Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Spalte:

889-893

Autor/Hrsg.:

Günther Baumbach

Titel/Untertitel:

Die Mission im Matthäus-Evangelium 1967

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

889 Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 12 890

Die Mission im Matthäus-Evangelium

Von Günther Baumbach, Berlin

Herrn Prof. D. Foscher in Dankbarkeit zur Vollendung des 70. Lebensjahres

Ein sehr wichtiges theologisches Problem in der Gegenwart Evangelisten anzusehen ist. In die gleiche Richtung weist die

besteht in der Durchdenkung der Aufgabe der Kirche in einer gegenüber Mk. und Lk. häufigere Benutzung von

sich ständig ändernden Welt. Die Schwierigkeit dieser Fragestel- EVTEXXeoÖOCt13 und von TTJpECV14.
lung gründet nicht nur in den vielfältigen Möglichkeilen einer

Beurteilung der uns umgebenden Welt, sondern auch in dem In en9ster Verbindung mit diesen drei Begriffen steht in

Fehlen einer einheitlichen Sicht von der Kirche und ihrem Auf- 28-19 noch das Wort TtopeueaöoCl, wodurch das Jüngersein

trag inmitten ihrer Umwelt1. Von den vielen Stimmen im Chor als ein Unterwegssein gekennzeichnet wirdir', das unter dem

der neutestamentlichen Zeugen wollen wir jetzt auf eine hören, Befehlswort des erhöhten Herrn steht und auf die EdVT} ausge-

und zwar auf die des Evangelisten Matthäus, der aus seiner Si- richtet ist. Die Voraussetzung der Mission ist demnach der er-

tuation heraus für seine Gemeinde eine Antwort auf unsere Frage höhte Herr mit se;nem vollmächtigen Wort, wovon in 28,18 b

zu geben versucht hat. ^ die Rede ^ Indem hier das passjv £56^ Umsdlreibung de»

Handelns Gottes ist, soll zum Ausdruck kommen, daß Gott es ist.

Wenn wir uns die von Matthäus zur Beschreibung der Mis- der dem Erhöhten „alle Vollmacht" verliehen hat. 11,27 ist dann

sionsaufgabe verwendeten Begriffe ansehen, so fällt auf, dafj der als Vorabschattung dieser Vollmachlsverleihung anzusehen, wo-

übliche Terminus MTipucroEtV gegenüber Markus stark zu- durch die Kontinuität des irdischen mit dem erhöhten Jesus un-

rückgetreten ist und niemals in redaktionellen Wendungen zur terstrichen wird. Indem Matthäus im Unterschied zu Markus

Bezeichnung des den Jüngern gegebenen Auftrags benutzt wird2. (vgl. 1,27!) die Vollmacht Jesu auf seine Lehre (vgl. Mt. 7,29)

Das gleiche gilt für die Termini u"d die Sündenvergebung (vgl. Mt. 9,6) eingrenzt, zeigt sich, daß

_. ' . „ _ , , sie auf ein Wortgeschehen bezogen ist. Von hier aus gesehen

OV lidcpTVC4 itttOareXAetV" l,egt es ' 6§0UOta von V. 18 als die schöpferische Kraft

* und Wirkungsmächtigkeit seines Wortes zu begreifen. Es geht

und OfloXOYetV«. Di eser statistische Tatbesland läfit von demnach hier weder wie in Dan. 7,13 f. um die Ablösung der

vornherein vermuten, daf? die Aufgabe der Kirche im 1. Evange- Herrschaft der Weltmächte durch den Menschensohn16 noch wie

lium weder - wie bei Paulus - in der Verkündigung von Jesus in Phil. 2,10 f. um die Unterwerfung aller überirdischen, irdi-

als dem Gekreuzigten und Auferstandenen7 noch - wie bei Lu- sehen und unterirdischen Gewalten unter die Botmäßigkeit des

kas - in der Predigt von Burje und Vergebung der Sünden8 noch Kyrios Jesus. Es geht hier überhaupt nicht um Ende und Anfang,

- wie bei Johannes - in dem Zeugnis von Christus als dem wah- sondern um Vollendung: um die von Gott durch Jesu Erhöhung

ren Offenbarer Gottes und dem Weg zum Vater9 besteht. Statt der vollzogene Ingeltungssetzung von Jesu Wort, um die göttliche

erwähnten typischen Missionstermini bevorzugt der 1. Evange- Legitimierung des »einmal" gesprochenen Wortes des irdischen

list zur Charakterisierung der Aufgabe der Jünger und der in Jesus, das damit zum .ein für allemal" gültigen Gotteswort wird,

diesen dargestellten Kirche10 solche Ausdrücke, die im Mk. und Die einzige .Macht, die zu sagen hat"17, ist jetzt Jesus Christus,

Lk. überhaupt nicht oder nur am Rande auftauchen und die sejn wort hat universale Bedeutsamkeit. Mit der Erhöhung ist

darum die Besonderheit des Matthäus hinsichtlich unseres The- aiso unabtrennbar die Verpflichtung zur Missionierung der Welt

mas anzeigen. gegeben.18 Doch wie soll diese Missionierung vor sich gehen?

An erster Stelle sind die Begriffe zu nennen, die sich in den
Schlufyversen dieses Evangeliums finden und denen darum eine

ganz besonders wichtige Bedeutung zukommt. In diesem söge- II.
nannten „Missionsbefehl", der den Höhe- und Zielpunkt des Mt.

darstellt11, werden drei Termini gebraucht, denen wir uns ge- Als das Ziel der Missionierung der mit EdVTJ gemeinten uni-
nauer zuwenden müssen. Es handelt sich um fJCt&TJTEVE tV versalen Völkerwelt wird in 28,19 f. angegeben, diese zu Schülern
evayyihlOV und TTJpEtV. Das zuerst angeführte Wort zu machen durch das Taufen auf den Namen des Vaters und des
kommt nur bei Matthäus vor, der es in seinem redaktionellen Sohnes und des Hei,i9en Geistes und durdl das Lehren dc,r An"
Abschluß der Gleichnisrede 13,51 f. verwendet undin 27,5712 Ordnungen Jesu. Das zuerst gebrauchte Verb Lta9r)TEUE IV
redaktionell eingefügt hat, so dafj es als ein Vorzugswort des 1. macht deutlich, daß es bei dieser Mission darum geht, die EÖVT)
- T , zu Lernenden dessen zu machen, der gemäß 23,8 allein „Lehrer"

) Vgl. F. Hohn: Dos Verständnis der Mission im Neuen Testament, 1963, " ' .

s. of., Und e. Käsemann: Einheit und Vielfalt in der neutestamentlichen Lehre genannt werden darf. Da aber, wie 23,8-11 erweist, alle dieie-

von der Kirche in: Exegetische Versuche ll, 1W4, S. 262-267 nigen, die unter Jesu Lehrautorität stehen, untereinander Brüder

') Mt.: 9a; Mk.: 14X1 Lk.: 9x. In Bezogenheit auf die Junger nur in der ein ^

besonderes Problem darstellenden Aussendungsrede 10,7.27 = Lk. 9,2; 12,3 (Q- -

Tradition), in 24,14 = Mk. 13,10 (Mk-Tradition) und in 26,13 = Mk. 14,9 (Mk- '-') Mt.: 5(4) ; Mk.: 2 .; Lk.: Ix. Da Matthäus den Forderungscharakter des
Tradition); vgl. dazu unseren Abschnitt III. Gottes- und Jesuswortes stark unterstreicht (vgl. bes. c. 5—7), durfte die in 15,4
3) Mt.: 1 ; Mk.: 0 ; Lk.: 10 , im Mt. nicht auf die Jünger bezogen. von « «c K gebotene LA O Peöc, iveTeiAorro tyu)V ursprünglicher sein als
') Mt.: 6Xi Mk.: 7 -; Lk.: 7x; Uapnjpttv gilt Im Mt. niemals Jüngerouf- di<j on Mk 710: Uawmc, clr.ev angeglichene Form von BD 9
gäbe, weshalb auch im Unterschied zu Lk. 24,48 der Jünger nie UapTU^ genannt i<) M, . 6x; Mk . 1a. u, . OXi abgesehen von 27.36.54 ; 28.4, wo es die Bewird
. Zu uapTUpicv vgl. 10,18 = Mk. 13,9 (Mk-Trodition); 24,14 (in Anlehnung deutung „bewachen" hat, dient es in 19,17 (redaktionell, vgl. Mk. 10,18, Lk.
on 10,18 = Mk. 13,9 gestaltet). 18,19) zvr Unterstreichung des notwendigen Tuns der Gebote, weshalb es in der
5) Mt.: 22 ; Mk.: 20> ; Lk.: 25- ; in bezug auf die Sendung der Jünger nur ebenfalls redaktionellen Formulierung 23,3 parallel mit WOuetV gebraucht wird.
10,5 = Mk. 6,7 (Mk-Troditlon) und 10,16 = Lk. 10,3 (Q-Troditlon); vgl. dazu ,s) Vgl. den typisch mätthäischen pleonostlschen Gebrauch von s.opCÜeo6ai.
unseren Abschnitt III. ,n 013- 10 7- 18 12 u ä

*' 4v: Mk-: °-: Lk : 2' : mil den J""9ern wird es nur in 10'32 ~ Lk- 12'8 '«) Der Hau'ptunterschied besteht darin, daß im Mt. die Weltmächte nicht

(U-rrodition) ,n Berührung gebracht. w,e ,„ Dan. 7 Q|s widergöttlich verstanden werden; denn eine ähnliche Aussage

,1 vi il ;■?*!■'■ V-T 2,?:j 5,L"V r- w rt. wie in Lk. 4,6b und Joh. 12.31; 14.30; 16,11 findet sich nicht Im Mt. (vgl. dazu

') Vgl. Lk. 24,47; Apg. 2,38; 3,19 und den häufigen Gebrauch von Q Bcumbach: Das Verständnis des Bösen in den synoptischen Evangelien. 1963,

liexavotoc/METavotlv durch Lukas (Mt.: 7v; Mk.: Sxi Lk u. Apg.: 8x). % ,05 „ 1?n „ Dcr ß „ „6ouoq begegnet darum im 1. Evangelium - mit

*) Vgl Joh. 1.18; 3,15 fT; 5.36; 6,46 f.; u. 8,Vgl. dazu G. Baumhoch: Die Au5nohme deJ aus de, Morkus.Trodition ttammenden Logions 16.26 (= Mk.

21U/1967nS 161 ff"16'" johannelscher Sicht, in: Zeichen der Zelt ß 3<,/u ^ _ ^ neutr<j|er Raurnbegriff und 5,eht_ wle ein Vergleich von 5,14

Vvg'l. G. Bo.nkomm: Der Auferstandene und der Irdische. In: Zeit und ">lt 5,13 und 5,16 zeigt, mit yf, oder ober mit ävOpwrro«. in Parallele, wobei

Geschichte Bultmann-Donkesgobe, 1964. S. 182: „Im Begriff des Jüngers faßt Gott als der „Herr des Himmels und der Erde" (11,25) bekannt wird (vgl. auch

sich . . . im Grunde sein ganze, Kirchenvers.ändnis zusammen. Ol uaönTaiist 18.7 mit Lk. 17 1; 26.13 mit Mk. 14.9 und 24,14 mit Mk. 13,10). Die „Welt" stellt

DER spezifische ekklesiologische Begriff des Evangelisten". Im ^'^l^Tin^Thwifl, 's«

0 Vgl. O. Michel: Der Abschluß des Matthäus-Evangeliums, in: Ev. Th. 10, ..( K»'*™'., '™? S63-

,„.,' H. ,7 , t ir n™. i.,„.i ioso cm«, n n~r„i,„mm ) Vg . auch die Verknüpfung der Auferweckung Jesu mit dem Sendungs-

1950/51, S.21; W.Tnlllng: Dos wohre Israel. 1959, S. 10 ff.; G. Bornkamm, /Li,.;,____,,u ,« IL 91 o H ■ 9n 91 ■ Ano 1 »• 5A16H., Gnl.

00O., S. 173.

^ Vgl. Mk. 15,43

und Missionsmoliv in Lk. 24,47 ff.; Joh. 20,21; Apg. 1,8; 22,18.21; 26,16 ff.; Gal.
y, 23,51, 1.16; Mk. 16,15. Zu i9vr) — VftTkerwelt vgl. F. Hahn, aaO., S. 108 1.