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Ausgabe:

1967

Spalte:

869-871

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bertinetti, Ilse

Titel/Untertitel:

Frauen im geistlichen Amt 1967

Rezensent:

Trillhaas, Magdalene

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Nitzsch wird leider vermißt). Der Fortschritt im Bereich der
katholischen Theologie liegt in der Forderung beschlossen, den
Gesamtbereich und Aufbau der Pastoraltheologie so zu gestalten
, daß Homiletik, Katechetik und Liturgik nicht mehr unabhängig
von der Pastoraltheologie und ohne Berücksichtigung
eines sie alle verbindenden Prinzips erforscht werden und nicht
mehr als selbständige, aus der Pastoraltheologie ausgegliederte
Fächer erscheinen. Es ist die Bedeutung der Gemeinde für das
gesamte kirchliche Leben, die das Bedürfnis erklärt nach einer
„das gesamte Leben der Kirche im Heute und ins Morgen hinein
umfassenden Pastoraltbeoloqie" (S. 113). Wenn aber die
ganze Gemeinde Trägerin des kirchlichen Lebens und Handelns
ist, dann bedeutet die herkömmliche Bezeichnung „Pastoraltheologie
", mit der lediglich auf den pastor, den Hirten und
Amtsträger, verwiesen wird, eine der Sache nicht gemäße Einengung
. Verf schlägt daher auch für die katholische Theologie
die Einführung der in der evangelischen Theologie üblich gewordenen
Bezeichnung „Praktische Theologie" vor.

Dem evangelischen Leser eröffnen sich unerwartete Aspekte
bei der Lektüre dieses Werkes, und er meint, sich auf seiner
eigenen Plattform vorzufinden, wenn die Schrift zum Ausgangspunkt
der Erwägungen gewählt wird; freilich bleibt ihm auch
manches fraglich, was zu einem klärenden Gespräch herausfordert
, z. B.: In welchem Verhältnis stehen Wortverkündiqung
und Sakramentenspendung, wenn das Wort „das erste Gemeinde
bildende, ja stiftende Element" (S. 43) genannt wird und der
als zweites Element eingeführt und auch so bezeichnete Kultus
als .die stärkste Gemeinde zusammenbindende und Gemeinde;
formende Macht" (S. 48) charakterisiert wird? Wenn das .erste"
nicht das stärkste" Element ist. zu welcher Evidenz ist es
dann als „stiftendes" Element zu erheben? Und wenn das Wort
Gottes in den Kult „eingebunden" ist, wie steht es dann mit
der Heilskraft des in der Predigt heute sich ereignenden Wortes
Gottes im Verhältnis zum sakramentalen Heiisqesch.-'hen?
Der evangelische Leser sollte wohl der Versuchung widerstehen,
in nachkonziliaren Publikationen wie dieser sich selbst als Adressaten
zu suchen; er wird sich damit zu begnügen haben, Zeuge
eines innerkatholischen Gesprächs zu sein, für das er nicht als
Partner gebeten wurde. So mögen denn auch diese Fragen,
denen sich eine Anzahl anderer anschließen ließe, da die theologischen
Konsequenzen aus dieser Ekklesiclogie sich schlechterdings
nicht auf die Pastoraltheologie einengen lassen, nicht
als kontroverstheologische Einmischung hingenommen werden,
sondern zunächst als Aufforderung zur Klärung der eigenen
Position, für die das Gespräch mit der anderen Konfession hilfreich
zu sein verheißt und aufgenommen werden sollte, wann
immer der Wunsch danach laut wird.

Bertin et ti, Ilse: Frauen im geistlichen Amt. Die theologische
Problematik in evangelisch-lutherischer Sicht. Berlin; Evang.
Verlagsanstalt (1965]. 211 S. 8° = Theologische Arbeiten, hrsg.
von H. Urner, XXI. Kart. MDN 14.-.
Die vorliegende Arbeit, die hier angezeigt werden soll, ist
die im wesentlichen unveränderte Fassung einer Dissertation,
die 1963 der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität
Berlin vorlag. Die Arbeit möchte das seit der Vollversammlung
des Ökumenischen Rates in Amsterdam 1948 begonnene Gespräch
über „Leben und Arbeit der Frau in der Kirche" durch
eine spezielle Untersuchung über die Frau im vollen geistlichen
Amt fördern helfen. Sie ist von dem deutlich spürbaren Impuls
getragen, daß die Zeit der Übergänge und Notlösungen vorbei
ist und eine „generelle theologisch fundierte Antwort" (S. 9) gegeben
werden muß. - Die Arbeit setzt überzeugend bei der Erkenntnis
ein, daß eine Klärung dieses Problems nicht ohne ein
neues theologisches Verständnis der Geschlechterfrage gewonnen
werden kann. Die Arbeit beschränkt sich auf die exegetisch-
dogmatische Fragestellung. Alle praktischen Fragen, wie sie in
reicher Anzahl im Blickfeld dieses Problemkreises liegen, werden
bewußt ausgeklammert.

Ilse Bertinetti kommt im Zuge ihrer Untersuchung zu dem
Ergebnis, daß es Aufgabe der Kirche sei, den volltheologisch

öTO

ausgebildeten Frauen die Berufung zum geistlichen Amt nicht
länger vorzuenthalten. In drei großen Abschnitten gewinnt die
Verfasserin dieses Ergebnis:

In einem ersten Abschnitt A) „Die Lehre von der Schöpfung
und die Geschlechterfrage" werden die drei ersten Kapitel der
Genesis auf ihr Wort zur Geschlechterfrage hin untersucht. Wird
aus Gen. 1 die Erkenntnis der gleichen Bezogenheit beider.
Mann und Frau, auf den Schöpfer gewonnen, aus Gen. 2 die
der gegenseitigen Zuordnung von Mann und Frau, so aus Gen. 3
die der gleichen Verantwortung vor Gott.

In einem Abschnitt B) „Das geistliche Amt der Frau als theologisches
Problem" wendet sich die Verfasserin den Aussagen
des NT über die Geschlechterfrage zu, vornehmlich der Untersuchung
des Begriffes vnoxayr) der xetpalr) -frage und der Erörterung
des paulinischen Schweigegebotes für die Frau. In sorgfältiger
Exegese zeigt die Verfasserin, daß alle Anordnungen
über Verhaltensweisen der Frau in der Gemeinde, vor allem im
Gottesdienst, die jeweiligen umweltbedingten Gegebenheiten der
Adressaten zur Voraussetzung haben und somit nicht zu Normen
bei Entscheidungen späterer Zeiten erhoben werden können.

„Die aktuelle Fragestellung" kommt in einem Abschnitt C) zu
ihrem Recht. Dieser Abschnitt ist wesentlich einem ethisch-dogmatischen
Interesse verpflichtet. Die heute sich aus diesem Problem
ergebenden Fragen werden mit den gewonnenen exegeti
sehen Ergebnissen konfrontiert und von daher die Unmöglichkeit
einer evangelischen Sonderlehre von der Frau aufgezeigt,
die Frage nach der Möglichkeit weiblicher Pfarrer gestellt und
die Ordination als theologisch legitimes Anliegen postuliert. Dem
eigentlichen Hauptteil vorgeordnet ist ein kultur- und dogmen-
gcschichtlicher Durchblick: „Das geistliche Amt der Frau in den
Entwicklungsphasen von Theologie und Kirche", an dessen Anfang
eine Untersuchung der Stellen des AT und NT erfolgt, die
ein Inerscheinungtreten von Charismen bei Frauen bezeugen
und damit eine Indicnstnahme der Frauen durch Gott für die
Verwirklichung seines Werkes.

Man kann der Verfasserin für ihre Untersuchung dankbar
sein. Dankbar dafür, daß sie damit deutlich gemacht hat, daß
Frauen selbst in dieser sie betreffenden Frage ein gewichtiges
Wort zu sagen haben, dankbar für die Nüchternheit und Klarheit
ihrer Argumentation, die völlig frei ist von Emotionen, wie sie
sich so oft in das Gespräch über das geistliche Amt der Frau eingeschlichen
haben. Man gewinnt einen vorzüglichen Überblkk
über den zurückgelegten Weg in dieser Frage, über den augenblicklichen
Stand des Gesprächs und die jeweiligen Gesprächspositionen
. Es ist ein Charakteristikum dieser Arbeit, daß sich
ihre Gedankenführung fast ausschließlich an der Auseinandersetzung
entzündet und darin zur eigenen Position erstarkt. Das
ist, nachdem die Diskussion solche Breite gewonnen hat, hilf-
leich, weil dadurch Stellungnahmen aufgearbeitet werden, die
eine positive Lösung bisher weitgehend verhindert haben. (So
bedeutet beispielsweise die Auseinandersetzung (S. 83 ff.] mit
Barth, der in der Mann-Frau-Beziehung eine Entsprechung der
Gott-Mensch-Beziehung, ja sogar eine Entsprechung zum innergöttlichen
Sein sieht, eine Befreiung von einem überhöhten und
überfrachteten Verständnis der Geschlechterbeziehung zugunsten
einer nüchterneren Sicht der Geschlechtsbeziehung, als einer mit-
inenschlichen Beziehung, die ganz unter dem Gebot Gottes steht).

Es fällt auf, daß an keiner Stelle der Arbeit die Gemeinde
mit ihren neuen Strukturen und den vielfältigen, daraus resultierenden
neuen Aufgaben ins Blickfeld tritt. (Auch vermißt man
im historischen Durchblick im Abschnitt, der sich mit der Gegenwart
befaßt, eine konkrete Darstellung dessen, was diese
Frauen, um deren Eingliederung in das geistliche Amt man sich
bemüht, denn nun eigentlich tun bzw. getan haben seit Aufkommen
dieser Problematik). Die Hineinnahme dieses Gedankens
hätte etwas sehr Wesentliches zu zeigen vermocht: Bei allen
Überlegungen zum geistlichen Amt der Frau geht es nicht nur
um Fragen des Selbstverständnisses der Frau - so unaufschiebbar
notwendig hier eine Klärung ist -, sondern auch um eine
Notwendigkeit der heute sich neuformierenden Gemeinden, um
Aufgaben in ihnen, die nicht alle vom Pfarramt in seiner überkommenen
Form wahrgenommen werden können und die der
vollgültigen geistlichen Mitarbeit der Frau bedürfen. _ Diese

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 11