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1968

Kategorie:

Naturwissenschaft und Theologie

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3

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Paris) oder ob man sie katholischerseits unter Identifizierung von
Schrift und Tradition als dem steten Midrasch der Christenheit
(V. Congar, La Tradition et les Traditions, Paris 1961) schmackhaft
zu machen sucht (1. Abschnitt S. 237-245). Doch schon bei dem
zweiten Abschnitt dieses Kapitels („The Nature of the Canon of
Scripture S. 245-252), dessen Warnung vor einer Identifizierung
des historisch gewordenen Kanons mit dem Inspirationsdogma
(S. 245-249) man nur beipflichten kann, beginnen die Schwierigkeiten
. Ausgerechnet das Johannes-Evangelium wird für die These
steter Interpretation der Christusoffenbarung und damit ihrer geschichtlichen
Kontinuität herangezogen (S. 248 f.), was man in der
deutschen, durch R. Bultmanns Johannesanalyse bestimmten Forschungssituation
zumindest nicht als besonders glücklich empfindet
. Erst recht nicht, nachdem E. Käsemann, Jesu letzter Wille nach
Johannes 17, Tübingen 1966 - was allerdings H. nicht ahnen
konnte! - seine Gedanken über den „orthodoxen" Charakter jo-
hanneischer Theologie entwickelt hat. M. Werners „Entstehung
des christlichen Dogmas" als Warntafel gegen „ein Christentum
ohne johanneische Elemente" zu errichten, empfindet man als
überholt, darauf aber den Satz zu gründen: „To regard the work
(sc. 4. Ev.) as wrongly canonized, or as only deutero-canonical,
would bc to demand a radical revision of Christianity" (S. 248 f.),
als reichlich überspitzt. Ähnlich ergeht es einem gegenüber den
Schlufiausführungen dieses letzten Kapitels, gerade weil man deren
wohlausgewogenen Wesensbestimmung der „Tradition" als die
aus der Schriftauslegung hervorgegangene und von dieser bestimmten
Überlieferung (S. 252 ff.) die Zustimmung nicht versagen
kann. Vielleicht kann man es noch hinnehmen, dafi hierfür
Bakhuizen van der Brink als Kronzeuge zitiert (S. 256), über
den Vater der Deutung der „Kirchengeschichte als Geschichte der
Schriftauslegung", E b e 1 i n g , aber geschwiegen wird. Um so
mehr darf man aber erwarten, daß die für das Verhältnis von
Schrift und Tradition konstitutive Frage nach dem sogenannten
„hermeneutischen Zirkel" eingehend von H. erörtert worden wäre.
Eine gelegentliche Passage (S. 105) deutet eher darauf hin, dafi er
sie sich selber überhaupt nicht vorgelegt hat. - Auch das Gespräch
über die Ausführungen zur neutestamcntlichen Kanonsbildung
(cap. 5) aufzunehmen, fällt einem schwer. Dafi dieses Thema auf
dem „Kontinent" - die Literaturauswahl des Verfassers rechtfertigt
diesen Ausdruck - in jüngster Zeit Gegenstand eines intensiven
Gesprächs von theologischer Grundsätzlichkeit gewesen ist (ich
nenne nur Kümmel, Käsemann, Cullmann, Marxsen, Ratschow,
Aland), ist dem Verfasser wohl weniger unbekannt als uninteressant
. Ich lasse daher gleichfalls diesen Punkt beiseite, mag ihm
auch im Gesamtkonzept der vorliegenden Monographie, das die
Dialektik von kirchlicher Tradition und dem Schriftzeugnis betont
, eine gewichtige Rolle zukommen.

Am lohnendsten ist die Auseinandersetzung mit H. noch, wo
es um konkrete Probleme der historischen Forschung geht. Ich
greife hier den speziellen Punkt seiner Ausführungen über das
Taufcredo heraus (cap. 2 S. 52 ff., spez. 59 ff.: „The Early Baptismal
Creed"). Ein Charakteristikum der Taufliturgie innerhalb des von
H. angesprochenen Zeitraumes der „Early Church" (170-270 n. Chr.)
sind die sogenannten Tauffragen. Die Textbasis hierfür liefert die
Kirchenordnung Hippolyts. H. bietet die betreffende Partie S. 62
in einer rekonstruierten Gestalt nach Gr. Dix, Apostolic Tradition,
London 1937, LIX-LXI bzw. J. N. D. Kelly, Early Christian Creeds,
London i9602, 91. Hätte er nach der neuesten Bearbeitung der
„Apostolischen Tradition" durch Dom Botte OSB, Aschendorff
Münster 19632, 48 ff. zitiert, hätten sich seine Bemerkungen über
die angeblich „deklaratorische" Gestalt dieses Taufbekenntnisses
(S. 62 A. 2) von vornherein erübrigt. Die ursprüngliche, nach dem
Test. Domini und dem Lateiner (Veronensis) zu rekonstruierende,
von Botte daher in seiner Übersetzung berücksichtigte Textgestalt
ist interrogatorisch gehalten. Der Bekenntnischarakter dieser
Taufe tritt dadurch in Erscheinung, dafi auf das dreimalige „Glaubst
du,..." des Täufers das dreimalige „ich glaube ..." des Täuflings
gefordert ist, bevor der Täufer selber seinerseits dreimal liturgisch
aktiv werden kann. Bezeichnenderweise sind die beim eigentlichen
Taufakt von ihm gesprochenen Taufformeln nicht in der KO
Hipp.s festgehalten. Aus dem Ritual als solchem ergibt sich aber,
dafi es sich um sogenannte Onomaformeln („Ich taufe dich auf
bzw. in den Namen ...") gehandelt haben muft. Mit ihnen lebte ein
älteres, bereits im Neuen Testament nachweisbares Taufverständnis
fort, in dem apotropäische und damit magische Vorstellungen
eine Rolle spielen. Die „deklaratorische" Textgestalt der hippolytischen
Taufliturgie in ihrer sahidischen und dann arabischen und
äthiopischen Überlieferung hingegen ist sekundär, weil von einem
späteren Taufverständnis beeinflußt. Dazu noch gleich! Zunächst
halten wir fest, dafi das hippolytische Taufformular in seinem
Nebeneinander von Tauffragen und die auf das göttliche Onoma
ausgerichtete Taufhandlung liturgie- wie auch traditionsgeschichtlich
ein komplexes Gebilde darstellt. Wie alle liturgischen Texte
vereint es Altes und Neues in sich.

Das warnt aber davor, interrogatorische Taufformulare für
noch frühere Zeiten zu postulieren oder sogar sie zu rekonstruieren
, wie H. - auch darin wieder Kelly folgend - es für Irenäus
und Justin tut (S. 60 f.). Die vielberufene Einfügung von Apg. 8, 37
mit der Glaubensfrage des Philippus und der „deklaratorischen",
aber rein christologisch gehaltenen Glaubensbezeugung seitens des
Kämmerers durch westliche Handschriftentradition ist nach dem
liturgiegeschichtlichen Befund zu datieren, fällt also frühestens in
die Schwelle vom 2. zum 3. Jahrhundert. Aus dem Justintext Apol.
I, 61. 65 bereits für die Mitte des 2. Jahrhunderts ein römisches
Taufformular mit Tauffragen ablesen zu wollen (so H. nach Kelly,
a. a. O., S. 73), besitzt keine textlichen Anhaltspunkte. Justin kennt
eindeutig nur die triadische Onomataufe, deren Taufverständnis
alles auf die Schutzwirkung der göttlichen Namen abstellt und
daher des Taufcredos entraten kann. Eingehender unter gleichzeitiger
Aufhellung der unterschiedlichen Ekklesiologien, die hinter
den beiden Taufauffassungen stehen, wird dies von mir im
Rahmen einer größeren Monographie zur Alten Kirche begründet
werden. Ich nehme aber hier bereits Gelegenheit zu dem Hinweis,
dafi gemäfi dem liturgischen Gesetz der Beharrlichkeit die ältere
Onomataufe neben der Bekenntnistaufe mit ihren Tauffragen natürlich
fortbestanden hat. Das von H. S. 66 zitierte „Evangelium nach
Philippos" belegt dies mit dem Passus 115, 19: „Es ziemt sich für
die, die den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen
Geistes nicht nur erhalten, sondern sie (sc. diese Namen) sich
selbst erworben haben" (ich zitiere nach WC Till, PST 2, 1963, 37;
H. überträgt die mit Konjekturen arbeitende deutsche Übersetzung
von H. M. Schenke, ThLZ 84, 1959, 14, ins Englische). Noch eindeutiger
ist der Fall des gleichfalls von H. herangezogenen Fragments
80 der Excerpta ex Theodoto: .....die drei Namen (sc. des

Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes), durch deren Gewalt
der Gnostiker von der Macht der Verderbnis befreit worden ist."
Das Fragment beleuchtet zugleich das eigentümliche Phänomen,
dafi ausgerechnet bei den Gnostikern die magische, hinsichtlich
des Taufcredos gleichgültige Onomataufe fortleben sollte. Auch
diesem Phänomen gedenke ich a. a. O. noch näher nachzugehen.
Hier sei nur vermerkt, dafi das von H. angesprochene Fortbestehen
der triadischen Onomataufe bei den Häretikern der Grofikirche
kaum so viel zu schaffen gemacht hat, wie H. annimmt. Cyprian
beweist doch überzeugend, dafi man sehr wohl auf das Fehlen
des rechten Taufbekenntnisses hinzuweisen und so den häretischen
Charakter des Glaubens nachzuweisen verstand, um auf diese
Weise der Häretikertaufe die Anerkennung zu verweigern.

Ein Schlußwort noch zum Typ des sogenannten „deklaratorischen
" Taufbekenntnisses. H. S. 68 ff. hat diesen Begriff von Kelly
übernommen. Ich finde ihn nicht besonders glücklich. Die oben
erwähnte postume Umwandlung des interrogatorischen Taufcredos
bei KO Hipp, in ein „deklaratorisches", das sich durch den
Ich-Stil auszeichnet, gibt bezeichnenderweise dem Taufdiakon
die Anweisung des Vorsprechens (Botte p. 48: „. .. et dicat ei adiu-
vans eum ut dicat: Credo in ..."). Schon aus liturgischen Gründen
mußte auch in dieser abgewandelten Gestalt das Taufcredo in
erster Linie Sache des Täufers bleiben. Als liturgischer Vollzug
besteht zwischen interrogatorischem Taufcredo und „deklaratorischem
" Typ kein wesentlicher Unterschied. Auch nicht als
konfessionalem Bekenntnisakt durch den Täufling. Höchstens
seine Loslösung aus dem liturgischen Rahmen gestattet die Anwendung
der Bezeichnung „deklaratorisch". Wie H. aber selber
zugibt, ist als ältestes Beispiel hierfür das Bekenntnis des Eusebios
von Kaisareia auf dem ökumenischen Konzil von Nikaia 325, das
mit dem Taufbekenntnis seiner Bischofsgemeinde identisch gewesen
sei, nachzuweisen. Das führt aber über seinen Berichtsraum
hinaus. Dabei bleibt immer noch offen, ob Eusebios nicht aus dem
aktuellen Anlaft seiner Rehabilitierung als orthodoxer Bischof dem