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Ausgabe:

1967

Spalte:

856-857

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Das Konzilsdekret über die Ausbildung der Priester 1967

Rezensent:

Krusche, Werner

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Meyendorff, Jean: Orthodoxie et Catholicite. Paris: Editions
du Seuil [1965], 162 S. 8°.
Der bekannte Patristiker des orthodoxen Vladimir-Seminars
in New York hat im vorliegenden Band einige seiner Arbeiten
aus den Jahren 1954-1964 zusammengestellt. Sie geben einen
guten Einblick in den orthodoxen Standpunkt zur ökumenischen
Frage, der Beachtung in weiten Kreisen verdient.

Schon die 1. Studie über „Sakramente und Hierarchie in der
Kirche" läßt die theologischen Voraussetzungen des orthodoxen
Kirchenbegriffs deutlich erkennen. Charakteristisch für sie ist
die Verbindung von Mt 16,18 (Felsenwort) und von Stellen wie
1. Kor. 1,2, 2. Kor. 1,1, wo von „der Kirche in..." die Rede ist,
■wobei der Sakramentsgedanke die verbindende Mitte bildet. Die
Argumentation sieht folgendermaßen aus: Jede Lokalgemeinde
ist d i e Kirche Jesu Christi, sein Leib, dessen Glieder die Gläubigen
sind. Der Bischof, der (zumindest seit dem 2. Jahrh.) an der
Spitze der Lokalgemeinde steht und deren Gottesdienst leitet,
tritt in dieser Funktion an Christi Stelle und wird insofern Nachfolger
des Petrus, da dieser als Bekenner des rechten Glaubens
auserwählt wurde und wahrscheinlich als einziger Apostel das
Abendmahl präsidiert habe. Der Bischof, der durch seine liturgische
und sakramentale Rolle und als Verkünder der Wahrheit
der Nachfolger Petri ist, gewährleistet also die Überlieferung
der Gnade und Gegenwart Christi.

Dieser Ansatz wird in den anderen Artikeln dann entfaltet:
1. Eine Studie über den 8. Kanon von Nizäa zieht folgerichtig
die Konsequenz, daß einer Lokalkirche nur ein Bischof vorstehen
kann. Denn der Bischof ist Christi Stellvertreter und als solcher
das „Haupt" der Lokalkirche, die den Leib Christi in seiner Ganzheit
darstellt. - 2. Es ist klar, daß diese Auffassung auch mit
dem katholischen Hierarchiebegriff in Konflikt geraten muß.
Die drei folgenden Aufsätze („Die Kirchenverfassung in der Geschichte
der Orthodoxie", „Der römische Primat in der Konzilstradition
bis Chalcedon", „Byzanz und Rom: Versuche einer Einigung
") weisen das im einzelnen in der Kirchengeschichte nach.
Ich kann es mir ersparen, diese Ausführungen hier zu resümieren
, da sie Bekanntes entwickeln und keine wesentlich neuen
Gesichtspunkte beibringen. Die historische Sicht des Verfassers
entspricht seinem theologischen Ansatz, daß die Autonomie der
Lokalkirchen auch durch eine in der Kirchengeschichte wirksam
werdende Vorrangstellung einzelner Lokalkirchen nicht angetastet
werden darf. - 3. Die Betrachtung zum 2. vatikanischen
Konzil zieht die Linie aus bis zur heutigen Situation: die Einberufung
eines Konzils wird grundsätzlich als Rückkehr zur altchristlichen
Tradition begrüßt, aber die Primatstellung des Bischofs
von Rom abgelehnt (obwohl der Fortschritt in dieser
Frage in „De Ecclesia" dankbar anerkannt wird). Eine interessante
Nebenbemerkung fällt in diesem Zusammenhang: Inter
kommunion ist für den orthodoxen Christen unvollziehbar, solange
die Kirchen nicht geeint sind, da die Eucharistie - damit
kehren wir zu den eingangs erwähnten Voraussetzungen des
orthodoxen Denkens zurück - den Christus in seiner Ganzheit
darstellt.

Für protestantische Leser ist der Aufsatz über „Die Bedeutung
der Reformation in der Geschichte des Christentums" besonders
instruktiv, da darin zum Ausdruck kommt, worin die
orthodoxe Theologie ihren Hauptunterschied zur evangelischen
Tradition sieht. Gegenüber der Scholastik, sagt Meyendorff, und
im Anschluß an Augustin habe die Reformation vor allem das
unüberbrückbare Gegenüber von Gott und dem sündigen Menschen
betont, was bis in die dialektische Theologie eines K.
Barth und R. Bultmann sichtbar sei. Gerade Augustin ist nun
aber in den Augen der Orthodoxen ein sehr kritisch zu betrachtender
Kirchenvater, da er sich in diesem Stück in Gegensatz
zur Bibel und zu den griechischen Kirchenvätern stelle. Die
orthodoxe Theologie, die sich als Synthese der biblischen und
der Vätertradition versteht, anerkennt zwar durchaus die völlige
Freiheit Gottes, der über der Schöpfung steht, unterstreicht aber
ebenso, daß er in Jesus Christus mit ihr in Verbindung tritt.
Der Mensch, der das Vermögen hat, das Böse zu tun, das
heißt, sich gleichzustellen mit Gott, ist von Gott geschaffen,
um durch Christus wiederhergestellt zu werden, um die

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Gnade zu empfangen. Dadurch ist es ihm gegeben, am göttlichen
Leben teilzunehmen, in Gott und mit Gott zu sein. Die Kirche
ist also nicht, wie die Protestanten sagen, eine rein menschliche
Institution, sondern in den Sakramenten und in der Wahrheit
des heiligen Geistes offenbart sich Gott, wird die Kirche göttlich
und kann daher in diesen Bestandteilen nicht reformiert
werden.

Man kann darüber diskutieren, wieviel an diesem von M.
gegebenen Bild richtig, wieviel Verzeichnung ist; jedenfalls wird
man gut daran tun, auf den orthodoxen Beitrag im ökumenischen
Stimmenchor auch und mit offenem Ohr zu hören.

Neuchatel wi||y Rordorl

Stakemeier, Eduard: Das Konzilsdekret über die Ausbildung
der Priester. Lateinischer und deutscher Text mit Kommentar
. Einführung v. Lorenz Kardinal Jaeger. Paderborn:
Verlag Bonifacius Druckerei [1966]. 164 S. 8°. DM 7.80.
Dem (amtlichen) lateinischen Text und der („vorläufigen,
nichtamtlichen") deutschen Übersetzung des Dekrets über die
Priestererziehung (S. 30- 76) ist eine Einführung von Kardinal
Jaeger (S. 9-18) vorangestellt, in der auf den Sachzusammenhang
dieses Dekrets mit den übrigen Konzilsdokumenten und
auf die auch den Charakter dieses Dekrets bestimmende „Verbindung
von Kontinuität und Fortschritt" aufmerksam gemacht
wird. Ein ebenfalls dem Text vorangestellter „Überblick über
die Entstehung und Ausarbeitung des Dekrets" (S. 19-28), der
ebenso wie der dem Text folgende hilfreiche Kommentar (S. 77
-129) von dem Konzilstheologen E. Stakemeier stammt, gibt
Einblicke in die Werdegeschichte des Dekrets, in der die leidenschaftliche
Diskussion der Frage nach der normativen Geltung
der Lehre des hl. Thomas mit deren schließlicher Anerkennung
als „stets gültigem philosophischen Erbe" (Patrimonium philoso-
phicum perenniter validum - statt philosophia perennis) besonders
interessant ist.

Das Dekret selbst stellt leitende Grundsätze für die Aus-
und Fortbildung der Priester in der Gesamtkirche auf und ermächtigt
die Bischofskonferenzen, den besonderen Erfordernissen
in den einzelnen Ländern entsprechende eigene Ordnungen
zu erarbeiten (c. I). Außer einem Kapitel über die Verpflichtung
des ganzen Gottesvolkes zur Förderung der Priesterberufe (c. II)
und einem Schlufikapitel über die notwendige Weiterbildung
nach dem eigentlichen Studium (c. VII) handelt das ganze Dekret
über die Ausbildung an den Priesterseminaren, die auch
weiterhin die unaufgebbare Institution für die Priesterausbildung
darstellen sollen. Grundzüge der Seminarausbildung in
Stichworten: 1. Klare Ausrichtung der gesamten
Ausbildung auf das pastoralc Ziel (ad ministerium
verbi; ad ministerium cultus et sanetificationis); 2. Grundsatz
der Elitebildung (Auswahl der Leiter und Lehrer der Seminare
aus den besten Kräften; hohe Anforderungen an die Kandidaten
auch bei herrschendem Priestermangcl; Errichtung niveauhoher
Seminare auf regionaler Ebene, wenn Einzeldiözesen
dazu nicht in der Lage); 3. Vorrangigkeit der Spiritualität
vor der Intellektualität (wissenschaftliche
Ausbildung einbezogen in eine umfassende geistliche Bildung in
einem persönlichen Leben mit Jesus Christus in der Gemeinschaft
seiner Kirche gemäß den evangelischen Räten - hier
ein (zwar verständlicher, aber doch etwas) fataler Lobpreis des
Zölibats - und in Ausbildung der „humanen Tugenden" und
des Gehorsams gegenüber der kirchlichen Autorität); 4. Verlebendigung
der Studien (bessere Koordinierung der
philosophischen und theologischen Disziplinen; Studium der
Philosophie unter Berücksichtigung moderner Fragestellungen
und des Zusammenhangs mit den wirklichen Lebcnsproblemen;
Studium der Theologie als lebendiges Eindringen in die katholische
Lehre - dabei ist besonders wichtig: a) die Hervorhebung
des Bibelstudiums; b) die Kennzeichnung der „Heilsgeschichte
" als einigendes Band zwischen den theologischen Disziplinen
; c) der Hinweis auf ökumenische Unterweisung);
5. Einübung in moderne poimenische Arbeitsmethoden
(Erziehung zum Dialog, Arbeit im Team, Einführung
in Laienschulung).

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 11