Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1968

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

185

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3

186

Tradition primär sind. Es ist schliefilich berechtigt, lokale und
theologische Eigenheiten zur Deckung zu bringen.

Freilich stehen dem methodische Mängel gegenüber, durch die
Schille es den Kritikern leicht macht, den guten Anstößen seiner
Arbeit auszuweichen.

Die genannten Mängel liegen nicht vor allem darin, dafi das
von Schille entwickelte Geschichtsbild in der vorgetragenen Form
m. E. ebensowenig zutrifft wie das lukanische: Die Art, in der
Schille die Bedeutung Jerusalems eliminiert, läßt sich nicht halten;
er räumt Galiläa eine zu große und vor allem falsche Rolle in der
urchristlichen Geschichte ein; er reflektiert nicht über die ursprüngliche
innere Einheit der lokalen Urgemeinden; er bedenkt die
Differenz von vorösterlicher und nachösterlicher Gemeinde nicht
hinreichend usw. Aber darüber kann man diskutieren.

Bedenklich stimmt dagegen, dafi Schille die frühchristliche Geschichte
ohne zentrale Berücksichtigung des Paulus, ihres einzigen
unmittelbaren Zeugen, zu schreiben unternimmt. Bedenklich ist
ferner, dafi Schille die redaktionskritische Fragestellung fast
ganz ignoriert. So kommt es, dafi er die topographischen
Interessen der Evangelisten, besonders des Markus, zuwenig
in Rechnung stellt. Dieser Mangel ist methodischer Art und hat
sachlich erhebliche Folgen.

Aber auch formgcschichtlich arbeitet Schille unmethodisch. Die
für sein Geschichtsbild grundlegende Gattung „Gemeindegründungstradition
" kann er formal nicht nachweisen, und mit seinem
Zugeständnis, diese Gattung sei eben uneinheitlich, gibt er
die Prinzipien der Formgeschichte selbst preis, auf die er sich
dennoch beruft. Er verzichtet dann auch auf einen formgeschichtlichen
Nachweis, dafi die topographischen Angaben den eigentlichen
Schlüssel zu den Einzeltraditionen bilden.

Diese methodische Großzügigkeit bestimmt auch sonst Schilies
Arbeitsweise. Was nur Arbeitshypothese ist, wird als Resultat
exegetischer Kleinarbeit ausgegeben, das zwar noch weiterer Bearbeitung
harrt, dessen Richtigkeit aber lediglich Ignoranten bestreiten
können. Indessen findet sich im ganzen Buch keine einzige
eingehende Exegese. Die eigene These wird mehr oder weniger
oberflächlich mit den Texten konfrontiert. Dabei läuft ein Kaleidoskop
exegetischer Einsichten und Durchblicke ab, bei denen man
ständig zwischen lebhaftem Interesse und blofier Verärgerung hin
und her gerissen wird. Willkür in der Literaturbenutzung, unsach-
gemäfic Wiedergabe von Forschermeinungen und ungerechte Pauschalurteile
begegnen dem Leser auf Schritt und Tritt, und oft
wird er auch durch unmotiviert wechselnde Thematik verwirrt.

Nun, diese Arbeitsweise Schilies ist dem Forscher bekannt. Er
sollte dennoch bereit sein, sich das gängige Bild der urchristlichen
Geschichte von der vorliegenden Arbeit in Frage stellen zu lassen
, auch wenn er nicht in der Lage ist, Schilles eigenen Erwägungen
zur apostolischen Frühgeschichte mehr als den Rang einer
durch die Texte nicht bestätigten Arbeitshypothese zuzubilligen.
Das traditionelle Geschichtsbild ist nicht weniger anfechtbar.

Marburg Walter Schmithals

Asensio, Felix: Formaciön apostölica de los „Docc" y misiön
historico-simbolica de ensayo (Grcgorianum 49, 1968 S. 58-74).

Bernard, Charles-Andre: Experience spirituelle et vie aposto-
Hquc en Saint Paul (Gregorianum 49, 1968 S. 38-57).

Börse, Udo: „Abbild der Lehre" (Rom. 6, 17) im Kontext (BZ 12,
1968 S. 95-103).

°alton, William: Interpretation and Tradition: An Examplc

from 1 Peter (Gregorianum 49, 1968 S. 11-37).
Dauer, Anton: Das Wort des Gekreuzigten an seine Mutter und

den „Jünger, den er liebte". Eine traditionsgeschichtliche und

theologische Untersuchung zu Joh. 19, 25-27 (BZ 12, 1968 S.

80-93).

Ernst, Josef: Die „himmlische Frau" im 12. Kapitel der Apokalypse
(ThGl 58, 1968 S. 39-59).

Fazekas, Ludovit: Die Anfänge der Christologie im Neuen
Testament (ZdZ 22, 1968 S. 1-6).

Grabner-Haider, Anton: Auferstehungsleiblichkeit. Biblische
Bemerkungen (StZ 181, 93. Jg. 1968 S. 217-222).

Haacker, Klaus: Eine formgeschichtliche Beobachtung zu Joh.
1- 3 fin. (BZ 12, 1968 S. 119-121).

lerscl, Bas van: Einige biblische Voraussetzungen des Sakraments
(Concilium 4, 1968 S. 2-9).

Käsemann, Ernst: Die Gegenwart des Gekreuzigten (ZdZ 22,
1968 S. 7-15).

Mees, Michael: Lectio brevior im Johannesevangelium und ihre
Beziehung zum Urtext (BZ 12, 1968 S. 111-119).

Saillard, Michel: C'est moi qui, par L'Evangile, vous ai en-
fantes dans le Christ (1 Co 4, 15) (RechSR 56, 1968 S. 5-41).

Schlier, Heinrich: Über die Auferstehung Jesu Christi. Einsiedel
: Johannes Verlag (1968). 71 S. 8° = Kriterien, 10. Kart.
DM 6,50.

Smith, Michael: Another Criterion for the xaiye Recension

(Bibl 43, 1967 S. 443-445).
Theologische Stimmen aus Asien, Afrika und Lateinamerika
, Beiträge zur biblischen Theologie, hrsg. von Gerhard

Rosenkranz u. a., München: Kaiser 1967, 192 S.:

Yagi, Seiichi: Geschichte und Gegenwart der neutestamentlichen
Forschung in Japan, S. 29-39.

Sidjabat, Bonar: Die Forderung Gottes, S. 40-54.

Arichea jr., Daniel C.: Kerygma und Kultur. Die Apostelgeschichte
und die Verkündigung auf den Philippinen, S. 55-69.

Chain, Anna May: Entmythologisierung und Birma, S. 70-79.

Vitanage, Gunaseela, u. Lynn A. de Silva: Die Frage nach dem
historischen Jesus. Ein Briefwechsel, S. 80-96.

John, M. P.: Der Gebrauch der Bibel durch indische christliche
Theologen, S. 97-108.

Mansour, Yassa: Das Selbstzeugnis Jesu, S. 109-127.

Mbiti, John S.: Afrikanisches Verständnis der Geister im Lichte
des Neuen Testaments, S. 130-147.

Thompson, Prince E. S.: Die Dämonen in der biblischen Theologie
, S. 148-163.
T h o m a , Clemens: Auswirkungen des jüdischen Krieges gegen

Rom (66-70/73 n. Chr.) auf das rabbinische Judentum (BZ 12,

1968 S. 30-54).

Thüsing, Wilhelm: Erhöhungsvorstellung und Parusieerwar-
tung in der ältesten nachösterlichen Christologie (BZ 12, 1968
S. 54-80).

- Die theologische Mitte der Weltgerichtsvisionen in der Johannesapokalypse
(TThZ 77, 1968 S. 1-16).

- Die Vision des „Neuen Jerusalem" (Apk 21, 1-22, 5) als Verneinung
und Gottesverkündigung (TThZ 77, 1968 S. 17-34).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

H a n s o n , R. P. C, Prof.: Tradition in the Early Church. London:
SCM Press [1962]. 288 S. 8° = The Library of History and Doc-
trine. 27 s. 6 d.

Es beginnt eigentlich etwas pedantisch und schwerfällig mit
einer Wortuntersuchung zum Traditionsbegriff, endet aber mit
grundsätzlichen Erwägungen, die von theologischem Engagement
an der Themastellung zeugen. Unter der Asche einer am Stoff
orientierten und gelegentlich betont distanzierten Darstellung
glimmt heimliches Feuer, das gelegentlich auch sonst zum Durchbruch
kommt (vgl. z. B. S. 102). Das kennzeichnet übrigens auch
andere Arbeiten des Verfassers zu ähnlichen Themen. Ich erinnere
nur an „Origen's Doctrine of Tradition", London 1954 (rez. Danie-
lou ThLZ 84, 1959, 292-294), oder an die letzte gröftere Monographie
zum Thema „Allegory and Event", London 1959 (hier nicht
rezensiert). Der Leser kann sich dem nicht entziehen, und ich
gestehe offen, dafi gerade das theologische Engagement des Autors
mir die Lektüre erleichtert, weil interessant gestaltet hat.

Das besagt noch nicht, dafi dadurch bereits alle Barrieren beseitigt
worden wären. Das schwerste Hindernis für die Aufnahme
des Kontaktes und damit eines Gesprächs über die sechs Kapitel
dieses Werkes (1. Oral Tradition; 2. The Creed; 3. The Rule of
Faith; 4. Custom and Rite; 5. The Canon of the New Testament;
6. Tradition as Interpretation) besteht darin, daß der Rezensent
im Chor des Forschungsgespräches, soweit dieser zu Gehör gebracht
wird, gewisse Stimmen und damit auch das Echo des Autors
auf sie vermiftt. Ich gehe von dem letzten Kapitel „Überlieferung
als hermeneutisches Ereignis" aus, wobei die bewufit verfremdende
Übersetzung des Titels zugleich andeuten will, was mit den
angedeuteten Gesprächsschwierigkeiten von mir anvisiert wird.
Sicherlich wird auch der deutsche Leser mit Interesse verfolgen,
wie der Verf. sich gegen eine Verabsolutierung der kirchlichen
Tradition wendet, einerlei ob sie von griech.-orth. Seite in dog
matischer Konsequenz proklamiert wird (L'Huillicr u. Bulganow,