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Ausgabe: | 1967 |
Spalte: | 893-895 |
Kategorie: | Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Seiler, Christoph |
Titel/Untertitel: | Die theologische Entwicklung Martin Kählers bis 1869 1967 |
Rezensent: | Satlow, Bernt |
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Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 12
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zweite auf die Auslegung des Gesetzes" bezieht, das HTJpvaat UV
also den „Charakter der Heilsansage und Heilszusage" hat und
„auf das ^lad'TTe'Uet.V zielt, dem das eigentliche .Lehren'
d-.nn erst noch folgt"*5, ist in der nachösterlichen Situation von
28,19 f. an die Stelle des „Verkündigens der Gottesherrschaft" die
Taufe getreten, auf die dann das Lehren und Tun der Gebote
folgt. Die Verkündigung der genahten Gotteslierrschaft ist also
in 28,19 f. auf die Situation der nachösterlichen Kirche übertragen
und ekklesiologisch konkretisiert worden. Mit der zu Ostern
Ereignis gewordenen Entschränkung der Vollmacht Jesu ist zugleich
die Entschränkung des Missionsbereiches gegeben: Nicht
mehr Israel, sondern der Weite der Völkerwelt gilt jetzt die vollmächtige
Botschaft. In 28,18-20 wird darum die Zielrichtung der
Hcilsgeschichte und des Evangeliums sichtbar, die im Blick auf
die Mission in Kap. 10 ihr Anfangsstadium hat und über 24,14
und 26,13 zu 28,19 ansteigt3r Das von Matthäus in den beiden
aus der Tradition entnommenen Stellen 24,14 und 26,13 zu
£vT£AAecJ©0£t hinzugefügt TOUTO empfängt dann aber seine
Interpretation von 28,19 her, ebenso auch das HTJOUX^fjVat
denn „dieses Evangelium", das Matthäus in seinem Buche darbie-
tet38, hat ja in 28,18-20 seine bleibende, für die Kirche gültige
Form gefunden37. „Verkündigung" dieses Evangeliums heißt
dann: Eingliederung in die Bruderschaft und Dienstschar der
Kirche, die dieses Evangelium lebt. Da im Zentrum dieser Botschaft
die barmherzige Liebe steht, die Jesus als das Wesen des
himmlischen Vaters verkündet und die er selbst in seinem Verhalten
zu den Zöllnern und Sündern vorgelebt hat, wird verständlich
, dafi in 26,13 gesagt wird, in der „Verkündigung" „dieses
Evangeliums" werde auch die Erinnerung an die Liebestat
der unbekannten Frau aufbewahrt. „Dieses Evangelium" wird
darum dort „verkündet", wo die Gottesliebe gelebt und dadurch
der Vater im Himmel verherrlicht wird; denn gemäfj 5,16 sollen
die „guten Werke" dazu dienen, daß „die Menschen euren Vater
im Himmel verherrlichen". Einer Gemeinde, die in dieser Weise
zu den Menschen hin unterwegs ist, gilt das letzte Wort Jesu
im Mt.: „Siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zur Vollendung
der Weltzeit" (28,20). Die Missionsverpflichtung der Kirche gründet
demnach in der Christologie, das Missionsverständnis ist
durch die für Matthäus typische Verknüpfung von Eschatologie
und Ethik bestimmt, die Darstellung der Mission erfolgt in diesem
Evangelium unter dem heilsgeschichtlichen Vorzeichen: von
Israel zu den Völkern der Welt - in völliger Entsprechung zu
der matthäischen Christologie.
") F. Hohn, ooO., S. 104 f.
) Die gleiche Richtung zeigt 11.27, das auf 28,18, zielt, und 1,21, das sich
in 26,28b vollendet. Auch 2,2.8.11, wo ausgerechnet die Magier als die niedrigsten
der Heiden Jesus anbeten, während Herodes als Repräsentant des
jüdischen Volkes auf Verfolgung sinnt, tendiert auf 28,19 f. und stellt eine Vorabbildung
der zu Ostern geschehenen Wende dar (vgl. ferner 4,IM.24; 8,5 ff.;
12,18.21; 13.37f.47 f.; 15,29 ff.).
3") Vgl. dazu M. Dibelius: Die Formgeschichte des Evangeliums, 1961', S. 264
A. 1: „Matthäus kann mit Recht sagen: .dies Evongelium, dos ich in meinem
Buche darbiete".
J/) Wir halten es deshalb für methodisch verfehlt, wenn F. Hahn, aaO..
S. 104 ff., bei seiner Darstellung des matthäischen Missionsverständnisses ausgerechnet
von 24,14 ausgeht und sich ganz darauf konzentriert, da hier eine
Parolleltradition zu Mk. 13,10 vorliegt (vgl. W. Marxsen: Der Evangelist Markus.
1959* f,. 80 f. 137 f.; G. Strecker, aaO., S. 128 ff.). Indem Hahn Mt. 28,18-20 unter
der Uberschrift: „Das hellenistische Judentum" (aaO., S. 48 ff., bes. 54 ff.) behandelt
und die redaktionellen Eingriffe des Matthäus zwar registriert, ober
nicht auswertet, muß sich notwendigerweise eine Verzeichnung des motthäischen
Missionsverstöndnisses erqeben.
ALLGEMEINES
Seiler, Christoph: Die theologische Entwicklung Marlin Käh-
lers bis 1869. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn
1966. 162 S. gr. 8° = Beiträge z. Förderung christlicher Theologie
, hrsg. v. P. Althaus, H. Dörries u. J. Jeremias, 51. Lw.
DM 22.-.
Die Forschung wäre gut beraten, wenn sich häufiger ein
solch ergiebiger Nachlaß erhalten hätte, wie das bei Martin
Kahler (=K.) offenkundig der Fall ist. Lange Zeit waren nur
Teile dieses Nachlasses bekannt. 1960 wurde ein geschlossener
Bestand mit gewichtigem Umfang von dem jüngsten Sohn K s,
dem 1962 verstorbenen Historiker Siegfried A. Kachler, der
Universitätsbibliothek in Göttingen übergeben. Neben handschriftlichen
Aufzeichnungen und Entwürfen (darunter „Späne
von der theologischen Hobelbank") sind darin vor allem Briefe
von und an K. aus den Jahren 1852 bis zu seinem Tode 1912
enthalten. Gerade der Briefnachlaß ist vielleicht noch Ergänzungen
fähig, und so hat Prof. Ernst Kahler in Greifswald unlängst
(vgl. Deutsches Pfarrerblatt November 1966) einen Appell
an die Öffentlichkeit gerichtet, noch im Privatbesitz befindliche
K.-Briefe der Handschriftenabteilung der Göttinger Universitätsbibliothek
zu überlassen bzw. in Kopien zugänglich zu machen.
Uber den jetzt vorhandenen Bestand wurde vom Verfasser der
hier anzuzeigenden Arbeit ein Nachlaßverzeichnis aufgestellt.
(Gern würde man in seinem Buche Näheres über das öfters
zitierte „Briefkränzchen" erfahren.) In seiner von der Theologischen
Fakultät in Münster im Mai 1964 als Dissertation angenommenen
Untersuchung hat S. es unternommen, den Nachlaß
ausschließlich nach seinem theologischen Gehalt auszuwerten,
und zwar bis zu dem durch das Jahr 1869 für K. gegebenen
Einschnitt. Ein „Ausbück" beleuchtet die Stellung K.s und des
von ihm stark beeinflußten Cremer gegenüber Ritsehl, dessen
erster Band von „Rechtfertigung und Versöhnung" 1870 erschien
. Die Arbeit versteht sich also als „theologische Bioqra-
phie" (S. 14f.), und man muß sagen, daß ihr d'cse strenge und
kluge Beschränkung nur zugute kommt. Anhand des neuen Materials
ergeben sich neue, wertvolle Gesichtspunkte für die
theologische Einschätzung K.s und seine theologiegeschichtliche
Einordnung. In seinen Publikationen tritt K. bereits als fertiger
Theologe vor die Öffentlichkeit. Hier aber, in der Fülle von Briefen
aus den Studien- und Privatdozenten jähren lassen sich die
Hauptlinien der theologischen Entwicklung K.s in dieser Zeit mit
großer Anschaulichkeit ablesen. Es bietet sich ein stellenweise
geradezu fesselnder Einblick in die Brunnenstube seines Werdens
und Wachsens. Die hauptsächlichen Gesprächspartner, mit denen
sich K. austauschte, waren der im Pfarramt stehende Vater, die
Freunde Leopold Witte (über dessen Tholuck-Biographic sich K.
und Cremer übrigens sehr kritisch äußern, vgl. S. 16 und Anm.
582), Carl Bertheau, Hermann Cremer, der Basler Theologe
K. A. Auberlen. Ein Vorzug dieser neuerschlossenen Quellen ist
auch, daß sich K. hier natürlicherweise offener über die zeitgenössischen
Strömungen und deren Vertreter ausspricht als in seinen
literarischen Veröffentlichungen, in denen er persönliche Polemik
weithin meidet. Man erfährt nun auch (Anm. 543), daß bei
den 1926 im Band „Theologe und Christ" ausgewählten Briefen
Äußerungen K.s gegen Ritsehl und die Ritschischc Schule unterdrückt
sind. S. geht so vor, und man dankt es ihm, daß er bei den
einzelnen Abschnitten seines Buches ständig die sclbstbiographi-
schen Aufzeichnungen K.s, die der fast Fünfzigjährige 1883 niederlegte
und die im ersten Teil von „Theologe und Christ" veröffentlicht
sind, zum Vergleich heranzieht. Das viel unmittelbarere
Briefmaterial läßt manche Entwicklungslinie in einem
neuen Licht erscheinen, einiges muß ergänzt, anderes korrigiert
werden.
S. wählt das Jahr 1869 als Begrenzung, weil im Dezember
dieses Jahres K. die Einleitung zu einer Darstellung der Lehre
von der Versöhnung geschrieben hat (veröffentlicht erst 1898
im zweiten Heft der „Dogmatischen Zeitfragen"). Mit dieser Studie
ist Ks theologische Entwicklung zu einem gewissen Abschluß
gelangt. Er hat hierin einen eigenständigen Entwurf zur
Theologie seiner Zeit vorgelegt, man findet hier den theologischen
Ansatz K.s. S. arbeitet auf Grund seiner Quellen vier
Hauptprobleme heraus, die K. im behandelten Zeitraum beschäftigt
haben und für die er Lösungen angestrebt hat. Es sind
dies die theologische Erkenntnislehre, das „Ansehen der Heiligen
Schrift", die Rechtfertigungslehre, die Christologie. Schärfer
und genauer als es sich in K.s Selbstbiographie und auch in
der von Ernst Kahler herausgegebenen „Geschichte der protestantischen
Dogmatik im 19. Jahrhundert" erkennen läfjt,
tritt hervor, in welcher Weise K. von seinen Lehrern, die er in
Heidelberg, Halle und Tübingen hörte, und von den Theologen,
die er damals oder später aus ihren Werken kennenlernte, beeinflußt
worden ist. Vor allem Julius Müller, Rothe, Beck, Hof-