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Ausgabe:

1967

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Stakemeier, Eduard: Die Konzilskonstitution über die göttliche
Offenbarung. Werden, Inhalt und theologische Bedeutung
. Lateinischer und deutscher Text mit Kommentar. Paderborn
: Verlag Bonifacitts-Druckerei 1966. 268 S. gr. 8° = Kon-
fessionskundliche und kontroverstheologische Studien, hrsg.
v. Johann-Adam-Möhler-Institut, XVIII. Lw. DM 18.50.
Die dogmatischen Konzilskonstitution „Dei verbum" ist am
18.11. 1965 vom Konzil verabschiedet und vom Papst promulgiert
worden. Das vorliegende Buch trägt das Imprimatur vom
12. 4.1966. Stakemeier, der selbst im Auftrag des Einheitssekretariates
am Werden der Konstitution in verschiedenen Stadien
Anteil gehabt hat, schrieb seinen Berichts- und Interpretationsband
also sehr schnell nach der Beendigung der Konzilsverhandlungen
. Dafür ist ihm zu danken. Er stellte ein erstes, durchaus
brauchbares Arbeitsbuch zur Verfügung, das dem Bedürfnis nach
Information entgegenkam, zugleich aber genügend Material für
eine eigene Urteilsbildung enthielt.

Nach einer kurzen Einführung über den Stand der theologischen
Erörterung des Themas „Schrift und Tradition" in der vor-
konziliarcn Zeit behandelt Stakemeier in drei großen Abschnitten
zunächst die Entwicklung der lehramtlichen Äußerungen und
theologischen Erwägungen zum Thema, dann die Geschichte des
Offenbarungsschemas auf dem Konzil, schließlich den Text der
verabschiedeten Konstitution selbst, der abschnittsweise lateinisch
und deutsch wiedergegeben und kommentiert wird. Zum
Schluß wird zusammenfassend über die theologische Bedeutung
der Konstitution gesprochen. Es schließt sich an eine Wiedergabe
der wichtigsten Vätervoten während der Konzilsaussprachen
(nichtamtliche Texte), eine Zeittafel (nicht im Inhaltsverzeichnis
) und ein Epilog, der sich offenbar in letzter Minute vor
der Veröffentlichung des Ganzen mit einer kritischen Würdigung
der Konstitution in der Herder-Korrespondenz (April 1966) auseinandersetzt
und ihr gegenüber die sehr viel weniger kritische
Interpretationstendenz Stakemeiers verteidigen möchte.

Wir haben hier weder über die Konstitution selbst noch auch
etwa über die Probleme der Übersetzung des lateinischen Textes
ins Deutsche (Stakemeier benutzt eine an manchen Stellen bedenkliche
Übersetzung, die „im Auftrag der deutschen Bischöfe"
angefertigt wurde) zu sprechen. Vielmehr muß es ausschließlich
xm den vorliegenden Bericht und Kommentar gehen.

Zum Bericht ist zunächst zu sagen, daß Stakemeier die Konstitution
fast ausschließlich in die Geschichte des Problems von
„Schrift und Tradition" hineinstellt, den anderen Schwerpunkt
des Textes, den des Problems der katholischen Schriftauslegung
und -Verwendung, jedoch stark, in den Einleitungen so gut wie
völlig vernachlässigt. Dadurch gerät die Konstitution unter einen
etwas einseitigen Betrachtungswinkel. Dieser Betrachtungswinkel
wird zudem noch dadurch abgeflacht, daß die Geschichte des
Problems von „Schrift und Tradition" im wesentlichen als Geschichte
der Auslegung der tridentinischen Formulierungen dargestellt
wird, die übergreifenden und divergierenden Tendenzen,
sogar die der Traditionslehre Möhlers, von der der Text der
Konstitution durchaus auch bestimmt ist, jedoch keine Rolle spielen
. Hingegen sind die Verhandlungen verschiedener Gremien
des Ökumenischen Rates der Kirchen über „Schrift und Tradition
" stark berücksichtigt, wenn auch unter Betonung der der
katholischen Traditionslehre konvergenten Gesichtspunkte. Dies
alles mag aus dem Interesse des Dogmatikers und Kontroverstheologen
heraus verständlich erscheinen, beeinträchtigt aber
doch auch den Gesamtrahmen, in dem die Konstitution hier erscheint
und muß jedenfalls festgehalten werden.

Die Kommentare lassen eine sehr unmittelbare und lebendige
Beteiligung am Thema erkennen und zeigen außerdem überall
den intimen Sachkenner auch der konzlliaren Verhandlungen
selbst in ihren öffentlichen und verborgenen Tendenzen. Das
verhilft auch dem Leser zu einer intensiven Begegnung mit dem
Text. Allerdings werden sehr verschiedene Themen in einer oft
nicht ganz durchsichtigen Reihenfolge angeschlagen. Auch das
Genus der Rede wechselt zwischen speziell theologischen, mehr
erbaulichen und deutlich ökumenischen Partien. Der evangelische
Leser wird manchmal den Verdacht nicht los, als seien
die erbaulichen Ausführungen auch ihm zubestimmt. Aber mög-

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licherweise will Stakemeier damit nur den pastoralen Charakter
der Texte ans Licht bringen, und damit hätte er ja recht.

Über Einzelheiten der Interpretation läßt sich hier kaum debattieren
. Stakemeier will den Text im Sinn der offiziellen Relationen
erklären. Das scheint für einen solchen ersten berichtenden
und informierenden Band das richtige Prinzip zu sein,
auch wenn es dazu nötigt, die kritische Betrachtung sehr zurücktreten
zu lassen. Es gibt überhaupt nur einen Ansatz zu
einer kritischen Nachfrage an den Text der Konstitution, und
zwar dort, wo Stakemeier vermerkt, daß der endgültige Text
von VI, 21 gegen den Vorentwurf leider nicht mehr von der
Schrift als „norma et auetofitas" der Verkündigung rede. Aber
das wird dann auch noch entschuldigt (S. 196). Besonders unsicher
ist der Kommentar zu einem der heikelsten Probleme des
Textes und seiner Interpretation, nämlich zum Wachstum der
„pereeptio" der Tradition in der Geschichte der Kirche nach n, 8.
Stakemeier zitiert hier zunächst aus der Relation von Erzbischof
Florit, daß die Tradition „etwas Lebendiges" sei und „ein ihrem
Wesen entsprechendes Wachstum" habe, auch wenn ihr dabei
„nichts wesentlich Neues" hinzugefügt werde (S. 130). Er erläutert
dann den entsprechenden Satz des Textes selbst dahingehend
, daß er „die tiefere Einsicht in das Tradierte" meine (S.
131). Anschließend berichtet er über Bedenken von Konzilsvätern
wegen des möglichen Mißverständnisses, es könne »die
Tradition selbst zunehmen" (S. 131). Diese Bedenken werden
zerstreut mit der offiziellen Antwort von Erzbischof Florit, es
handele sich um eine „innere Entfaltung", „wie sie jedweder lebendigen
Wirklichkeit eigentümlich ist" (S. 132). Aber das steht
nun doch zu Stakemeiers Erklärung von der „tieferen Einsicht
in das Tradierte" in einer Spannung wenigstens der Setzung der
theologischen Akzente, insofern der Berichterstatter sich mehr
auf das Wachstum in einer objektiven Entfaltung des Tradierten
, der Kommentator hingegen sich mehr auf das Wachstum m
einer subjektiven Einsicht der Tradenten bezieht, während er
die Frage, was dabei mit dem objektiv Tradierten geschieht,
zurückzustellen und mit dem Hinweis auf die Abgeschlossenheit
und Unüberholbarkeit des Depositum revelationis zu begrenzen
sucht. Dieses Beispiel mag typisch sein für die Schwierigkeiten
der Interpretation und für die Interpretationstendenz
auch an einer Reihe von anderen Stellen. Stakemeier kommentiert
in bonam partem aus eigenem Anliegen und ökumenischem
Interesse. Dabei ist es nicht immer sicher, ob er wirklich im
Rahmen der offiziellen Relationen bleibt. Seine Ausführungen
zeigen aber deutlich, wie man in einem überwiegenden Teil der
deutschen katholischen Theologie die Konstitution verstanden
haben möchte, falls man sie nicht geradezu kritisch betrachtet
und kommentiert. Die Möglichkeit einer solchen Interpretation
auch im Sinne der größeren Anzahl der Konzilsväter kann natürlich
nicht bestritten werden. Stakemeier ist für sie ein beredter
, informierter und dem „ökumenischen" Gegenüber aufgeschlossener
Vertreter geworden.

Wo eine informierende, nichtkritische, aber doch dem Gewinn
eines eigenen Urteils dienende Berichterstattung über das
Offenbarungsschema gesucht wird, leistet das Staikemeiersche
Buch einen guten Dienst.

Naumburg Martin Seils

Bopp, Jörg: Die Erklärung über die Religionsfreiheit vom II.

Vatikanischen Konzil (ZEE 11, 1967 S. 193-217).
Gaß mann, Günther.- Konzil und Kirchenreform. Zum Dekret

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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 12