den
kompilatorischen Charakter nicht, die Auswahl der Themen wirkt
vielfach zufällig - im Abendmahlsstreit ist das Marburger Gespräch
ausgespart, wichtige Verbindungen Bucers nach auswärts,
die Städte Konstanz, Lindau, Memmingen sind übergangen, die
einzelnen Kapitel sind ungleich angelegt. Doch ist, was der Verfasser
bietet, in der Regel beachtlich. Er hat neben seinen extensiven
Kenntnissen auch ein ruhiges und zumeist treffendes Urteil, und
so verdient, was über Osiander, Wolfhart, Bibliander, Oswald
Myconius, Grynäus gesagt wird - um die m. E. gelungensten Abschnitte
herauszugreifen -, ebensoviel Aufmerksamkeit wie etwa
die Mitteilungen über die Pfarrerbesoldung in Deutschland im
16. Jahrhundert (S. 138 in einer Anmerkung versteckt), über das
Verhältnis von Stadt, Kirche und Universität (396 ff.), die eingehende
Abhandlung über die bewegte und bewegende Geschichte
des Bucer-Briefwechsels und der Editionen in der umfangreichen
Einleitung und was dergleichen mehr sein mag. Dabei erscheint
ganz, halb oder nicht Bekanntes überall bunt gemischt, nicht selten
begegnet man Dokumenten oder Darlegungen an völlig unerwarteter
Stelle (vgl. etwa den Brief Capitos von 1530, S. 161 f.), der
„Aufhänger" Buccr scheint zwischendurch beinahe vergessen.

Das ganze Werk hat ein wenig das Aussehen einer „cloaca
maxima der Reformationsgeschichte", in der man gewissermaßen
alles finden kann, wenn man nur bereit ist, geduldig zu suchen. Es
ähnelt in dieser Hinsicht streckenweise den „Quellen und Forschungen
zur Geschichte des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses" von
Gußmann. Es dürfte sich als ebenso nützlich erweisen, und man ist
beruhigt zu sehen, daß es neben den zum Teil sehr schönen und
verständig ausgewählten Abbildungen ausgedehnte Register hat.
Bei der Benutzung wird man freilich nicht aus dem Auge verlieren
dürfen, daß auf die Zuverlässigkeit der Texte sowohl wie der Mitteilungen
des Verfassers keineswegs überall Verlaß ist. Mir ist bei
meiner demnächst erscheinenden Ausgabe der Confessio Tetrapoli-
tana eine Reihe von nicht belanglosen Ungenauigkeiten und Fehlern
in den betreffenden Abschnitten des ersten Bandes begegnet, auch
anderswo möchte man öfter Fragezeichen setzen, zumal in den
edierten deutschen Texten fallen einem mancherlei Lesefehler
oder Mißverständnisse ins Auge, auch die Zahl der Druckfehler
ist nicht gering.

Trotzdem erscheint es angemessen, ein positives Gesamturteil
über das Werk auszusprechen. Kein künftiges Studium der oberdeutschen
und schweizerischen Reformationsgeschichte wird es
ignorieren dürfen.

Göttingen Bernd Moetler

Hoogland, Marvin P.: Calvin's Perspective on the Exaltation
of Christ in Comparison with the Post-Reformation Doctrine of
the Two States. Academisch Proefschrift. Kampen: Kok 1966. X,
221 S. gr. 8°. Kart. hfl. 12,50.

Der Verfasser referiert ein wesentliches Stück Theologiegeschichte
, aber seine Absicht ist kein historisches Referat als
Selbstzweck. Er will zeigen, daß in oft einseitiger Heraushebung
materialer Differenzen die „Perspektiven" der einzelnen Reformatoren
übersehen oder verzeichnet worden sind. Im Mittelpunkt
dieser theologischen Dissertation, die der Freien Universität zu
Amsterdam 1966 vorgelegen hat, steht eine Interpretation der

Lehre Calvins von der Erhöhung Christi. Im Grunde geht es Hoogland
im Sinne seines Promotors G. C. Berkouwer um einen Beitrag
zum Werden ökumenischer Theologie, die das konfessionelle
Gegenüber von reformiert und lutherisch als einen im Weg liegenden
erratischen Block erkennt, der entweder zerbröckelt oder
ganz beiseite geräumt werden muß. Hoogland hat richtig erkannt,
daß die Christologie - und innerhalb dieser die Ständelehre - zum
schwierigsten gehört, was hier zu bewältigen ist.

Auf der ganzen Strecke der Theologiegeschichte zwischen Luther
und Barth versucht der Verfasser, einst als Differenz Gebuchtes
nicht mehr als gravierend, sondern nur in den jeweiligen unterschiedlichen
„Perspektiven" begründet aufzuweisen. Der Bogen,
den er hier spannt, ist erstaunlich groß. Die Zwei-Stände-Lehrc
(the-two-states doctrine) mit dem besonderen Bezug auf die Erhöhung
Christi wird vergleichend untersucht bei Luther, Brenz,
Chemnitz, in der „Tübingen-Gießen-Controversy" (Streit der beiden
Fakultäten im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts), bei den
Vertretern der reformierten Orthodoxie Turretin, Polanus, Zan-
chius, van Mastricht u. a., dann ausführlicher bei Calvin selbst
und schließlich nach einem großen Vergleich alles bis dahin Gebotenen
bei Karl Barth.

Hoogland widmet sich gerade dieser Thematik zum gegenwärtigen
Zeitpunkt, weil er hier die schärfste Auseinandersetzung
zwischen reformierter und lutherischer Theologie sieht, nicht zwischen
römisch-katholischer und reformatorischer Theologie. Daß
eine genügend offene und gleichzeitig dem Reformator gerecht
werdende Interpretation Calvins das Gespräch mit Lutheranern
und Rom ermöglicht, zeigt die V. der in einem besonderen Blatt
beigelegten Thesen: „Calvin's perspective on the exaltation of
Christ provides a promising orientation for dialoguc not only with
Lutherans but also with Roman Catholics." Es ist Hooglands Meinung
in der nächsten These, daß das Gewicht der innerreformato-
rischen Kontroverse nicht kirchentrennend zu werden brauchte:
„The division between the Lutheran and the Reformed churches
during and after the Reformation cannot be justified on the basis
of the doctrinal issues on which there was disagreement."

Der Verifizierung dieser Sätze gilt jede einzelne der folgenden
Untersuchungen. Zumindest lehrbuchmäßig als feststehend notierte
Fronten, etwa die der lutherischen und reformierten Orthodoxie,
werden (jede in sich) erweicht. Der Boden wird schon im Vorwort
dafür gelockert, indem Karl Barth seine Nähe zur lutherischen
communicatio idiomatum (und damit sein Verlassen der reformierten
Tradition an diesem Punkt) bescheinigt wird. Das wiegt
um so schwerer, je klarer der Verfasser immer wieder betont, in
der communicatio idiomatum - und hier besonders im Verständnis
des genus majestaticum (S. 3 u. ö.) - bestehe die Hauptkontroverse
zwischen Reformierten und Lutheranern.

Es ist ausgeschlossen, das vielfältig ausgebreitete Material mit
den daran geknüpften Ergebnissen für Brenz, Zanchius und andere
hier in Kurzfassung transparent zu machen. Wenn zwischen den
Lutheranern und Reformierten mehr unterschiedliche Blickrichtungen
als materiale Unterschiede zugegeben werden, dann darf
das unter der Devise verstanden werden, die der Verfasser eingangs
hinreichend deutlich hat durchscheinen lassen.

Die Verhärtung der späteren Orthodoxie in ihrer lutherischen
und reformierten Observanz hat die so gar nicht formalen (S. 98)
und unsystematisch erfolgenden Aussagen Calvins, die genügend
weit für viele Entfaltungen gewesen sind, an vielen Stellen verlassen
. Zitate aus den Kommentarwerken des Reformators und
aus seiner Institutio werden dazu herbeigezogen. Hoogland gibt
zu, daß die Lutheraner mehr die göttliche Natur Christi betont
haben, und zwar manchmal so stark, daß den Reformierten dadurch
die menschliche Natur absorbiert erschien, so daß der Vorwurf
des Monophysitismus laut wurde. Er referiert auch die bekannten
Anschuldigungen gegen die Reformierten, die durch Betonung
der menschlichen Natur sich das Verdikt des Nestorianis-
mus einhandelten. Calvin wird nun aber in dem von Hoogland zum
Teil aufrechterhaltenen, zum Teil relativierten Gegenüber von
lutherischer und reformierter Orthodoxie fortgesetzt als Kronzeuge
für eine Christologie zitiert, unter die die Kontroverse letztlich
doch als unerheblich zu subsumieren ist. Calvin und die Lutheraner
haben gemeinsam die als zentral angesehene Auffassung, daft
die Erhöhung Christi zu tun habe mit der göttlichen Herrlichkeit
und Macht, die Christus in jedem seiner Stände (exaltationis und