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1968

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Neuerscheinungen

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Credo seiner Gemeinde gar von sich aus die deklaratorische Gestalt
des Ich-Stils gegeben hat. Im übrigen kennzeichnet es auch
ältere Beispiele solcher deklaratorischer Glaubensbekenntnisse
(Märtyrerakten; Origenes, Entretiens avec Heracleides; das aus
Novatian, de trinitate, deduzierte Credo ist wieder ein wenig
glückliches Beispiel H.s), daft die nichtliturgische Situation eine
stilistische Umformung des Taufcredos verlangt.

Man sieht, wie an den konkreten Themen historischer Forschung
die Auseinandersetzung mit H. fruchtbar, er selber aber
anregend werden kann. Dazu trägt sein sachlicher Stil und die
stete Orientierung an den Quellen bei. Wie denn die vorbildlich
gearbeitete Untersuchung beste Patristik englischer Provenienz
repräsentiert'

Göttingen Carl Andresen

C o 1 s o n , Jean: Ministre de Jesus-Christ ou le socerdoce de
l'Evangile. Etüde sur la condition sacerdotale des Ministres
Chretiens dans l'Eglise primitive. Paris: Beauchesne et ses Fils
[1966]. 391 S. 8° = Theologie historique. fitudes publiees par
les professeurs de Theologie ä l'Institut catholique de Paris sous
la direction de J. Danielou, 4. Fr. 50,88.

Den Amtsträgern der Kirche wird seit dem Ende des 2. Jahrhunderts
, möglicherweise hier und da schon früher, ein priesterlicher
Charakter zuerkannt. C. fragt, ob die Kirche recht daran
getan habe: „trahit-elle, ou, au contraire, prolonge-t-elle, en la
precisant, la pensee apostolique du Nouveau Testament?" (S. 7).
Die Antwort wird ermittelt, indem C. im ersten Teil der Arbeit,
„Les racines apostoliques", die im Neuen Testament enthaltenen
Aussagen untersucht (S. 5 ff.), während im zweiten Teil „la prise de
conscience subapostolique" betrachtet wird (S. 209 ff.); C. behandelt
in dem Abschnitt Klemens von Rom, die Didache, den Barnabasbrief,
die Oden Salomos, Hermas und Ignatius. Eine Schlufsbemerkung,
„Bilan", fafit das Ergebnis zusammen, das C. gewonnen zu haben
glaubt (S. 343 ff.). Es lautet: Die Untersuchung der neutestament-
lichen Schriften - C. beginnt mit 1. Petr. 2,1 ff. - führt zu der Feststellung
, „que la porte reste ouverte quant ä la fonetion sacerdotale
de la hierarchie apostolique et cultuelle, au sein du Peuple
sacerdotal" (S. 206). Ja, angesichts der Mentalität der Urkirche
„la preuve n'est pas ä faire que cette porte reste ouverte, mais il
faudrait au contraire etablir la preuve que cette porte est s y s -
tematiquement fermee ä tout developpement dans le
sens qui sera celui de l'Eglise subapostolique, quant ä une cer-
taine condition sacerdotale des ministres de la communaute"
(ebd.). Wenn trotz der „offenen Tür" zum Priestertum den Amtsträgern
der Priestertitel doch noch nicht zugesprochen wird, man
ihn vielmehr vermeidet, so beruht das auf Absicht: „c'est pour
marquer le rejet du sacerdoce levitique des lors perime"
(S. 207). In der nachapostolischen Zeit setzt sich die Entwicklung
folgerichtig fort: Das entstehende christliche Priestertum tritt als
eine Funktion, als „instrumentalite", als „sacramentalisation" des
Priestertums Christi in die Erscheinung (S. 344); es ist eine
,, .instrumentalisation' du sacerdoce purificateur du seul sacrifica-
teur (hiereus) Jesus-Christ" (S. 346). Das Priestertum der Kirche
erscheint demnach als eine logische Entfaltung aus dem Priestertum
Christi, dessen einzigartige Würde unangetastet bleibt.

Es liegt auf der Hand, daft die Konstruktion C.s nicht aus der
unbefangenen Lektüre der Texte gewonnen ist, sondern versucht,
spätere Kirchenlehrc aus der Geschichte zu beweisen; ebenso ist
deutlich, daft dabei der geschichtlichen Wirklichkeit Gewalt angetan
wird. Gleich die eingangs aufgeworfene Alternativfrage ist
unhistorisch gedacht und lenkt die Untersuchung auf einen Irrweg
; ein derart einfach gefaßtes Entweder-Oder kennt die Geschichte
nicht. So bleibt die Arbeit unergiebig; sie fördert unsere
Erkenntnis nicht. Es kann keine Rede davon sein, daft der Gedanke
vom Priestertum Christi der Keim für die Überzeugung
vom priesterlichen Charakter des neuen Gottesvolkes oder gar
der Ursprung des kirchlichen Priestertums gewesen sei; die Wurzeln
sind verschieden. Aber nicht nur die Entwicklung wird verzeichnet
, auch das Selbstverständnis der Christenheit des 2. Jahrhunderts
ist unzureichend beschrieben. Der Grundfehler ist, daft
die christliche „Spiritualisierung" der alttestamentlichen Kultusbegriffe
nicht so gesehen wird, wie sie gemeint ist. Sie hat dem
Verf. sogleich als ein Mittel dienen müssen, um das Aufkommen

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des christlichen Priestertums zu erklären; die dabei entstehenden
Schwierigkeiten werden mit Hilfe der erwähnten Erklärung behoben
, man habe auf den Priestertitel zunächst deshalb verzichtet,
weil man sich von Heiden und Juden abgrenzen mufite. Die Erklärung
verfehlt den springenden Punkt; es ist nicht nur Apologetik
, wenn der Priestertitel vermieden wird. Die Fragen brauchen
indessen hier nicht erörtert zu werden; sie sind auch schon in dem
Maß geklärt worden, wie es die Überlieferung gestattet.1

Auf die Tatsachen und Argumente, die seiner Sicht entgegenstehen
, geht C. nirgends ernsthaft ein. Er zitiert zwar Quellen und
gelehrte Literatur reichlich, doch in willkürlicher Auswahl, d. h.,
nur zur Illustration seiner These. Eine wirkliche Interpretation,
die behutsam erwägt, sucht man vergeblich. In dem wortreichen
Buch steht natürlich auch Richtiges und Halbrichtiges. Über manche
Ausführungen kann und muß diskutiert werden. Es sind das durchweg
Beobachtungen und Anschauungen, die von anderen Autoren
stammen; mit denen muft das Gespräch geführt werden, mit Audet
über die Didache, mit Giet über das Hermasbuch, um einige zu
nennen.2 Im übrigen huldigt C. der Mode, die Frömmigkeit der
in dem Buch oft erwähnten „sectes juives reformistes", vor allem
der Qumranleute, stärker der frühchristlichen Frömmigkeit zu
nähern als vertretbar ist; infolgedessen wird das Verhältnis der
christlichen Glaubenshaltung zur jüdischen Gottesverehrung unklar
. Fortwährend unterstreicht C. den „judenchristlichen" Charakter
, die „mentalite neo-levitique" (S. 255) gewisser Aussagen und
Gedanken in den christlichen Schriften des 1. und 2. Jahrhunderts.
Wer so redet - leider greift die Manier um sich -, hat in den
meisten Fällen nicht echte judenchristliche Sätze vor Augen, sondern
meint, wie C, jüdische Denkweise und jüdische Tradition,
wie sie allgemein in der frühen Kirche lebendig sind und von den
christlichen Lehrern immer wieder aufgenommen worden sind.
Hier von „Judenchristentum" zu sprechen, ist wenig sinnvoll und
muft verwirrend wirken, wie die Diskussion der letzten Jahre wieder
gelehrt hat. Harnacks Bemerkungen zum Begriff „Judenchristentum
" sind nicht veraltet und sollten gründlicher bedacht
werden, als es zu geschehen pflegt.3

Tübingen Hans-Dietrich Altendorf

1 A. Hauck, Priestertum, Priesterweihe in der christlichen Kirche, Realencyklo-
pädie für protestantische Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 16, 1905, S. 47 ff.;
A.Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, 4. Aufl., Bd. 1, Tübingen 1909, S. 459ff.;
H. v. Campenhausen, Die Anfänge des Priesterbegriffs in der alten Kirche. In: Tradition
und Leben. Kräfte der Kirchengeschichte. Aufsätze und Vorträge von H. Frh.
V. C, Tübingen 1960, S. 272 ff.

2 Auf S. 232 ff. versucht C das schwierige epinome in 1. Clem. 44, 2 zu deuten
als .droit de faire paitre (autrement dit: la Charge du troupeau)" (S. 235). Der Gebrauch
des Wortes - soweit man ihn verfolgen kann - stützt dieses Verständnis
nicht, und der Textzusammenhang widerspricht ihm; C. trägt einen fremden Gedanken
ein. Die Erklärung im Sinne von .Anordnung, Befehl" bleibt immer noch plausibel
, weil sie dem Gedankengang entspricht.

3 Dogmengeschichte a. a. O., S. 310 ff.

Canevet, Mariette: Nature du mal et economie du salut chez

Grcgoire de Nysse (RechSR 56, 1968 S. 87-95).
Fraisse, Jean-Claude: Saint Augustin. Paris: Presses Universi-

taires de France 1968. IV, 122 S. kl. 8° = Philosophes.
G r a s s o , Domenico: Pietro e Paolo nella predieazione di S. Agos-

tino (Gregorianum 49, 1968 S. 97-112).
Hüning, Hanns: Augustinus' Liebe zur Wahrheit als Triebkraft

seines Glaubens (Wiss. Weish. 31, 1968, S. 1-12).
Kuhn, Helmut: Die Bekenntnisse des heiligen Augustin als literarisches
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Malingrey, Anne-Marie, Prof.: La litterature grecque chre-
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Sauser, Ekkart: Gedanken zum Priesterlichen Dienst in der
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ffr. 25,50.

Vööbus, Arthur: Neuerschlossene einzigartige Urkunden syrischer
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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3