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Ausgabe:

1967

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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handelt worden, und ihnen ist der meiste Platz eingeräumt worden
. Allerdings birgt das Gliederungsprinzip einen Widerspruch
in sich: Wenn eine ,biblisch-dogmatische Ordnung' vorgeschlagen
wird, müssen die ,Heilsergebnisse' (Geburt, Taufe, Verklärung
) einen breiteren Raum als die übrigen Themen einnehmen.
Vor allem im Mittelalter ist ja auch das Bildmaterial dafür häufiger
als für viele andere Motive. Wenn nun aber die ,Heilser-
eignisse' mit den ,Fakten des Lebens Jesu' identisch sind, und
wenn man berücksichtigt, daß gerade die Wundererzählungen
in der frühchristlichen Kunst sehr häufig vorkommen, und wenn
man schließlich in Betracht zieht, wie intensiv sich die Evangelisten
mit Wirken und Wundern Christi beschäftigen, dann erscheint
es verwunderlich, daß die Verf. für diesen Bereich im
ersten Bande ihres Werkes nur reichlich 30 Seiten von fast 200
übrig hat. Vielleicht könnten auch die zahlreichen Gleichnisse,
die doch im Neuen Testament eine große Bedeutung haben und
schon um 500 in der christlichen Kunst eine Rolle spielen - ich
denke da an den Mosaikzyklus in S. Apollinare Nuovo in Ra-
venna, der von der Verf. fast vollständig abgebildet wurde -
und die überhaupt keine Erwähnung finden, in einer zweiten
Auflage noch mit bearbeitet werden. (Oder sind sie in dem
Bande über Symbolik mit behandelt?) - So sinnvoll eine dogmatische
Gliederung zu sein scheint, sie hat eine große Schwierigkeit
für den interessierten Laien, für den ja das Werk in
erster Linie gedacht ist, auch darin, daß am Anfang das komplizierte
Thema von Jesus, dem Christus, abgehandelt wird. Wäre
es nicht sinnvoller, in einer „Einführung in die Ikonographie
der christlichen Kunst" zuerst mit den schlichten Formulierungen
der frühchristlichen Kunst zu beginnen und die schwierigen
mittelalterlichen Gedankengänge einer späteren Stelle vorzubehalten
?

Mit ausgezeichneter Sachkenntnis führt die Verf. den Leser
in Form und Gehalt der einzelnen Bildwerke ein. Sie hat sich in
bezug auf Umfang und Ziel des Werkes sinnvolle Grenzen gesetzt
und aus der Vielzahl der Bilder mit sicherer Hand die
wichtigsten ausgewählt. Allerdings kann man sich nicht immer
mit der Interpretation einverstanden erklären. Es ist nicht richtig
, den frühkonstantinischen Lateranensis 104 (Abb. 246; vgl.
S. 107 und 110) einen .dogmatischen Sarkophag' zu nennen (in
der Forschung zuweilen als „sogenannter" dogmatischer Sarkophag
bezeichnet). Mit Sicherheit dürfen wir erst beim Bassus-Sar-
kophag (Mitte des 4. Jhs.) von einem .theologischen Programm'
sprechen, erst beim Triumphbogenmosaik von S. Maria Maggi-
ore in Rom (erste Hälfte 5. Jh.) von einem .dogmatischen Programm
'. In der Frühzeit sind .theologische Reflexionen' bei einzelnen
Bildthemen denkbar, die Schlichtheit der Aussagen aber
verbietet es von selbst, an mehr zu denken. Auch sind theologische
Einflüsse' in jener Zeit auf Gesamtgestaltungen ganzer
Sarkophage oder Grabkammern in den Katakomben nicht nachweisbar
! Erst beim Triumphbogenmosaik von S. Maria Maggiore
v.'ird ein .dogmatisches Programm' entwickelt. Allerdings würde
ich auch hier der Deutung der Verf. widersprechen. Sie hat mit
Recht auf das Konzil von Ephesus 431 hingewiesen, auf dem
Maria zur Theotokos erklärt wurde (S. 37), deutet aber das Mosaik
im ganzen als christologische Aussage. Bei der Bedeutung,
die Maria in S. Maria Maggiore zukommt (beachte besonders
ihre Haltung und die kaiserliche Gewandung), kann man viel
eher von einer mariologischen als von einer christologischen
Aussage sprechen. Nebenfigur aber ist Maria keinesfalls. In diesem
Zusammenhange sei noch auf die Inschrift im Scheitel des
Triumphbogens hingewiesen, von der die Verf. sagt, sie bezeichne
„Christus als den Bischof und Herrn" (S. 38). Die Worte
lauten: „Xystus episcopus plebi dei" und heißen, richtig übersetzt
: Sixtus (gemeint ist Sixtus III.), Bischof (nicht Papst) des
Volkes Gottes.

Vielleicht darf aus der Fülle der Probleme, die hier nicht
mehr zur Sprache kommen können, noch eins erwähnt werden.
Die Verf. hat eingangs darauf hingewiesen, daß es ihr Anliegen
sei, die Anfänge und die Höhepunkte der Bildentwicklung"
(S. 12) aufzuzeigen. Könnte bei einer Neuauflage nicht noch einmal
durchdacht werden, ob gerade die Darstellung der Anfänge
nicht noch konsequenter durchgeführt werden müßte? Vgl. z. B.

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Hochzeit zu Kana (S. 172); Petri Fischzug (S. 176), wo das Mosaik
aus S. Apollinare Nuovo in Ravenna noch einmal herangezogen
werden sollte.

Schließlich sei auf einige Druckfehler verwiesen, die bei der
Lektüre auffielen: S. 48, 1. Spalte, Z. 19: muß heißen Abb. 15 statt
13. - S. 69, 2. Spalte, Z. 3: muß heißen 14. Jh. statt 4. Jh. -
S. 127, 1. Spalte, Z. 19: muß heißen Abb. 136 statt Abb. 137.

Erst die Auseinandersetzung mit einem Buche zeigt dessen
Wert. So ist es auch in unserem Falle. Wir wollten durch unsere
Kritik den Wert des Buches, der vor allem darin liegt, interessierten
Laien eine brauchbare Einführung in die Ikonographie
der christlichen Kunst zu vermitteln, keineswegs schmälern. Vor
allem der mittelalterliche Teil ist der Verf. trefflich gelungen
und beweist ihre reiche Kenntnis und ihre große Erfahrung. Unsere
Besprechung möchte vor allem dazu anregen, bei einer Neuauflage
die Anfänge christlicher Kunst und die dogmengeschicht-
liche Durchdringung des Stoffes noch einmal zu durchdenken.

Jena Joachim SchüfHer

Donner, Herbert, und Heinz C ü p p e r s : Die Restauration
und Konservierung der Mosaikkarte von Madeba (ZDPV 83,
1967 S. 1-33).

Lux, Ute: Der Mosaikfußboden der Menas-Kirche in Rihäb-

(ZDPV 83, 1967 S. 34-41).
Mittmann, Siegfried: Die Mosaikinschrift der Menas-Kirche

in Rihäb (ZDPV 83, 1967 S. 42-45).

PHILOSOPHIE UND
RELIGIONSPHILOSOPHIE

L e s s i n g , Eckard: Die Geschichtsphilosophie Ernst Troeltschs.
Hamburg: Reich 1965. 175 S. gr. 8° = Theologische Forschung.
Wissenschaftl. Beiträge z. kirchl.-evang. Lehre, hrsg. v. H.-W-
Bartsch, F. Buri, D. Georgi, G. Harbsmeier, J. M. Robinson, K.
Wegenast, XXXIX. DM 14.-.

L. legt uns hier seine Dissertation, die 1962 von der Theologischen
Fakultät der Universität Göttingen angenommen wurde
(ThLZ 89, 1964 Sp. 223-225), als Monographie vor. L. vertritt
die These, daß die Kontinuität im Werke Troeltschs nur am Leitfaden
der Geschichtsphilosophie sichtbar gemacht werden kann.
Von Ritsehl und den Ritschlianern trennt sich Troellsch, weil sie
der prinzipiellen Gleichartigkeit des historischen Geschehens und
dem mit der historischen Forschung gegebenen immanenten Lebensverständnis
nicht Rechnung tragen (11). L. unterscheidet bei
Troeltsch drei Entwicklungsperioden. In der ersten, die von
1895-1900 dauerte, kombiniert Troeltsch den enzyklopädischen
Aufriß von Schleiermachers Ethik mit Hegels Entwicklungsbegriff
, wobei er den Unterschied der Geschichte von der Natur
auf den des Psychischen vom Physischen zurückführt. Er bewegt
sich dabei im Gedankenkreis der Neoidcalisten Dilthey, T.otze,
Eiicken und Wundt. In der zweiten Entwicklungsperiode erkennt
Troeltsch die „Problematik des auf der Psychologie aufbauenden
Geschichtsverständnisses" (64), weil es auf Grund der Bindung
des Psychischen an das Physische die Geschichte in Abhängigkeit
von der Natur bringt. Er sucht den Ausweg aus dieser Schwierigkeit
beim Neukantianismus Rickcrtscher Prägung. Den Stand-
jmnkt der Be-wußtseinsimmanenz hält er fest, arbeitet ihn aber
zu einer apriorischen Theorie aus.....der psychologische Ansatz
ist fortgebildet zur Frage nach der Gültigkeit der Religion,
der Kunst, Ethik etc., die nur mit den Mitteln des Transzendentalismus
. . . beantwortet werden karm. Der Begriff der Gültigkeit
ist ein prinzipiell antipsychologischer Begriff" (81). Die
dritte Entwicklungsperiode setzt ein mit der Erkenntnis, daß der
Transzendentalismus in der „Neigung, ,alle Gegenständlichkeit
zu einem Erzeugnis des Denkens zu machen'", seine hauptsächliche
Problematik hat (114). Von da her stellt sich ihm die neue
Aufgabe, sein bisheriges Denkgebäude vom Begriff der Anschauung
aus umzuwandern. Dazu kommt die durch Max Weber vermittelte
Erkenntnis der soziologischen Bedingtheit alles historisch

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 12