Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Spalte:

867-869

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Klostermann, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Prinzip Gemeinde 1967

Rezensent:

Klaus, Bernhard

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

867

gischen Fundierung liegt die neue Gefahr einer theoretisch zu
hoch befrachteten Vorgabe. Eine solche Homiletik könnte zur
Schleppenträgerin einer vorgesetzten eigenen Dogmatik werden,
oder auch umgekehrt: es könnte ihr ein dogmatisches Gewand
angepaßt werden, das sie erst hoffähig machen soll. Ob und
inwieweit M.-Schw. dieser Gefahr entgangen ist, wird erst der
dritte Band zeigen. Daß andererseits mit der so stark betonten
christozentrischen Zielrichung der Verkündigung dem anthro-
pologisierenden und akkomodierenden Gefälle in der heutigen
Theologie ein energischer Widerstand entgegengesetzt wird,
wird für die spezifisch homiletischen Forderungen seine Konsequenzen
zeitigen. Der heute vielfach üblich gewordene unmittelbare
Sprung von der Exegese des jeweiligen Textes in die
Predigt wird nicht mehr verantwortet weiden können. Gerade
auch das konkrete und situationsgemäße Wort der Verkündigung
bedarf der intensiven dogmatisch essentiellen Besinnung,
wenn es sich nicht an einen inkohärenten Punktualismus verlieren
soll.

Das Problem der politischen Predigt ist generell von
M.-Schw. sicher richtig gesehen. Aber bleibt das, was hier trotz
ständiger Mahnung zur Konkretation unter der Devise, daß
Christus der Herr und die Zukunft der Welt ist, gesagt wird,
nicht selbst wieder in abstrakten Postulaten befangen? Und die
theologische Bemühung - im Abschnitt über die Massenmedien
-, Christus als den Herren auch der „transzendentalen
Publizität" (?) zu proklamieren, und damit, wenn auch ekkle-
siologisch kritisch, das Ja zur apparativen Verkündigung zu
finden, läßt für die theoretische Erörterung, vor allem aber für
die Lösung der praktisch-homiletischen Fragen auf diesem Gebiet
noch viele Probleme offen.

Auf alle Fälle bedeutet M.-Schw.s Werk mit seinem sprachtheologischen
Ausgangs- und Zielpunkt, mit seiner Zentralstellung
des Christus praesens für die Verkündigung und die ihr
dienende biblische Hermeneutik sowie die von daher notwendig
einbezogene Gesamtwirklichkeit unserer Zeit und Zukunft
einen originell und groß angelegten Wurf. In ihm verbindet
sich gut lutherische Tradition konstruktiv mit den aktuellen
Fragestellungen der „modernen Theologie". Wer heute Homiletik
betreibt und sein Predigtamt theologisch fundiert verstehen
möchte, wird an diesem Buche nicht vorbeikommen, über
dessen abschließendes Resultat erst noch die mit Spannung erwartete
„Geistliche Rhetorik" entscheiden wird.

Bonn Joachim Konrod

Klostermann, Ferdinand: Prinzip Gemeinde. Gemeinde als
Prinzip des kirchlichen Lebens und der Pastoraltheologie als
der Theologie dieses Lebens. Wien: Herder [1965], 122 S. gr.
8° = Wiener Beiträge zur Theologie, hrsg. v. d. kath.-theol.
Fakultät d. Universität Wien, XI.

Die Frage nach der theologischen Prinzipienlehre der Praktischen
Theologie, bislang als Problem empfunden, vor das sich
insonderheit die evangelische Theologie gestellt sah, hat neuerdings
auch im Räume der katholischen Theologie als Frucht der
nachkonziliaren Arbeit und Noubesinnung achtunggebietende
Antworten ergeben. Zu ihnen zählt die vorliegende ekklesio-
logische Untersuchung, deren Ertrag zu den Konsequenzen einer
neu verstandenen „Theologie des kirchlichen Lebensvollzuges"
hinführen will.

Die Tendenz der Neuorientierung ist am Grundansatz erkennbar
: Verf. sucht seinen Ausgangspunkt nicht bei der gegenwärtigen
Pfarrgemeinde des geltenden kirchlichen Rechts, die
er als „Produkt einer langen Geschichte" (S. 14) versteht, einer
Entwicklung, die auch anders hätte verlaufen können, sondern
bei den ekklesiologischen Aussagen des Neuen Testamentes. Vom
Neuen Testament her erkennt er „die christliche Gemeinde"
(die Ausdrücke „Pfarre" oder „Pfarrgemeinde" werden bewußt
vermieden!) als den zentralen Ort, auf den alles Tun und Leben
der Kirche hingeordnet ist oder hingeordnet werden muß.
Dieser Gemeinde ist die Aufgabe der Übersetzung der guten
Botschaft in die heute verständliche Sprache gestellt und die

868

immer neue Überprüfung ihrer Struktur auf Grund der biblischen
Einsichten übe das Wesen der Gemeinde.

Zu den die Gemeinde bildenden Elementen zählt Verf. den
Geist des Herrn als das „grundlegende Urclement" (S. 40), um
dann aber sogleich zum „Wort des Herrn", dem ersten Gemeinde
bildenden Element, überzugehen. Auch die apostolische
Verkündigung, wie sie im Neuen Testament ihren Niederschlag
gefunden hat, charakterisiert er als „Wort Gottes", das als
xrjyvyfia zur christlichen Urentscheidung, nämlich zur uezävoia
führe soll und als öiäaxrj die Gemeinde der Gläubigen auferbaut
.

Das Wort Gottes war „von Anfang an Bestandteil des Kultes"
und in den Kult „eingebunden" (S. 48); darum erscheint der
Kult als das zweite Gemeinde bildende Element. Auch für die
gottesdienstliche Gemeinde rekurriert Verf. lediglich auf die
Bibel (Mt. 18, 20), und aus dem weiten Bereich des Liturgischen
greift er nur zwei Kultelemente heraus, das liturgische Singen
und Beten als sakrifizielle Akte der Gott lobenden Gemeinde
sowie Taufe und Eucharistie als das sakramentale Geschehen,
in dem Gott redet und handelt.

Die christliche Bruderliebe, „sozusagen von innen her schon
ckklesial, gemeindlich" verstanden (S. 54), nämlich als Antwort
auf die erfahrene Bruderliebe Christi, ist das den Aufbau der
Gemeinde krönende Element.

Auch für die Skizzierung der Strukturelemente der Gemeinde
wird die biblische Linie nicht verlassen. Die genannten gemeindebildenden
Elemente bewirken eine Gleichheit aller in
der Gemeinde, „einen christlichen Urständ" (S. 59); aber die
Verschiedenheit der Gaben ergibt Unterschiede in den Aufgaben.
Es gibt Charismen, die Autorität und Vollmacht, also das Amt
begründen, und es gibt andere, die zu anders gearteten Funktionen
befähigen. Amt und Charisma sprengen nicht die Einheit
der Gemeinde, sondern sind einander zugeordnet. Wenn die geschichtliche
Entwicklung eine Trennung zwischen Klerus und
Laien ergab, so ist unter den gegenwärtigen Vorzeichen einer
Annäherung an urchristliche Verhältnisse (S. 65) zu verlangen,
daß die Hierarchie wieder nur als Dienst gegenüber dem Herrn
und seiner Gemeinde begriffen werde.

Aus dieser Konzeption zieht Verf. 'n dreifacher Richtung
Konsequenzen. Für die konkreten Ausformungen der Gemeinde
ergibt sich, daß die Weltkirche als „Gesamtgemeinde" zu verstehen
ist, das Bistum nicht als Gerichts- und Verwaltungsbezirk
, sondern als bischöfliche Ortsgemeinde und die Pfarrei
als pfarrliche Ortsgemeinde, „in der die ixxlrjaia Ereignis
wird" (S. 87) und auf die sich die angestellten Erwägungen
konzentrieren. Verf. definiert sie „als die heute de facto und de
iure kleinste Zelle oder Ortsgemeinde, in der als einer dauernden
kirchlichen Einrichtung die Kirche für den Einzelnen
nomalerweise primär Ereignis wird" (S. 92).

Für die Lebensstufen in der Gemeinde Jesu ergeben sich
Konsequenzen aus der Tatsache, daß die Phasen der Christ-
werdung in der gegenwärtigen Volkskirche anders geartet sind,
als sie von den biblischen Büchern vorausgesetzt werden. Es
geht um das Wachsen und Reifwerden im Glauben und um die
Hilfen, die eine christliche Erziehung und ein kirchlicher Kate-
chumenat leisten können, damit auch heute am Ziel „der christliche
Erwachsene" stehe, der in voller Erwachsenheit die
fit.TÖmm, das entscheidende Umdenken, die Hinwendung Vi
Christus glaubend, hoffend und liebend vollzogen hat" (S. 105O-

Wenn Kirche sich wesentlich als Gemeinde ereignet, oanfl
kann die Pastoraltheologie nichts anderes sein wollen als eine
Theologie dieses Lebens der Gemeinde und muß in der Lehre
vom Leben der Gemeinde Jesu ihren zentralen Ort haben. P3"
storaltheologie sollte daher ihrem Wesen nach „Theologie des
kirchlichen Lebensvollzuges" sein. Neben katholischen Gcwährs-
männern erscheint als Stütze dieser Theorie die Ahnenreihe
derer, die in der gleichen prinzipiellen Ausrichtung die evangelische
Praktische Theologie in den Rang einer anerkannten
wissenschaftlichen Disziplin erhoben haben: Schleiermacher,
Alexander Schweizer, Th. Harnack, L. Fendt (ein Hinweis auf
die für diesen Zusammenhang wichtige Position von C. *

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 11