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1967

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Kraft im „nationalen Aufbruch" erwiesen. Soziologische Schranken
und bewußtseinsmäßige Gründe wirkten sich hingegen
dahin aus, daß kirchliche Gruppen, die linksgerichteten Parteien
nahestanden (so z. B. die Religiösen Sozialisten), relativ
einflu5arm blieben.

Der für bestimmte Strömungen innerhalb der DC-Bewegung
unverkennbare geistige Einfluß von Paul de Lagarde, H. St.
Chamberlain und Max Maurenbrecher (an Arthur Bonus, Ehrenmitglied
der Thüringer Nationalkirchler, gest. 1941, wäre auch
zu denken) hat den Verf. veranlaßt, zur Kennzeichnung des
völkisch geschwängerten Klimas jener Zeit eine Analyse der
geistigen Zusammenhänge und Unterschiede im Gedankengut
dieser Repräsentanten einer völkischen Christentumsauffassung
vorzunehmen. Ein - selbst lediglich paradigmatischer - biographischer
Nachweis solcher oft mit Händen zu greifenden Einflüsse
bei Vertretern eines Deutschen Christentums hätte gewiß
den vom Verf. vorgenommenen ideengeschichtlichen Vergleich
gestört. Doch müßt dies - vielleicht im Rahmen einer leider
immer noch ausstehenden umfassenden Prosopographie zur Geschichte
des Kirchenkampfes - einmal geschehen.

Beeindruckend ist auch, daß der Verf. es als Historiker unternimmt
, die theologische Grundhaltung der Deutschen Christen
und ihrer Gegner im Jahre 1933 anhand zwar ganz weniger
, aber durchaus repräsentativer Zeugnisse in den Fragen
des Offenbarunqsproblenrs, des Vplkstumsverständnisses, der
differenzierten Haltung zum Totalitätsanspruch des NS-Regi-
mes verständlich zu machen („VII. Bekenntnis und Politik",
102-128). Auch hier mu5 sich die kirchliche Zeitgeschichte angeregt
fühlen, die seinerzeit sehr leidenschaftlich erörterten
Probleme unter theologiegeschichtlichem Aspekt umfassend zu
untersuchen, um allzu formale Kennzeichnungen unter dem
Schema von Lehre und Irrlehre, die selbst heute noch manchen
Kirchonkampfbericht prägen, zugunsten einer tieferschürfenden
theologischen Sacherörterung zu überwinden. Wenn der Verf.
bei aller positiven Würdigung der Funktion, die auch die dialektische
Theologie bei der Formierung der Bekenntniskräfte
spielte, zu der Feststellung gelangt: „Die historischen Ereignisse
haben nicht alle theologischen Fragen und Probleme, die
durch die Deutschen Christen aufgeworfen wurden, erledigt"
(170), so hat er das Urteil Kurt Dietrich Schmidts für sich (vgl.
etwa Grundriß . . .. 512 f.). Außerdem zeigt die gegenwärtige
ökumenische Diskussion deutlich genug, welche theologischen
Probleme bei der Suche nach einer ökumenischen Sozialethik
z. B. der „konstruktive Nationalismus" der sogenannten Entwicklungsländer
und die dort beobachtbare Umkehrung der
„Theologie der Ordnungen" in eine „Theologie der Revolution"
aufgeben (vgl. die Konferenz „Kirche und Gesellschaft" Juli
1966 in Genf).

Der mir zur Verfügung stehende Raum verbietet es mir, auf
die differenzierte Darstellung der kirchlichen Gruppierungen im
Jahre 1933 näher einzugehen. Was die Beurteilung Karl Barths
und seiner Rolle im deutschen Kirchenkampf betrifft, so sei
auch auf eine mir zutreffend erscheinende Replik des Verf. (Monatsschrift
für Pastoralthcologie 54/1965, 53ff.) verwiesen. Auf
Notierung einiger weniger Versehen verzichte ich, weil diese
für das Ganze unerheblich sind. Die Publikation van Nordens
nimmt teil am Fortschritt der historiographischen Entwicklung
der Kirchenkampfforschung zu objektiverer Erfassung des Geschehens
im Sinne der allgemeinen Geschichtswissenschaft durch
das Bemühen um sorgfältige Differenzierung der Standpunkte
und Motive.

Timm, Hermann: Friedrich Naumanns theologischer Widerruf.
Ein Weg protestantischer Sozialethik im Übergang vom 19.
zum 20. Jahrhundert. München: Kaiser 1967. 68 S. gr. 8° =
Theologische Existenz heute, hrsg. v. K. G. Steck u. G. Eichholz
, N. F. 141. Kart. DM 5.40.

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KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

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R i d d e r, Cornelius A. de: Maria als Miterlöserin? Die Diskussion
über die Mitwirkung der Mutter Gottes am Erlösungswerk
Christi in der heutigen römisch-katholischen Theologie, übers,
v. H. Quistorp. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
(1965). 176 S. gr. 8° = Kirche und Konfession. Veröffentlichungen
d. konfessionskundl. Inst. d. Evang. Bundes, hrsg.
v. H. Bornkamm, J. Lell, W. v. Loewenich, M. Schmidt,
R. Stupperich, W. Sucker, 5. DM 22.-.

De R. informiert uns über den Stand der römisch-katholischen
Diskussion über die Miterlöserschaft Marias, also über ein
Thema, das evangelischen Christen ganz besonders anstößig ist.
Der Titel corredemptrix findet sich zum eisten Mal in zwei
hymnologischen Manuskripten aus dem 15. Jahrhundert; er
war also anscheinend bis ins späte Mittelaller hinein unbekannt
. Im 17. Jahrhundert erlebte die Mariologie eine erste
große Blütezeit, in der aber die Miterlöserschaft Marias umstritten
blieb. Erst im 20. Jahrhundert rückt der Titel corredemptrix
in den Mittelpunkt einer mit einem großen Aufwand
an exegetischer, historischer und dogmatischer Gelehrsamkeit
geführten Diskussion; die mariologische Literatur schwillt ungeheuer
an, so daß auch die Spezialisten kaum noch folgen können
(„Die Biblicgrafia Mariana von G. M. Besutti gibt für die
Jahre 1952-57 nicht weniger als 5728 Titel an!" 8). De R.
beginnt mit einer Einleitung (7-23), behandelt dann nacheinander
die Vertreter der These (24-59), die Gegner der These
(60-81) und Versuche zur Versöhnung der Standpunkte (82-
142), er schließt mit einem Ausblick in die Zukunft (143-168).
Die Vertreter der These, die unter sich erheblich differieren,
sind sich jedoch darin einig, „daß die Stellung Christi und die
Marias im Erlösungswcrk nicht dieselbe sei" (48): 1) Maria,
obwohl Miterlöserin, gehört selbst doch zu den Erlösten, 2) die
Mittlerschaft Christi war im absoluten Sinn nötig, die Marias
nur im „hypothetischen" (Gott hätte Christi Erlösungs-werk auch
ohne Marias Mitwirkung annehmen können), 3) „Das Verhältnis
Christus-Maria ist unumkehrbar" (49); Christus ist Erlöser,
Maria nur Miterlöserin. Immerhin gehen einige Theologen in
ihren Aussagen über Maria doch recht weit. Lebon sagt, daß
die besondere Gnade, durch die Maria zur Mitwirkung am Erlösungswerk
befähigt wird, nicht von Christus, sondern unmittelbar
von Gott stamme, so daß Maria als Mittlerin in relativer
Unabhängigkeit von Christus neben ihm steht (50f). Die
Zahl derer, „die Marias Verdiensten Kondignität (nicht bloß
Kongruität) zuerkennen wollen", wächst (52); das Problem
ist, wie sie dann vom Verdienst Christi unterschieden werden
sollen. Maria wird caput ecclesiae genannt (54), ja selbst „Ergänzung
der Hl. Dreieinigkeit" (58). Zu den Gegnern der These
(sie sind sehr in der Minderzahl) gehören immerhin so bekannte
Theologen wie Diekamp, Bartmann, Goossens und Len-
nerz. Sie bekämpfen die These „als eine unerhörte Neuerung,,
die die Aufhebung der Einheit und Einzigkeit des Erlösungswerks
zur Folge haben würde" (79). Man hat jedoch den Eindruck
, daß sie dem besonderen Platz Marias in der römischkatholischen
Theologie zu wenig Rechnung tragen. Sie schwimmen
gegen den Strom. Aus dieser Sackgasse wollen die Versuche
zur Versöhnung der Standpunkte herausführen. Drei Gedanken
treten dabei besonders hervor: Maria als Typus der
Kirche vermittelt die Erlösung an die einzelnen („So ist sie
im wahren Sinne des Wortes miterlösend wirksam, denn wenn
sie das nicht täte, wäre das Werk Christi wohl in der Lage zu
erlösen, aber nicht de facto erlösend" 101), Maria hat als Repräsentantin
der Menschheit das durch Christus erwirkte Heil
angenommen und dadurch die Erlösung mitvollzogen, Maria
als „vollkommen Erlöste" und „Mutter der Erlösung" ist „durch
ihr freies Annehmen der Mutterschaft Christi" „empfangend-mit-
wirkendes Prinzip" der Erlösung (132). - Angesichts der Unsicherheit
der katholischen Theologie in der Begründung der
Miterlöserschaft ist eine baldige Dogmatisierung unwahrscheinlich
.

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 11

Halle/Saale

Erdmann Schott