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Ausgabe:

1967

Spalte:

919-920

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Betz, Hans Dieter

Titel/Untertitel:

Lukian von Samosata und das Neue Testament 1967

Rezensent:

Nagel, Walter

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räumt. Sehr einleuchtend ist die Deutung der Politik Thrasa-
munds, über die die Meinungen bisher weit auseinandergingen;
er wollte eine Versöhnung. Besonnen werden die Courtois'schcn
Thesen über die kirchenpolitischen Machenschaften der letzten
Lebensjahre in Zweifel gezogen und m. E. widerlegt. Mit Recht
betont Diesner, daß Fulgentius viel zuwenig gewürdigt worden
ist, aber es bedurfte auch erst einer so lichtvollen Herausarbeitung
, besonders der praktischen Wirksamkeit des Bischofs, um
ihn gerecht zu beurteilen; er hat tatsächlich bisher viel zu
sehr im Lichte Augustins gestanden. Der Theologe Fulgentius
wird durch eine Zusammenstellung aller ihm eigentümlichen
Quellenformulierungen deutlicher als durch jede andere Methodik
patristischer Arbeit; Diesner beweist, dafj er auch die entlegensten
Dinge kennt und richtig einordnet Mit feinster Einfühlung
spürt er aber auch die Schwierigkeiten, denen der Bischof
ausgesetzt war und die erklären, warum er im Schatten
stehenblieb. Endlich ist als besonders wertvoll die Diskussion
der Beziehung zum Kaiser von Byzanz und der damit verbundenen
kirchenrechtlichen Ideen hervorzuheben. Hoffen wir, daß
uns der Verfasser noch mehr solche Monographien schenkt;
das Buch gehört zum besten, was in den letzten Jahren patri-
stisch erschienen ist. Wie wäre es einmal mit Lucifer von Cag-
liari?

Speyer a. Rh. Carl Schneider

Betz, Hans Dieter: Lukian von Samosata und das Neue Testament
Religionsgeschichtl. und iparänetische Parallelen. Ein
Beitrag zum Corpus Hellenisticum Novi Testamenti. Berlin:
Akademie-Verlag 1961. XIV, 287 S, gr. 8° = Texte und Untersuchungen
zur Geschichte d. altchristlichen Literatur, hrsg.
v. W. Eltester u. E. Klostermann, 76. Bd. = V. Reihe, Bd. 21.
MDN 36.50.

Diese von Herbert Braun angeregte Dissertation wurde von
der Evang.-theologischen Fakultät Mainz angenommen. Der
Verfasser ist 1963 als Ass. Professor an die Southern California
School of Theology in Claremont/California (USA) berufen worden
. Die Arbeit bringt in Teil I (S. 23-179) „Religionsgeschichtliche
Parallelen" und einem kleineren Teil II (S. 183-211) „Pa-
ränetische Parallelen". Die vier Abschnitte des Teil I behandeln
Mythen, Götter und Kultgebräuche, dann die Vorstellungen
über das Jenseits, darauf die Vorstellung vom „göttlichen Menschen
" und endlich Wundergeschichten. ,Edn unverkennbarer
Schwerpunkt der Darstellung liegt beim „göttlichen Menschen".
Die Bezeichnung „Parallelen" ist nicht ganz zutreffend, da der
Verf. t-ukian monographisch auswertet und dabei erheblich
über das ntl. Material hinausgehen muß, z. B. S. 48 „die göttliche
Vorsehung", S. 59 „Orakel". Teil II gibt Lukians Lasterund
Tugendkataloge, meist aus stoischer Herkunft, wieder; auf
die Erörterung ethischer Grundfragen wird verzichtet. Der Verf.
bedauerte es in einem Schreiben an den Rez., das Gnosispro-
blem nicht angeschnitten zu haben, als er es unternahm, die
weitschichtige Herkunft der von ihm zusammengestellten Parallelen
zu kennzeichnen. Imerhin gelang es ihm, das Material
ohne Rückgriff auf die Gnosis, die Lukian gar nicht gekannt
hat, ausreichend zu beschreiben. In Methode und Stil hat der
Verf. beweglich gearbeitet, indem er je nach Ergiebigkeit das
vorliegende Wort über den Begriff hin bis zum theologischen
Motiv verfolgte. Dabei ist eine anfänglich den Mitarbeitern
am Corpus Hellenisticum aufgetragene Obacht an der „Wendung
", d. h. an der Verwendung des Wortes im Satz, zu kurz
gekommen. Man wünschte, dafj Selbstverständlichkeiten wie die
Ablehnung der Schlangenverehrung bei Paulus (S. 37) und auch
Mißgriffe wie die Zuordnung des Vorhangs im Tempel (M 15,38
par) zum „Fetischkult" (S. 43) ungesagt geblieben wären.

Die Selbständigkeit des Verf.s erhellt aus der im Vergleich
zu Wetstein zumeist ganz anderen Verwendung von Lukian-
Stellen. So finden sich z. B. die von Wetstein bei Joh. 1,5 angegebenen
Lukian-Zitate bei Betz nicht wieder, wie auch diese
Stelle im Register nicht erscheint. Man muß deshalb zur Anlage
der Arbeit fragen, ob der Verf. nicht auf das seit 1925 verkartete
Material aus Wetstein selbst hätte zurückgehen sollen.

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Jetzt bedarf es einer Nacharbeit, das von Betz nicht aufgenommene
Lukian-Material in einen neuen „Wetstein" einzuordnen.

Jedoch macht der Verf. die Benutzung seiner Parallelen durch
brauchbare Register von respektablem Umfang (S. 253- 287)
leicht. Die Bibliographie (S. 215-S. 251) bringt die Literatur,
zu den beiden vom Verf. behandelten großen Sachfragen, vermeidet
aber wohl gemäß dem theologischen Ansatz von Betz
die Literatur zu Lukian selbst. Man kann mit erheblichen Gründen
gegen den Verf. (S. XI) der Meinung sein, daß auch die
Person Lukians als einer typischen Gestalt aus dem geistigen
Niemandsland zwischen Rom und dem Osten eine Bedeutung
habe.

Die Arbeit ist als Beitrag zum Corpus Hellenisticum angezeigt
. Diese Beiträge blieben bislang spärlich. Haben schon von
Dobschütz und Windisch darüber geklagt, daß die Verkartung
der ausgegebenen Aufgaben auf sich warten ließe, so ist nach
dem 2. Weltkrieg nach Almqvists Arbeit über Plutarch mit Betz
erstmals wieder literarisch das große, 1910 von Heinrici ins
Leben gerufene und fast vergessene Projekt eines „neuen Wetstein
" bekannt gemacht worden. Darum sei erlaubt, auf drei
zur Sache gehörende Schritte aufmerksam zu machen. In Halle
hat Dr. Nikolaus Walter 1955 einen ausgezeichneten, leider ungedruckten
Aufsatz über alle Einzelfragen des Werkes geschrieben
. Er hat weiterhin in Halle die Verkartung des jüdischhellenistischen
Materials abgeschlossen und in vierzehn Karteikästen
in Halle sichergestellt. Ergänzend hierzu hat van Unnik
1963 in seiner Leidener Rektoratsrede neben anderen Aspekten
des neuen Wetstein den pagan-hellenistischen Bereich des Werkes
umrissen. Eine Aufarbeitung des gnostischen und manichäi-
schen Materials kann nach dem heutigen Stand der Forschung
wohl noch kaum erwogen werden, zumal hierbei meist auf koptische
und syrische Texte zu verweisen wäre.

Am Ende sei anhand der Arbeit von Betz die Frage gestellt
, ob neben dem monumentalen Bestand des Theol. Wörterbuchs
zum NT das Corpus Hellenisticum oder der „neue Wetstein
" Anspruch auf Mitgeltung erheben kann, weil Überschneidungen
die Regel sein dürften. Die Frage ist indes nach anfänglichem
Zweifel doch zu bejahen. Innerhalb der Artikel des
Theol. Wörterbuchs werden Lücken sichtbar, sobald man mit
den Registern von Betz zum Vergleich ansetzt. Dasselbe gilt
hinsichtlich des Wörterbuchs von Bauer. Ferner ist es Zeit, das
vorliegende jüdisch-hellenistische Material anstelle des zur Exegese
vielfach wertlosen patristischen Gutes aus dem alten Wetstein
zugänglich zu machen. Ein neuer Wetstein, der sich in
Plan und Umfang dem alten Werk anschließt, wird sich durchsetzen
. Eine ganz andere Frage ist es, ob die theologischen und
philosophischen Voraussetzungen, unter denen Wetstein einst
arbeitete, heute noch Gültigkeit haben. Es scheint, als hätten
sie sich diametral geändert. Und hier liegen wohl die eigentlichen
Schwierigkeiten für die Schaffung eines neuen Wetstein.

Niederstriegis Walter Nagel

Altendorf, Hans-Dietrich: Die Siegelbildvorschläge bei Clemens
von Alexandrien (ZNW 58, 1967 S. 129-139).

B r o x , Norbert: Zum literarischen Verhältnis zwischen Justin
und Irenäus (ZNW 58, 1967 S. 121-128).

Gülzow, Henneke: Kallist von Rom, ein Beitrag zur Soziologie
der römischen Gemeinde (ZNW 58, 1967 S. 102-121).

Jossa, Giorgio: La Teologia della storia nel pensiero Christi-
ano d'el secondo secolo. Napoli: Morano Editore [1965]. 304 S.
8°.

M e 1 i t o n de Sardes: Sur la Paque et Fragments. Introduction,
texte critique, traduetion et notes par O. P e r 1 e r . Paris:
Les Editions du Cerf 1966. 276 S. 8° = Sources Chretiennes,
123. ffr. 27.-.

A Monk of the Eastern Church: The Prayer of Jesus,
its Genesis, Development and Practice in the Byzantine-Slavic
Religious Tradition. Translated from the fourth French edition
by a Monk of the Western Church. New York - Rom - Tour-
nai - Paris: Desclee Company [1967). 125S. 8°. Lw. $ 2.95.

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 12