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Ausgabe:

1967

Spalte:

840-841

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Sirovic, P. Franz

Titel/Untertitel:

Der Begriff "Affectus" und die Willenslehre beim hl. Bonaventura 1967

Rezensent:

Clasen, Sophronius

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Unebenheiten wie das Schwanken zwischen Ignatios/ -us, fehlende
§§-Zahlen, eigenwillige Silbentrennungen lassen vermuten,
daß der Autor unter Zeitdruck arbeiten mußte und die Korrekturen
nicht selbst bis zuletzt überwachen konnte (S. 250 Verweis
auf „Kap. 2", aber das Buch hat keine Kapitelzahlen). Wer nicht
an den Druckfehlerteufel glaubt, möge über die Überschrift auf
S. 145 nachdenken: „Quis divus salvetur".

Berlin Kurt Treu

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Nyberg, Tore: Birgittinische Klostergründungen des Mittelalters
. Lund: Gleerup; München: Frank [1965]. X, 265 S. gr.
8° = Bibliotheca Historica Lundensis, ed. J. Rosen, XV. Schw.
Kr. 28.-; DM, 21.50.

Kaum eine kirchenhistorische Darstellung des £pätmittel-
alters wird darauf verzichten, zumindest im Zusammenhang
einer Schilderung des Endes der sogenannten „babylonischen Gefangenschaft
" der Päpste in Avignon, die sowohl kirchenpolitisch
als auch frömmigkeitsgeschichtlich bedeutsame Persönlichkeit
der 1373 in Rom verstorbenen schwedischen „Prophetin" Birgitta
zu nennen. Weniger bekannt ist dagegen in der deutschen Literatur
der von Birgitta begründete und auch nach ihr benannte
Orden, obzwar dieser gerade im deutschen Raum noch während
des 15. Jahrhunderts eine erstaunlich große Verbreitung erlebte
, um dann freilich rasch im Zuge der reformatorischen
Bewegung danhinzuschmelzen. Auch die eigenartige Verfassung
dieses Doppelordens, die man wohl als eine Erneuerung ältester
monastischer Ideen und Formen ansprechen kann, hätte
größeres Interesse verdient. Um so dankbarer ist man für das
Erscheinen des zur Rezension vorliegenden Buches, das dem
deutschen Leser die einschlägige schwedische Literatur bekannt
macht und auf Grund eingehender Quellenforschung und in
ausgezeichneter Kenntnis selbst der topographischen Gegebenheiten
die Gründungsgeschichte und Verfassung der wichtigsten
birgittinischen Klöster der Frühzeit darlegt. Dabei eignet der
Darstellung ein durchaus systematischer Zug, dem das historische
Detail als Illustration allgemeinerer verfassungshistorischer
Prinzipien dient. So werden etwa am Beispiel des Mutterklosters
Vadstena in Schweden und der Tochterkonvente Syon
in England und Maribo in Dänemark die bei der Begründung
maßgeblich beteiligten Institutionen (Papsttum, Episkopat und
Königtum) vorgestellt. Andere Exempel zeigen die Verbindung
der Klöster untereinander (Filiation) und zum schwedischen
Mutterkloster auf (Mahrienwohlde bei Lübeck, Maricntal bei
Reval und Marienkron bei Stralsund) sowie die zum Teil konkurrierende
Initiative von Fürsten- und Bürgertum beim Gründungsprozeß
, der sich zumeist über viele Jahre hinauszog. Den
Typ eines „reichsunmittelbaren" (womit nicht sehr glücklich die
besondere kaiserliche Schutzherrschaft zum Ausdruck gebracht
wird) Klosters repräsentiert das (nürnbergische Gnadenberg'.
Das Einwirken des „neuen I.andesfürstentums" (ein verfassungsgeschichtlich
wohl auch besser zu klärender Begriff) auf das
Entstehen der Klöster soll die Geschichte von Maihingen in
der Grafschaft Öttingen und Marienbaum im Herzogtum Kleve
vor Augen führen. In Mukaliv in Bergen, in dem einzigen
heute noch bestehenden deutschen Birgittinenkloster Altomünster
in Bayern und in Marienforst bei Bonn wurden von den
Birgittinen älterer Ordenshäuser (Benediktiner bzw. Augustiner)
übernommen, was dazu führte, daß an diesen Orten die ziemlich
genauen und vom Verfasser eingangs ausführlich besprochenen
Vorschriften Birgittas für die bauliche Gestaltung der Niederlassungen
ihres Ordens nicht oder nur zu einem geringen Teil
beachtet werden konnten. Ähnlich lagen die Verhältnisse in den
Niederlanden, wo vielfach die Anpassung an städtische Situationen
notwendig war. Von den zahlreichen niederländischen
Klostergründungen werden Kampen, Soest, Gouda, Briclle und
Utrecht einer eingehenderen, auch die politischen Gegebenheiten
(Hanse, Burgund, Utrechiter Schisma) berücksichtigenden
Behandlung unterzogen. Wie hier wurden aber auch sonst die
Ereignisse in den (Zusammenhang des allgemein-historischen

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Geschehens hineingestellt. So wird etwa auf die große Bedeutung
des Konstanzer Konzils für die Frühgeschichte des Ordens
verwiesen. Sie ergibt sich schon daraus, daß einerseits auf
dem Konzil 1415 eine Bestätigung der schon 1391 verkündeten
Kanonisation Birgittas durch Papst Johannes XXIII. (der fast
durchwegs nur als Baldassarc Cossa bezeichnet wird) erfolgte,
und anderseits König Sigismund den Orden in seinen Schutz
nahm, während das Konzil nach der Absetzung Johannes XXIII.
eine bemerkenswerte Zurückhaltung gegenüber Wünschen seitens
des zwar reformfreundlichen, aber durch die Verbindung
mit Johannes XXIII. kompromittierten Ordens übte. Daß der
Verbreitung der Birgittinen die durch die Kalmarer Union und
durch die Hanse bewirkte Einheit des nordischen Raumes entgegenkam
, bedarf kaum einer Erklärung. Entscheidender aber
ist wohl gewesen, daß das Ordensziel der spirirualen Frömmigkeit
jener Zeit zu entsprechen schien. Dieser frömmigkeitsgeschichtliche
Aspekt tritt in dem vor allem verfassungshistorisch
ausgerichteten Buch, das sich diesbezüglich um die exakte Klärung
mancher Prinzipien verdient macht, freilich nicht überall
klar hervor. Auch die Einordnung des Birgittinenordens in die
monastische Geschichte erscheint trotz des Hinweises auf das
zisterziensische Vorbild nur zum Teil durchgeführt. Wenn am
Anfang dieser Ausführungen das Ordenslebcn auf die Evangelien
und das von Christus verkündete Vollkommenheitsideal
zurückgeführt wird, so tritt damit ebenso eine theologische
Vormeinung zutage wie in der Beurteilung des römischen
Papsttums während des Schismas eine historische. Das Urteil
über Einzelheiten des mit reichem, die Quellen größtenteils im
Wortlaut zitierenden wissenschaftlichen Apparat und vielen Exkursen
ausgestatteten Buches muß dem Lokalhistoriker überlassen
bleiben. Es darf aber darauf aufmerksam gemacht werden
, daß der Verfasser in seinem Schlußwort eine „Untersuchung
über den Erlöserorden in der Auffassung der zeitgenössischen
kirchlichen Autoritäten" ankündigt, die gewiß mit Spannung
erwartet werden kann.

Wien Harald Zimmermann

S i r o v i c, P. Franz, SVD: Der Begriff „Affectus" und die Willenslehre
beim Hl. Bonaventura. Eine analytisch-synthetische
Untersuchung. Mödling: St. Gabriel 1965. 120 S. gr. 8°. Kart.
DM 14.80.

Statt der geplanten Untersuchung über die „Passiones" nach
Bonaventura hat sich der Verf. auf dessen Affekt-Lehre beschränkt
. Er legt das Ergebnis seiner Untersuchung in zwei
Teilen vor: in einer Textanalyse erforscht er die einzelnen Texte
des Sentenzenkommentars sowie des Itincrarium, Brcviloquium
und Hexaemeron und erarbeitet, was Bonaventura mit „affectus"
bezeichnet (9-12); während aber dieser Teil zur Verringerung
der Druckkosten nachträglich auf eine Auswahl gekürzt wurde,
stellt die ungekürzte Synthese Bonaventuras Willcnslehre (79-
113) dar.

Bonaventura gebraucht „affectus" zwar in verschiedener Bedeutung
, aber stets im Zusammenhang mit dem Strebevermögen
. Mag es sich um dessen naturhafte Betätigung, die unterhalb
der freien Entscheidungsfähigkeit liegt, oder um das
„liberum arbitrium" handeln, irgendwie sind Verstand und Wille
des Menschen beteiligt und bedarf der Wille des vorangehenden
Lichtes der Vernunft zur Betätigung, sowohl was die Reichweite
, die Irrtumsmöglichkeit als auch die Reflexion über sich
selbst angeht. Das Formelle der Freiheit liegt bei der freien
Wahlfähigkeit im Anteil des Willens, die notwendige Disposition
und Voraussetzung dafür jedoch in dem der Vernunft, die dem
Willen etwas erst als erstrebenswertes Gut zeigen muß; sie
gründet weder in der Sclbstbestimmungsmacht des Willens noch
in der Reflexion des Verstandes allein, sondern in dem Zusammen
beider Fähigkeiten. Dies hat die Bonaventura-Literatur vielfach
nicht beachtet und ist dadurch zu einseitiger Darstellung
gekommen.

Im großen und ganzen kann man die vorliegende Untersuchung
als bedeutungsvoll und gründlich bezeichnen. Daher ist
sie nicht nur für das Studium moraltheologischer Probleme wichtig
(113), sondern ohne sie versteht man z. B., was dem Vstt.

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. il