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Ausgabe:

1967

Spalte:

897-901

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Porúbčan, Štefan

Titel/Untertitel:

Sin in the old testament 1967

Rezensent:

Eichrodt, Walther

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ti-gt das wichtige Ergebnis, daß keine gemeinsamen ,Leitfehler'
zu finden sind, die eine direkte Verwandtschaft beweisen könnten
. Beide Zeugen sind also voneinander unabhängig, ihre Übereinstimmungen
demnach um so höher zu bewerten.

Diese Übereinstimmungen werden in Kap. III nach der von
E. C. Colwell empfohlenen Methode der Mehrfach-Lesarten dargestellt
, also an jenen Textstellen, wo die Überlieferung in 3
oder mehr Lesarten mit gewichtiger Bezeugung auseinandertritt.
(Der Ausdruck .multiple method' ist nicht ganz logisch, hat aber
die Kürze für sich.) Dadurch wird die Verwandtschaft von P73
und B vor dem breiten Hintergrund der Varianten deutlich. Noch
klarer ist die nächste Kategorie, die gemeinsamen Sonderlesarten
von B und P75 gegen die ganze oder fast die ganze übrige
Überlieferung. Darunter sind Lesarten, die von einigen
oder mehreren Kritikern schon nach B allein für ursprünglich
gehalten wurden. Nun wird dies Urteil gestützt. Kap. IV und V
behandeln jene Eigenheiten von B, die als Beweise für einen
rezensierten Text galten, und zwar Kap. IV Orthographisches,
das ein Editor am leichtesten normalisieren würde, Kap. V stilistisch
und theologisch belangvolle Varianten, auf die vor allem
Lagrange hingewiesen hat. In beiden Fällen ergibt sich: B hat
gegenüber P75 keine systematische Revision erfahren. Schließlich
führt Kap. VI die singulären oder fast singulären Lesarten
von P75 und von B vor: sie sind meist ebenso auszuscheiden
wie vorher die offenkundigen Versehen. Doch bleibt bei B ein
größerer Rest von Beachtenswertem, ein weiteres Zeichen für
seine Qualität. Eine letzte Liste zeigt die Fälle, wo B mit starker
.alexandrinischer' Gefolgschaft gegen P;5 steht. Hier könnte
man am leichtesten eine etwaige Rezension feststellen, aber
auch hier ist keine Spur von Systematik. Über M.s Thema
hinaus zeigt diese Liste noch etwas anderes: die Stellen, wo
P76 den .byzantinischen' Text hat. der also hier früher nachzuweisen
ist als der Text der alten Unzialen!

M.s Schlußbetrachtung zieht in sehr besonnener Weise Folgerungen
, vorsichtiger als wir sie eingangs skizziert haben. Insbesondere
betont M., daß seine Materialbasis auf Lc begrenzt
ist und daß z. B. schon der Jo-Teil von P73 (P. Bodmer XV)
einige abweichende Züge hat. Und doch wird man seinen Ergebnissen
exemplarische Bedeutung zusprechen müssen.

Die neue Hochschätzung des Vaticanus, die sich aus M.s
Arbeit ergibt, bedeutet für unseren griechischen Bibeltext nun
allerdings keine Revolution. Der verbreitete Nestletext z. B. ist
ja die Widerspiegelung der großen Editionen der Jahrhundertwende
, die alle mehr oder weniger ausgeprägt B den Ehrenplatz
einräumen. So könnten sich Änderungen höchstens in einzelnen
Fällen nahelegen. Es dürfte interessant sein zu überprüfen
, welche praktischen Konsequenzen etwa Martini selbst für
die weiteren Auflagen der Merk'schen Ausgabe des Neuen Testaments
, die er weiterführt, aus seinen Untersuchungen zieht.
Im ganzen hat seine schöne Arbeit unser Vertrauen zur Sorgfalt
und zur Überlieferungstreue der alten Kirche und ihrer
Schreiber gestärkt.

Berlin Kurt Treu

ALTES TESTAMENT

Porübcan, Stefan, S. J.: Sin in the Old Testament. A sote
riological Study. Rom: Herder 1963. XVI, 631 S. gr. 8° =
Aloisiana, Scritti pubblicati sotto la direzione della Pontificia
Pacoltä Teologica Napoletana „San Luigi", 3. Lire 6.000.-.

Eine große, in die Tiefe der alttestamentlichen Theologie
hineinführende Aufgabe ist von dem Verf. in Angriff genommen
worden, und das Resultat seiner schon durch andere Studien
vorbereiteten Arbeit wird uns in einem gewichtigen Band
von über 600 Seiten vorgelegt, der in sachkundiger Weise den
gewaltigen Stoff, in drei Teile, einen terminologischen, einen
systematischen und einen historischen gegliedert, zu übersichtlicher
Darstellung bringt. Schon ein erster Überblick zeigt denn
such die fleißige und umfassende Behandlung des Themas und
läßt jeden am Alten Testament Interessierten mit Spannung
nach diesem Buch greifen.

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Die Näherbestimmung des Werks in Titel und Einleitung
als einer Soteriologie zeigt sogleich, daß nicht nur die Sünde
in ihrer Natur und Auswirkung erfaßt werden soll, sondern
ebenso die Erlösung von ihr mit ihren Konsequenzen in die
Betrachtung einbezogen wird. Damit ist die Aufgabe in ihrer
größten Spannweite gesehen und gewinnt bei der heutigen Problemlage
eine fast beängstigende Ausdehnung. Wer etwa die
umfangreiche Untersuchung von Klopfenstein über einen kleinen
Teil der alttestamentlichen Hamartiologie, nämlich die Lüge,
danebenstellt, wird gegenüber der Möglichkeit einer in ähnlicher
Weise arbeitenden Zusammenfassung des großen Zentralproblems
der Erlösung einige Zweifel hegen. Wie gedenkt also
der Verf. des vorliegenden Werks seine Aufgaben zu meistern?

Der erste Teil der Untersuchung bringt auf über 120 Seiten
einen Überblick über die Terminologie im Hebräischen und, sehr
viel kürzer, im Aramäischen und Griechischen, wobei neben
den Synonymen für Sünde auch die für Erlösung, Vergebung,
Sühne und Versöhnung berücksichtigt sind. Hier zeigt sich sofort
ein bedeutsamer Unterschied gegenüber dem oben zum
Vergleich herangezogenen Werke, dafi der Verf. nur das in den
Lexika vorliegende Material in systematischer Anordnung wiedergeben
will, was natürlich eine starke Begrenzung der Untersuchung
und damit Raumersparnis bedeutet, aber auch den
Verzicht auf wichtige Neuentdeckungen, wie das Vorwort S.XV
betont. Vielmehr geht es um die Zusammenstellung und neue
gründliche Durcharbeitung des bisher zugänglichen Materials.
So vermitteln in der Tat die zahlreichen und ausführlichen Stellenangaben
und Zitate einen guten ersten Überblick über die
Verbreitung der verschiedenen Wortstämme und ihren unterschiedlichen
Gebrauch bei den biblischen Autoren und zu verschiedenen
Zeiten. Daß Wünsche offenbleiben, ist natürlich;
so vermißt man ungern die Wurzeln !"!N3. Ü*ft, fnaj und
neben dem angeführten tpn auch TlT und TW- .

Der zweite Teil über „die Natur der Sünde" (ca. 270 S.) gibt
zuerst einen kurzen Überblick über die Auffassung der Sünde
in der altorientalischen Umwelt Israels, um dann Begriff und
Psychologie der Sünde, ihre Folgen, ihre Beziehung zur göttlichen
Heiligkeit, ihre Vergebung, ferner ihre Wirkung auf den
Opferdienst und ihren Einfluß auf die soziale Verantwortung
und Solidarität zur Verhandlung zu bringen. Dabei werden die
zu den hier entfalteten Aspekten der Sünde gehörenden biblischen
Aussagen sehr ausführlich und oft in wörtlicher Wiedergabe
mitgeteilt, da und dort kurz erläutert und durch eine
knappe Zusammenfassung ihres Beitrags zum Verständnis der
jeweils diskutierten Problematik in ihrem Wert hervorgehoben.
Diese breite Entfaltung des biblischen Materials ist sehr dankenswert
und wird für jede weitere Untersuchung des Themas
eine wichtige Hilfe sein. Der große Raum, den die wörtliche
Anführung der biblischen Zitate einnimmt, darf allerdings nicht
darüber täuschen, daß hier auch starke systematische und dogmatische
Intentionen am Werke sind und die angeführten biblischen
Zeugnisse in sehr verschiedenes Licht stellen und auch
wohl die Übergehunq mancher im gewählten Rahmen nicht
unterzubringender Aussagen zur Folge haben (s. u.).

Im historischen dritten Teil (ca. 185 S.) wird eine Geschichte
der Sünde von Adam bis zur Herstellung des neuen Himmels
und der neuen Erde zu geben versucht, wobei es dem Verf.
freilich nicht um eine Geschichte des Sündenbegriffs in Israel
im Rahmen der durch die kritische Forschung vorgezeichneten
Linien geht, sondern um die Entfaltung einer Soteriologie auf
dem Grund der in ihrer jetzigen Gestalt hingenommenen Texte
des Alten Testaments. Sie scheinen ihm zu genügen, um nach
der Schilderung des Ursprungs der Sünde ihren Folgen und
gleichzeitig der fortschreitenden Erlösung von ihr nachzugehen,
wobei eine Reihe von Bundesschlüssen (Noahbund, Abrahambund
, Sinaibund, Davidsbund), die Leitlinie zur Nachzeichnuna
der Überwindung der Sünde darbieten. Diese Linie führt aber
über die Geschichte hinaus zur Weissagung vom neuen Bund
und vom neuen Himmel und der neuen Erde, und in diese"
beiden umfangreichen Abschnitten entfaltet sich erst das eigentliche
Interesse des Verf.s an einer alttestamentlichen Soteriologie
, um mit dem universalen Ausblick auf dir neue Mensch-

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 12