Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Spalte:

73-74

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Corbach, Liselotte

Titel/Untertitel:

Vom Sehen zum Hören 1967

Rezensent:

Rietschel, Christian

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

73

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 1

74

zu zeigen. Zu fragen ist vielmehr, ob man die betreffenden Methoden
so wenig modifiziert in den Religionsunterricht selbst einführen
kann. Es ist doch zu befürchten, daß solcher Unterricht
beim Durchschnitt der Lehrer in ödem Formalismus stecken bleibt.

Mag man an dieser Stelle über die zahlreichen anderen Fragen
etwa zur Theologie Bultmanns oder zur existentialen Interpretation
hinwegsehen (z. B. kann „ein Text die Hingabe des
Lebens fordern" I'83?) — man kann sich dieses Gesamteindrucks
nicht erwehren: Der eingeschlagene Weg muß im Einzelnen in seinen
didaktischen und methodischen Konsequenzen behutsamer
durchdacht werden. Die Entwürfe müßten vorher in der Praxis auf
ihre Verwertbarkeit geprüft worden sein, und zwar mehrmals,
bevor sie als ausgereifte Leitbilder Modelle für eine neue Handbücherei
abgeben können. Die auffallend vielen Ungenauigkeiten
und Druckfehler in den Literaturverzeichnissen und die zahlreichen
fehlerhaften Bibelstellenangaben des 1. Hefts lassen sich geradezu
als typisch für die etwas übereilt vorgelegten Arbeiten betrachten
.

Fragt sich noch, für wen sie eigentlich geschrieben sind. Der
Theologe jedenfalls wird mindestens die flott geschriebene Zusammenfassung
des 1, Bandes mit dankbarem Interesse lesen. Der PH-
Student und der weniger vorgeschulte Lehrer jedoch muß entweder
enttäuscht sein über die zu komprimierte Information oder er
ist überfordert, wenn es gar zu sehr im Stil einer bestimmten
theologischen Schule einhergehr (etwa 1/25). Für sie gibt es noch
manche Schwierigkeiten auf dem Weg zu dem Ziel, das sich die
HB gesteckt hat.

Schwäbisch Gmünd Hartmuf JeHrr

Corbach, Liselotte: Vom Sehen zum Hören. Kunstwerke im
Religionsunterricht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1965].
206 S., 9 Taf. gr. 8°. Kart. DM 16.50.

Die Verfasserin, Hochschuldozentin für Religionspädagogik
in Hannover, behandelt in einem ersten Teil die Frage der Verwendung
von Abbildungen christlicher Kunst im Religionsunterricht
. Sie geht dabei ebenso von grundsätzlichen Erwägungen —
Abwehr der Bildüberflutung, Bedeutung des Bildes für den christlichen
Glauben u. a. — wie von statistischem Material, Befragungen
und Erfahrungen aus und zieht daraus didaktische Folgerungen
. Der Religionsunterricht hat gegenüber aller anderen
Linterrichtung die Aufgabe und die Chance, über eine bloß
begriffliche Wissensvermittlung hinaus Glaubenshilfen zu vermitteln
. Die meditative Anschauung, bei der im Mittelpunkt ein
Bild christlicher Kunst steht und zum Sprechen gebracht wird,
kann ein Weg vom Sehen zum Hören des Glaubens sein.

In einem zweiten Teil werden sechs LInterrichtsmodelle auf
Grund genauer Stundenprotokolle entwickelt. Dabei kommen bei
verschiedenen didaktischen Situationen auch sehr verschiedene
Kunstwerke zur Sprache, und zwar Werke der frühmittelalterlichen
Buchmalerei, Holbeins, Rembrandts, Otto Münchs u. a.
Hier wäre zu fragen, ob die Auswahl der Bilder nicht noch
strenger und sachlicher sein sollte. Nicht jedes Bild biblischer
Kunst, nicht einmal jede Epoche der Kunstgeschichte ist dem
Kinde gleicherweise zugänglich und kann einer meditativen Betrachtung
zugrunde gelegt werden. Jedoch soll der Ansatz, zu
dem das Buch Mut macht, uneingeschränkt empfohlen sein. Jeder,
dem daran gelegen ist, daß der kirchliche Unterricht aus einseitiger
Intellektualisierung herausgelöst wird und zur Meditation
führt, wird dankbar sein für die Vermittlung zahlreicher
methodischer Hilfen. Gerade der Jugendliche der beginnenden
Reifezeit ist besonders ansprechbar durch das Bild und eignet
sich Sachverhalte durch bildliche Erläuterungen tiefer und nachhaltiger
an als durch nüchternes Lernen. Mit der Phantasie und
der Entdeckerfreude am Bild ist bei dem Jugendlichen auch zugleich
der ganze Mensch geweckt und aufgerufen, einen eigenen
Weg zu intensiver Kenntnis zu gehen, von der Anschauung zur
Erkenntnis, vom Sehen zum Hören. Sowenig sich eine solche
Unterrichtshilfe in eine systematische Methode einzwängen läßt,
sosehr ist sie abhängig vom Verständnis und der Fähigkeit des
Unterrichtenden, ein Kunstwerk durch Anschauung und Interpretation
zum Sprechen zu bringen. Insofern ist dieses Buch eine
notwendige Hilfe für alle Katecheten und Religionslehrer.

Radebeul Christian R i et s ch cl

VON PERSONEN
Tabula Gratulatoria Kurt Wiesner zum 60. Geburtstag

Kurt Wiesner, am 13. Januar 1907 in Breslau geboren, hat vor seinem
theologischen Studium sidi intensiv germanistischen und musikalischen
Studien gewidmet, die ihm eine große Weite der Bildung verliehen
haben. Er ist schöpferisch als freischaffender Künstler tätig, ehe er
sich dem Studium der Theologie in bewußter Entscheidung zuwendet.

Bedeutende Lehrer der Theologie wie z. B. die Neutestamentier
Hoennicke und Lohmeycr oder der Kirchenhistoriker Leube geben ihm
wahrend seines Theologiestudiums in Breslau bleibende Impulse. Vor
allem die Begegnung mit der neutestamentlichen Forschung hat in Kurt
Wiesners Auffassung von Theologie Spuren hinterlassen. Auch für sein
Wirken als Systematiker bleibt stets die biblische Fundierung von zentraler
Bedeutung.

Etliche Jahre ist Kurt Wiesner als Fakultätsassistent an der Breslauer
Theologischen Fakultät tätig gewesen und hat während dieser Zeit
über ein Thema der religiösen Volkskunde promoviert. Der Krieg reißt
dann den jungen Pfarrer in Grünberg aus einem weitverzweigten praktischen
Wirken heraus.

Nach dem 2. Weltkrieg zieht Kurt Wiesner als Pfarrer in Ichtershausen
und Weimar und als Studentenpfarrer in Jena Folgerungen aus
dem Erlebnis der Sinnlosigkeit des Krieges, indem er in öffentlicher
Wirksamkeit die zentrale Bedeutung des Friedensauftrages der Theologie
hetont. Als Freund und Schüler von Emil Fuchs konkretisiert er diesen
Friedensauftrag in der Einsicht, daß Sozialismus Frieden für den gesellschaftlichen
Bereich bedeutet.

In seinen Forschungen und Publikationen verbindet er soziologische
Einsichten und Notwendigkeiten mit einer bewußt lutherischen Bekcnnt-
nishaltung. Immer wird dabei die biblische Grundlage als Fundament
auch des gesellschaftlichen Engagements des Christen betont. Der Entwicklung
der Urgcmeinde und der frühen Christenheit gilt unter systematischen
Gesichtspunkten sein besonderes wissenschaftliches Interesse.

In der vielfältigen publizistischen Arbeit Kurt Wiesners dominiert
seine Tätigkeit als Redakteur und Mitherausgeber der Protestantisdien
Monatsschrift „Glaube und Gewissen". In zahlreichen bedeutsamen Aufsätzen
und Rezensionen in der Theologischen Literaturzeitung, der Deutschen
Literaturzeitung, der wissenschaftlichen Zeitschrift der Karl-Marx-
Universität Leipzig oder auch in seinen Buchveröffentlichungen bekundet
Kurt Wiesner als systematischer Theologe und Religionssoziologe bewußt
das bekenntnis- und schriftgebundene Glaubensanliegen als legitime
Grundlage seines wissenschaftlichen Arbeitens.

1958 kommt Kurt Wiesner als Professor mit Lehrstuhl für Systematische
Theologie und Religionssoziologie nach Leipzig. Seine ganze
Liebe gilt nun der Heranbildung des theologischen Nachwuchses. Sowohl
auf der Kanzel der Universitätskirche, wie auch auf dem Katheder ist
sein Ringen um eine gegenwartsmächtige theologische Aussage auf der
Grundlage lutherischen Bekenntnisses unverkennbar.

Zahlreiche amtierende Pfarrer sind ihm daher wegen der Anregungen
und theologischen Besinnung, die sie in Vorlesungen und Seminaren
von ihm empfangen haben, sehr verbunden. Hierbei ist die Weite auch
seiner kulturellen Interessen vielen lernenden Menschen hilfreich und bedeutsam
geworden.

Kurt Wiesner hat als Mann des theologischen Lehramtes, als Professor
und Prediger entschieden für den Friedensauftrag der Theologie
Partei genommen. Dafür sagen ihm Menschen verschiedenster Standpunkte
, insbesondere aber seine Kollegen und Studenten an seinem 60.
Geburtstag Dank.

Im Namen der Theologischen Fakultät der Karl-Marx-Universität Leipzig

Prof. Dr. Heinz Wagner, Dekan