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Ausgabe: | 1967 |
Titel/Untertitel: | Kirchen- und Konfessionskunde |
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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 2
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Im ganzen darf das Buch als besonders wichtige Veröffentlichung
auf dem Gebiet der jüngsten Kirchengeschichte angesehen
werden.
Der Verfasser gehört zur jüngeren Generation, die es zwar
schwer hat, in die Denkweisen der damaligen Zeit und in die oft
verworrenen und vielschichtigen historischen Zusammenhänge
einzudringen, weil sie aus eigenem Miterleben kaum über einen
Zugang dazu verfügt. Um so mehr ist es ihr möglich, mit Hilfe
sorgfältigen Studiums der Dokumente und ihrer verstehenden
Interpretation ein unvoreingenommenes Urteil zu gewinnen. Sie
hat jedenfalls den Vorteil, nicht durch Entscheidungen der
Kirchenkampfzeit persönlich engagiert oder gar festgelegt zu sein.
Wohltuend ist in dieser Hinsicht die Objektivität des Verfassers
, obwohl er die dämonische Gefährdung und verhängnisvollen
Fehlentscheidungen der DC mit aller Deutlichkeit sieht
(vgl. das auf S. XIII über einen „Exorzismus mit verbundenen
Augen" Gesagte).
Ein Quellen- und Literaturverzeichnis, Personen- und Sachregister
erleichtert die Benutzung des Buches.
Eberhard Klüge 1 -^
Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Zur geistig-religiösen Situation
der christlichen Konfessionen zwischen 1850 und 1860 (ZRGG 18,
1966 S. 193—219).
Peterson, Raymond A.: Jeremy Taylor on Conscience and Law
(Anglican Theological Review 48, 1966 S. 243—263).
KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE
Spul er, Bertold: Die Morgenländischen Kirchen. Leiden-Köln: Brill
1964. V, 244 S., 1 Falttaf. gr. 8° = S. A. aus Handbuch der Orientalistik
, I. Abt., VIII. Band, 2. Abschn. hfl. 2 8.-.
Unter „morgenländische Kirchen" versteht der V. die aus
den christologischen Streitigkeiten des 5.-7. Jahrhunderts hervorgegangenen
, oft auch „Nationalkirchen" genannten Gemeinschaften
, die nicht dem von Konstantinopel ausgehenden zentralisierenden
Einfluß unterstanden, die also nicht zu den byzantinischen
Kirchen gehören. Bekenntnismäßig sind sie entweder
monophysitisch oder nestorianisch. Monophysitisch sind die westsyrische
, die armenische, die koptische und die äthiopische Kirche;
nestorianisch die persische Kirche und — von Haus aus — die der
Thomaschristen in Süd-Indien. Eine Sondergruppe bilden die
Maroniten, deren Eigendasein mit dem Monotheletismus zusammenhängt
.
Über dieses im allgemeinen wenig bekannte Gebiet gibt der
V. einen eingehenden auf gründlicher Kenntnis der einschlägigen
Literatur beruhenden Überblick. Er stellt den Ursprung dieser
Kirchen dar und darüber hinaus ihre weitere innere und äußere
Entwicklung, besonders zur Zeit der islamischen Herrschaft, der
die meisten von ihnen Jahrhunderte hindurch unterstanden. Ferner
behandelt der V. ihre Glaubenslehre und ihre Disziplin. Für
das Schrifttum verweist er auf den III. Band des Handbuches. Die
grausamen Vernichtungszüge Timurs (um 1400) führten in nicht
wenigen von diesen Kirchen zu einem tiefen Verfall, sodaß zumeist
über die folgenden Jahrhunderte aus Mangel an Quellenmaterial
wenig zu berichten ist. Der V. stellt aber dann weiter
die wieder bekannte jüngste Geschichte dieser Kirchen dar. Auch
die Bemühungen Roms und verschiedener protestantischer Kirchen,
diese Ostkirchen wieder mit neuem Leben zu erfüllen, werden
durchaus sachlich und mit Sympathie behandelt. Der Geschichte
der mit Rom unierten Kommunitäten widmet der V. jeweils ein
kurzes Kapitel, wobei er die segensreichen Folgen der Union
offen anerkennt. Die feilweise sehr verwickelten Sachverhältnisse
stellt der V. klar und übersichtlich dar. Besonders instruktiv ist
die Tabelle auf S. 239, die die äußerst komplizierte Geschichte
der indischen Thomaschristen anschaulich vorführt.
Die recht umfangreiche Bibliographie kann bei einem so weitschichtigen
Thema nur eine Auswahl bieten. Manche neuere
Schriften, besonders von katholischer Seite, werden nicht genannt
oder erst in einem Nachtrag aufgeführt, ohne daß sie auf die
Darstellung Einfluß gehabt hätten. Zu wünschen wären auch Angaben
über die wichtigsten einschlägigen Zeitschriften. — Äußerst
begrüßenswert sind die Listen der Hierarchen der verschiedenen
Kirchen. Bei den Armeniern wird allerdings nur die Hauptlinie
der Katholikoi berücksichtigt. Auch die Listen der Patriarchen der
unierten Kirchen bringt der V. vollständig.
Das Ganze ist eine äußerst beachtliche Leistung, an der niemand
, der sich mit den Problemen dieser Kirchen auseinanderzusetzen
hat, vorbeigehen kann. Der Spezialist in Einzelfragen
wird allerdings bisweilen bedauern, daß gerade sein Spezialgebiet
etwas stiefmütterlich behandelt wurde, was freilich bei einem so
weit verzweigten Gegenstand kaum zu vermeiden war. Der
Spezialist wird auch in manchen Dingen die Auffassungen des
Verfassers nicht teilen und er wird einige Korrekturen anbringen
können. Es ist unmöglich, daß ein einzelner Gelehrter in all den
unzähligen Fragen, um die es hier geht, Fachmann sei.
Einige Einzelheiten: Über die Urgeschichte der persischen
Kirche (S. 120 ff.) läßt sich u. E. doch etwas mehr mit einiger
Sicherheit ausmachen, als es der V. wahrhaben will. Vgl. hierzu:
W. de Vries, Antiochien und Seleucia-Ctesiphon, Patriarch und
Katholikos? in: Melanges Eugene Tisserant, Band III (Studi e
Testi 233), Cittä del Vaticano 1964, 429—450. - Bei der Darstellung
der Dogmatik der Nestorianer (S. 149 ff.) vermissen wir
eine Würdigung der grundlegenden Bedeutung Babais des Großen
für die endgültige Festlegung der nestorianischen Lehre. In der
Liste der nestorianischen Katholikoi (S. 210) ist ein Irrtum zu
korrigieren, der sich freilich auch in der klassischen Monographie
Tisserants findet: Simon VII., 1538—1551, und Simon VIII.,
1551—1559, sind identisch. Das geht eindeutig hervor aus dem
Brief des Dominikaners Ambrosius Buttigeg an Papst Julius III.
vom 2 5. Januar 1 555 (s. G. Beltrami, La Chiesa Caldea nel secolo
dell'unione, Orientalia Christiana Vol. XXIX, Num. 8 3, Rom
1933, S. 149).
Was die Geschichte der Maroniten angeht, ist zu bemerken,
daß das Kloster des hl. Maron nicht von diesem selbst gegründet
wurde (S. 219), sondern an dessen Grab entstand (vgl. P. Dib,
Histoire de l'Eglise Maronite, Beyrouth 1962, S. 4). Die Gestalt
des hl: Johannes Maron (S. 219/20) ist völlig problematisch (vgl.
J. B. Chabot, Les origines de la legende de Saint Jean Maron,
Paris 193 5). Der V. zitiert nicht das älteste Zeugnis über die
Existenz eines maronitischen Patriarchats aus der Chronik des
Dionysius von Teil Mahre (s. J. B. Chabot, Chronique de Michel
le Syrien, Tom. II, Paris 1901, S. 511). — Das Maronitische
Kolleg in Rom (S. 222) existiert seit geraumer Zeit nicht mehr.
Wenn der V. bei der Darstellung der Geschichte der Thomaschristen
(S. 228) erklärt, die Auffassung der Abendländer des
16. Jahrhunderts sei gewesen, daß alle Christen, die nicht die
lateinische Liturgie besaßen, Häretiker seien und zur Annahme
dieser Liturgie gezwungen werden müßten, so ist das nun doch
übertrieben. Um die Mitte eben dieses Jahrhunderts kam es zur
ersten Union eines Teiles der Nestorianer, denen man die Beibehaltung
ihrer eucharistischen Liturgie gestattete. — Der Erz-
bischof Alexis Menezes war übrigens nicht Jesuit (S. 229), sondern
Augustiner.
Für die Darstellung der Geschichte der armenischen Kirche
(S. 240 ff.) sind manche wichtige neuere Veröffentlichungen
nicht berücksichtigt worden, so Narratio de rebus Armeniae. ed.
G. Garitte, Löwen 1952; C. Toumanoff, Christian Caucasia
between Byzantium and Iran, in: Traditio 1954, S. 109 ff.
V. Inglisian, Chalkedon und die armenische Kirche, wird zwar
(S. 267) zitiert, aber tatsächlich nicht ausgewertet.
Was die Geschichte der verschiedenen Teilunionen angeht,
sind dem V. manche Ungenauigkeiten unterlaufen. Johannes
Sulaqa (der erste katholische chaldäische Patriarch) starb nicht im
Gefängnis, sondern wurde ermordet. Er und seine Nachfolger
residierten nicht in Mossul (S. 210), sondern zunächst in
Dijarbakr und später in der Gegend des Urmia-Sees in Persien.
Die Union geriet langsam in Vergessenheit, sie wurde nicht durch
einen konkret faßbaren Akt aufgekündigt, wie es der V. (S. 164)