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Ausgabe:

1968

Spalte:

183-184

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Rohde, Joachim

Titel/Untertitel:

Die redaktionsgeschichtliche Methode 1968

Rezensent:

Grundmann, Walter

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Ausdrucksweise, und sie bleibt auch für die Übersetzer des 2. nachchristlichen
Jahrhunderts trotz ihrer anderen Einstellung von Bedeutung
.

Schlufibemerkungen beziehen sich auf die Technik der Penta-
teuchübersetzung und auf die Anwendung der Ergebnisse der
Untersuchung für die Gestaltung des Textes der LXX. Was die
Übersetzung als solche betrifft, so bestätigt auch diese Arbeit die
methodische Verwandtschaft der LXX mit dem aramäischen Tar-
gum. Auch das griechische Targum hat praktisch-pädagogische
Abzweckung. Es zeigt die enge Verbundenheit der ägyptischen
Diaspora mit dem religiösen Heimatland Palästina. Denn die Auslegung
der alttestamentlichen Überlieferung durch die LXX hat
ihre Wurzeln in der Geschichte der jüdischen Exegese.

Das Werk ist ausgestattet mit Registern der hebräischen und
griechischen Termini wie der behandelten Stellen und mit einer
wohlgeordneten LXX-Bibliographie. Die ausführlichen, umsichtigen
und ergebnisreichen Untersuchungen verdienen auch bei abweichender
Meinung im Einzelnen oder im Grundsätzlichen den Dank
all derer, die an diesen Problemen mitarbeiten.

Gießen Georg Bertram

R o h d e , Joachim: Die redaktionsgeschichtliche Methode. Einführung
und kritische Sichtung des Forschungsstandes. Berlin: Evangelische
Verlagsanstall [1965]. 242 S. 8° = Theologische Arbeiten
, hrsg. v. H. Urner, E. Fascher, A. Jepsen, F. Lau, A. D. Müller,
E.Schott, XXII. (Lizenzausgabe: Furche-Verlag, Hamburg [1966].
247 S. 8°.)

Vorliegender Teildruck einer umfassenderen Berliner Dissertation
gibt einen ausführlichen und verdienstvollen Überblick über
Vorgang und Bedeutung der Wende, die die Evangelienforschung
durch die sogenannte redaktionsgeschichtliche Methode erfahren
hat. Sie wird, da nach ihren Erkenntnissen die redaktionell-theologische
Arbeit des Lukas nicht unter Absehen von der Apostelgeschichte
erfaßt werden kann, bei der Behandlung des Lukas auf
die Apostelgeschichte ausgedehnt, was nur begrüßt werden kann.
Nach einer Erörterung des Verhältnisses von Literar- und Quellenkritik
, Formgeschichte und Redaktionsgeschichte (§ 1) werden die
Vorläufer der redaktionsgeschichtlichen Forschung und ihre Erkenntnisse
dargestellt (§ 2), um alsdann im Hauptteil (§§ 3-5)
nacheinander die Arbeit am Matthäusevangelium, am Markusevangelium
, am Lukasevangelium und der Apostelgeschichte zu
entfalten und zu würdigen und kritisch zu befragen. Dabei kommen
auch einige bisher noch nicht im Druck vorliegende Dissertationen
zu Referat und Auswertung. Der umfassende Bericht läßt
durch die Gegenüberstellung der verschiedenen Positionen erkennen
, wo es zu einer weitgehenden Übereinstimmung gekommen
ist und wo die offenen und strittigen Fragen liegen. Vorsichtig
deutet der Verfasser an einigen Punkten seine eigene Meinung
innerhalb der offenen Fragen der Forschung an. Im Blick auf
meinen eigenen Beitrag im Lukas-Kommentar darf ich bemerken,
daß drei mir entscheidende Punkte nicht zur Darstellung kommen,
nämlich die Präzisierung des Begriffs Heilsgeschichte auf die Heilstaten
Gottes, die bei Lukas bereits eine Beziehung zum werdenden
Kirchenjahr eingehen, die christologische Kategorie des Wanderers
und Gastes unter dem Blickpunkt des Besuches Gottes bei den
Menschen und das Verständnis der Rettung im Zusammenhang
mit Passion und Auferweckung Jesu bei Lukas unter dem Wissen
um die Gemeinschaft zwischen Gott und dem Christus und dem
Christus und denen, die sich ihm anschließen. Ein Bericht übergreifender
redaktionsgeschichtlicher Untersuchungen - G. Baumbachs
Studie über das Verständnis des Bösen in den synoptischen
Evangelien und Gnilkas Untersuchung der Verstockung Israels -
enthüllt, wie wesentlich für die redaktionsgeschichtliche Arbeit
monographische Behandlung und Vergleichung einzelner Sachfragen
innerhalb der verschiedenen Evangelien zu sein vermögen.
Eine abschließende Wertung der Redaktionsgeschichte zeigt die
Aufhellung des mißverständlichen Begriffs der Gemeindetheologie.
Sie wird in den von der Formgeschichte untersuchten kleinen Einheiten
und ihrer Ausbildung greifbar, und zu ihr tritt hinzu die
„Theologie der Evangelienverfasser", die als Repräsentanten der
Gemeinde zu verstehen sind und „in Anlehnung an die Gemeinde
und im Zusammenhang mit ihr" (S. 193) die Evangelien gestalten.
Ein ausführliches Literaturverzeichnis und eine Reihe von Anmerkungen
beschließen die nützliche und fleißige Arbeit.

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Beim Lesen fielen mir auf: S. 82 Z. 8 von unten: auf einer
Linie; S. 84 Z. 5: einen Bios; S. 90: Der tiefste Gegensatz der Kirche
des Matthäus mit dem Judentum - besser wohl: zum Judentum.
S. 128 wäre der dritte Punkt Conzelmanns Z. 16 von unten von dem
vorhergehenden Abschnitt abzusetzen. Nach der Zusammenstellung
von 1 und 2 sucht man den dritten Punkt, der durch Ausführungen
zu 2 von 1 und 2 getrennt wird und nicht mehr deutlich drucktechnisch
heraustritt. S. 152 Z. 16 von unten: parachrema statt ara-
chrema.

Eisenach Walter Grundmann

Schille, Gottfried: Anfänge der Kirche. Erwägungen zur apostolischen
Frühgeschichte. München: Kaiser 1966. 238 S. 8° =
Beiträge z. evang. Theologie. Theolog. Abhandlgn., hrsg. v.
E. Wolf, 43. DM 18,50.

Das die nt. Wissenschaft gegenwärtig beherrschende Bild von
der Geschichte der frühen apostolischen Zeit ist weitgehend durch
die Apg. bestimmt. Von Jerusalem aus missioniert die Urgemeinde
in Palästina. Diese Mission erreicht auch Antiochien, wo ein zweites
Missionszentrum entsteht, von dem aus ein hellenistisches
Christentum seine Missionsarbeit unternimmt. Der hervorragende
Vertreter dieser hellenistischen Mission wird sehr bald Paulus.

Auf den Wegen dieser Missionstätigkeit wird von Jerusalem
aus auch die „synoptische Tradition" in die Gemeinden getragen.
Sie kommt vom historischen Jesus her, wird nach Ostern kerygma-
tisch bearbeitet und erweitert und je länger desto mehr, besonders
in den Evangelien, historisiert. Die gegenwärtige nt. Wissenschaft
befragt diese Tradition vor allem nach den authentischen Überlieferungen
vom historischen Jesus.

Schille hält dieses Geschichtsbild in vielem für eine Fiktion. Es
beruht nach ihm darauf, daß man zu unkritisch dem lukanischen
Entwurf folgt, zu schnell die synoptischen Evangelien als Quellen
für die Frage nach dem historischen Jesus auswertet und sich von
bestimmten formgeschichtlichen Prämissen in die Irre führen läßt.

Er legt dar: Wenn man die Einzeltraditionen der Apg. untersucht
, so zeigt sich, daß es sich bei ihnen weithin um lokale Gemeindegründungstraditionen
handelt, die unlösbar mit ihren Ortsund
Personenangaben verbunden sind. Das gleiche Urteil ist aber
auch über die synoptischen Stoffe zu fällen. Diese müssen zunächst
von ihren topologischen Angaben her verstanden werden. Dann
sieht man, daß die synoptische Tradition eine Fülle von Lokaltraditionen
enthält. Diese Lokaltraditionen weisen auf voneinander
unabhängige, selbständige Urgemeinden hin, die je für sich auf
die Zeit Jesu zurückgehen. Ausgerechnet Jerusalem, angeblich die
Urgemeinde, liefert solche Traditionen erst aus relativ später Zeit.
Jerusalem ist selbst missioniert worden, keineswegs aber hatte
die Jerusalemer Gemeinde eine für die Kirche fundamentale Funktion
; das Oster-Zeugnis des Petrus und der 12 hat keinerlei umfassende
kirchengründende Bedeutung.

Der Erkenntnis, daß die topologischen Angaben in den Evangelien
einzelne verschiedene lokale „Kirchen" bzw. Gemeindegruppen
in Palästina erschließen lassen, entspricht die andere, daß es
unterschiedliche theologische Traditionen in der synoptischen Überlieferung
gibt. Man kann und muß versuchen, diese theologischen
Traditionskreise, die z. B. von den verschiedenen christologischen
Titeln, von liturgischen Stücken, von unterschiedlichen Missionsinstruktionen
usw. angezeigt werden, den einzelnen „Urgemeinden
" zuzuordnen. Dann zeigt sich aber, daß die Entstehung der
„apostolischen" Gemeinde in einem relativ späten Stadium der
geschichtlichen Entwicklung anzusetzen ist. Im Verlauf dieser Entwicklung
hat eine nordgaliläische Gruppe die maßgebliche Rolle
gespielt und sich schließlich auch nach Jerusalem hin durchgesetzt.

Dieser Versuch Schilies, die Frühgeschichte der christlichen Gemeinde
neu zu schreiben, ist im Prinzip positiv zu werten. Es ist
methodisch richtig, das lukanische Geschichtsbild radikal in Frage
zu stellen; denn dieses Geschichtsbild ist primär tendenziös. Es ist
ferner methodisch notwendig, die synoptische Tradition zunächst
daraufhin zu befragen, was sie über die Gemeinden aussagt, die
sie tradieren. Daß dieser Schritt zu schnell erledigt zu werden
pflegt, ist für die Erforschung der urchristlichen Geschichte wie
für die Frage nach dem historischen Jesus noch immer verhängnisvoll
. Es ist auch methodisch erforderlich zu untersuchen, ob nicht
entgegen vielen Auskünften der Formgeschichte die topographischen
Angaben in den Einzelüberlieferungen der synoptischen

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 3