Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Spalte:

942-944

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Inkarnation, Kindheit

Titel/Untertitel:

Taufe, Versuchung, Verklärung, Wirken und Wunder Christi 1967

Rezensent:

Schüffler, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

941

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 12

948

Angyal, a.a.O., S. 50 f.). Dieses Motiv kam wiederum weit älteren
Vorstellungen von der Gottesmutter entgegen, wie sie sich
in den orthodoxen Kirchenhymnen fanden (vgl. K. Onasch, Ikonen
, Berlin 1961, S. 407 f.). Frau Postnikowa-Lossewa hat den
V. Abschnitt „Die angewandte Kunst im 16.
und 17. Jh.' (S. 381-454) bearbeitet, während N. N. Woronin
schließlich den VI. und letzten Abschnitt »Überblick
über die Entwicklung der altrussischen Kunst"
(S. 455-478) schrieb, in dem aus marxistischer Sicht die gesellschaftlichen
und ökonomischen Voraussetzungen, die Entwicklung
und der Ausklang der altrussischen Kunst behandelt werden
. Woronin hat in jüngster Zeit u. a. ein zweibändiges Werk
über die Baukunst der nordöstlichen Rus' veröffentlicht (Zodöe-
stvo severo-vostocnoj Rusi, Bd. I Moskau 1961, Bd. II Moskau
1962). Sein ausgezeichneter kunsthistorischer Reiseführer „Wladimir
, Bogoljubowo, Susdal, Jurjew-Polskoj" ist in der sachkundigen
Übersetzung von G. Hallmann auch bei uns erschienen (Leipzig
1962). Für die Erforschung der altrussischen Hagiographie und
Ikonenmalerei schrieb W. zwei sehr interessante und anregende
Aufsätze: „Zitie Leontija Rostovskogo" i vizantijsko-russkie otno-
senija vtoroj poloviny XII v. (Die „Vita Leontijs von Rostov" und
die byzantinisch-russischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des
12. Jh.s), in: Vizantijskij Vremennik XXIII, 1963, S. 23-46 und:
Iz istorii russkovizantijskoj cerkovnoj bor'by XII v. I. Kul't Vla-
dimirskoj ikony (Aus der Geschichte des russisch-byzantinischen
Kirchenkampfes des 12. Jh.s. I. Der Kult der Ikone der Vladimirskaja
), ebendort, XXVI, 1965, S. 190-208. In dem Schlußkapitel
unseres Buches wird von W. vor allem der Vielseitigkeit,
der umfassenden Kenntnis und Begabung der altrussischen Architekten
gedacht. Dabei wird die besondere nationale Eigenart
der Baukunst in der Beseeltheit gesehen, die W. auf Grund der
altrussischen Lexik erschließt. Sie geht nach W. auf Überreste
einer animistischen Weltanschauung und den „naiven Materialismus
" des russischen Bauern zurück. Bei der Ikonenmalerei
werden eine Reihe formaler und inhaltlicher ästhetischer Erscheinungen
und Gesetze behandelt, so vor allem das graphische und
ornamentale Element und ihr Verhältnis zur Farbengcbung. Ornamentik
und Vorliebe für graphische Gestaltung werden ebenfalls
als sehr alte, in das vorchristliche Slaventum hinabreichende
Elemente dargestellt. Schon von dieser Formsprache her ergab
sich ein wesentlicher Unterschied zwischen der russischen und
der byzantinischen Sakralkunst. Für die erstere „sind ein viel
unmittelbareres Verhältnis zur Welt und die Fähigkeit typisch,
das Abstrakte in eine irdische, reale Aussage zu verwandeln und
das Komplizierte für das Volk verständlich zu machen" (S. 478).
Ahnliches wurde auch für die russische Sprache von Sprachforschern
festgestellt (nicht nur von marxistischen), wobei von ihnen
vor psychologischen Kurzschlüssen hinsichtlich einer Verbindung
von der Eigenart der Sprache mit der „Seele" gewarnt wird. Hingegen
sind die Beziehungen zwischen Sprache und geistigen Tätigkeiten
, zu denen auch die Kunst gehört, evident. W. bringt
deshalb eine Reihe von Beispielen aus der altrussischen Lexik.
Einiges aus seinen Ausführungen regt zur Kritik und Weiter
arbeit an. Die immer wieder herausgestellte Vorliebe der Nowgoroder
und nordrussäschen Schule für die rote Grundfarbe hat
eine auffällige Parallele, die sich übrigens auch auf andere stilistische
Züge erstreckt, bei griechischen und anderen balkanischen
Ikonen des 12. Jh.s (vgl. Weitzmann, Chatzidakis, Miatev,
Radojcic, Frühe Ikonen. Sinai, Griechenland, Bulgarien, Jugoslawien
, Wien und München 1965, S. XXIV zu Tafel 57, s. a. Tafeln
22, 99, 101, 117, 119 u. a.). Eine historisch-genetische Darstellung
der Farben und möglichen Farbensymbolik altrussischer
Ikonen zeigt sich dabei wieder einmal als eine notwendige Forderung
.

Warum die Nowgoroder Ikone der „betenden Nowgoroder"
.vom religiös ausgerichteten Thema eines Kunstwerkes völlig
Abstand" nehmen soll (S. 471) ist mir unverständlich. Natürlich
bringt diese Ikone als „Stifterbild" ein „Familienporträt"; es ist
aber zugleich als Anbetung oder Fürbitte (Deesis) zu verstehen.

Auf zwei die altrussische Kunst stark beeinflussende Erscheinungen
, die andererseits aufs engste mit den gesellschaftlichen
Problemen zusammenhängen, ist W. nicht eingegangen: die Ketzerbewegungen
, die u. a. auf die Konzeption eines so bekannten
und berühmten Bildes wie der Dreieinigkeitsikone von Rublev
Einfluß genommen haben (vgl. K. Onasch, Das Problem des Lichtes
in der Ikonenmalerei Andrej Rublevs, Berlin 1962) und die
altrussische Askese mit ihren ebenfalls komplizierten Einzelfragen
. (Hier sei nur ein interessanter und weiterführender Aufsatz
erwähnt: N. K. Golejzovskij, „Poslanie ikonopiscu" i otgoloski
isichazma v russkoj zivopisi na rubeze XV-XVI w. (Das „Sendschreiben
an einem Ikonenmaler" und das Echo des Hesychas-
mus in der russischen Malerei an der Wende vom 15. zum 16.
Jh.), in: Vizantijskij Vremennik XXVI, 1965, S. 219-238 mit Zitation
der Arbeiten von Lur'e, Kazakova, Klibanov u. a.

Mit diesem 4. Bande wird die Darstellung der altrussischen
und damit durch die orthodoxe Kirche bestimmten Kunst abgeschlossen
. Von Marxisten geschrieben, wurde sie mit Verständnis
und mit einem Höchstmaß an wissenschaftlicher Kenntnis
und vorbildlicher Koordination aller notwendigen Fachwissenschaften
, wie der Archäologie, der Restaurationswissenschaft und
-technik und der Kunstgeschichte selbst, zum bisher umfassendsten
Informationswerk, zu einer Enzyklopädie dieser Kunst.

Halle/Soale Konrad Onoich

Schiller, Gertrud: Ikonographie der christlichen Kunst. I:

Inkarnation, Kindheit, Taufe, Versuchung, Verklärung, Wirken
und Wunder Christi. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn [1966]. 235 S. Text, 585 Abb. a. 248 Taf. 4°. Lw.
DM 120.-.

Die Verf. legt hier, wie sie selbst sagt, eine „Einführung in
die Ikonographie der christlichen Kunst" vor, die „an Hand eines
umfangreichen Abbildungsmaterials einen weiteren Kreis an die
Vielschichtigkeit der ikonographischen Probleme heranführen"
will (S. 12). Nur der, der sich schon längere Zeit mit dem Gegenstande
beschäftigen durfte, wird ermessen können, welch
jahrzehntelanges intensives Bemühen sich hinter solch einem
Werke verbirgt. Gilt es doch, die Forschungsergebnisse von mehr
als fünfzig Jahren und ein schier unermeßliches Abbildungsmaterial
durchzuarbeiten und zusammenzufassen und die hierdurch
gewonnenen Erkenntnisse so darzubieten, daß interessierte
Laien, vor allem aber kirchliche Mitarbeiter, wie mir scheinen
will, sowohl für ihre erste Information, vor allem aber für ihre
praktische Tätigkeit Nutzen daraus ziehen können. Der Leser
erhält bei der Lektüre viele Anregungen und nimmt das Buch
nicht ohne Gewinn zur Hand. Man darf aber auch dem Verlag
sowohl für die vorzügliche Qualität der Abbildungen als auch
für die Gesamtausstattung des Bandes dankbar sein.

Der erste Band, der uns hier vorliegt, umfaßt zwei große
Themenkreise: Die Inkarnation des Gottessohnes und: Erstes
Auftreten und Wirken Christi. Dabei finden in dem ersten Themenkreis
solche Darstellungen Berücksichtigung, die sich mit
der .Vorgeschichte' der Erlösung und der Genealogie Christi, vor
allem aber mit seiner Geburt und Kindheit bis hin zum Zwölfjährigen
im Tempel befassen. Christi irdische Wirksamkeit wird
mit seiner Taufe eingeleitet, es folgen sodann Versuchung und
Verklärung, schließlich das Wirken Christi und die Wunder
Christi. - Das Gesamtwerk ist auf fünf Bände angelegt, in Band
2-5 sollen „die Ikonographie der Darstellungen zu Passion und
Auferstehung Christi", „Trinität, der erhöhte Christus, Maria,
Ekklesia, Altes Testament, Apokalypse und Weltgericht" und
„Symbolik" berücksichtigt werden.

Der Verf. ist es wichtig, daß nicht nur die Entstehung der
einzelnen Bildmotive und ihr Wandel im Laufe der Jahrhunderte
untersucht werden, sondern auch und vor allem deren „Zusammenhang
mit biblischen Texten, Dogma, Liturgie, geistlicher Literatur
und religiösen Strömungen" (S. 11), mit der theologischen
Typologie und der Symbolik. Bewußt hat die Verf. bei
der Gliederung auf die lexikalische Form verzichtet und die
„sinngemäß zusammengehörenden Themen. . . nach einer biblisch
-dogmatischen Ordnung besprochen" (S. 12). Die „Heilsergebnisse
sind zugleich die Fakten des Lebens Jesu". Auf Grund
dieses Gliederungsprinzips sind die Themen, die im .liturgischen
Festkreis' ihren festen Sitz haben, von der Verf. vorrangig be-