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Ausgabe:

1967

Spalte:

837-839

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kraft, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Kirchenväter bis zum Konzil von Nicäa 1967

Rezensent:

Treu, Kurt

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Theologische Litcraturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 11

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Anhänge ist an die liturgische Tradition des Klemensfestes
(November) gebunden und ergibt einen nicht unwesentlichen
Ertrag für die Liturgiegeschichte. Die Epitomen, von den „Anstößigkeiten
" der Homilien befreit, gewinnen für die geschichtliche
Wirkung der Pseudoklementinen im griechischen Osten
bedeutendes Eigengewicht. Bezüglich der Wirksamkeit stellen
sie das eigentliche Pendant zu den im lateinischen Westen in
Rufins leicht bearbeitender Übersetzung vorliegenden Rekog-
nitionen dar. Die Kommission betraute darum F. Paschke mit
der Aufbereitung der „beträchtlichen Handschriftenmasse". Nach
guter Tradition werden diese weit über den Rahmen einer Prae-
fatio hinausgehenden Vorarbeiten gesondert in den TU vorgelegt
.

Die Arbeit legt Rechenschaft über die langwierige Ermittlungsarbeit
ab, ermöglicht Kontrolle und Ergänzung im Stadium
vor der Ausgabe. Hier sei der Hinweis eingeschaltet, daß in
einem dritten Band der GCS die Epitome-Texte vorgelegt werden
sollen, zusammen mit einem von G. Strecker bearbeiteten,
dringend erwünschten Index zum pseudoklemc-ntischen Corpus
(einschließlich der syrischen Versionen). An die Erschließung
durch zuverlässige und überlegte Register darf man wohl als
an die nunmehr wichtigste der Forderungen Harnacks erinnern
(Abgrenzung der Redaktionen und Testimonienapparate sind
heute nachgerade Selbstverständlichkeiten). Im Rahmen dieser
Anzeige sei jedoch auf zwei umfangreiche Abschnitte hingewiesen,
die Interesse und Beachtung über den Kreis der mit patristischen
und hagiographischen Editionen Beschäftigten hinaus verlangen
dürfen. Im Ersten Teil des Bandes bietet P. in einem Forschungsbericht
einen ausgezeichneten Überblick auf die Arbeit
an den Epitomen (S. 1-78) - eine glückliche Ergänzung zum
Bericht Streckers in TU 70, S. 1-34 - und im .Überblick über
die hagiographischen und homiletischen Textsammlungen der
griechischen Kirche" (S. 81-108) eine sicherlich sehr erwünschte
Einführung in Anlage und Benutzung von A. Ehrhards monumentalem
Werk „Überlieferung und Bestand der hagiographischen
und homiletischen Literatur der griechischen Kirche . . .
(= TU 50-52). Überhaupt dürfen P.s Studien als Musterbeispiel
für die Arbeit mit dem Material Ehrhards und der Bollan-
disten gelten. Über die Fülle des Materials selbst läfjt sich in
einer Kurzrezension kaum reden. Die Arbeit - eine Dissertation
an der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin
- geht weit über eine Bestandsaufnahme hinaus, sie legt
das oft entscheidend vermehrte Material geordnet und geprüft
vor; umfangreiche Register (S. 287- 321) schließen den Band
auf, eine Spezialbibliographic steht auf den Seiten XV-XXVI.
Die Vorstellung der Handschriftcn(teile) ist mit Hinweisen
auf Sekundärliteratur, Katalognotizen und vor allem auf den
Bestand an verfilmten Texten im Akademiearchiv verbunden
(S. 109- 229). Ober die Gesamtergebnisse und Schlußfolgerungen
für die Edition der Texte ist auf S. 230- 286 berichtet.

Angepriesene Lösungen und tiefschürfende Spekulationen
über Urform und Gehalt dieses Schrifttums liegen dieser Untersuchung
von Natur aus fern. Die mustergültige Gestaltung
der Textausgaben - zu denen Arbeiten wie die vorliegende
hinführen - sind Ausdruck diszipliniertester Forscherarbeit.
Mögliche Folge und gerechter Lohn für die entsagungsvolle
Arbeit am Filigranwerk der Filiationcn sollte eine Neubclebung
der Auseinandersetzungen mit der judenchristlichen Gnosis und
ihren Quellenschriften sein.

Holle/Saale HeinI Berthold

Kraft, Heinrich: Die Kirchenväter. Bis zum Konzil von Nicäa.
Bremen: Schünemann [1966]. XVI, 472 S. kl. 8° = Sammlung
Dieterich, 312. Lw. DM 19.80.

Die bewährte Sammlung Dieterich ist u. a. durch so hervorragende
Bände wie Walthcr Kranz' Geschichte der griechischen
Literatur (Bd. 42), Die griechische Philosophie (Bd. 88) und
M. Rostovtzeffs Geschichte der Alten Welt (Bd. 72/73) bekannt.
Als Bd. 129 erschienen „Die apokryphen Schriften zum NT". Der
vorliegende Band behandelt nach einer knappen Einleitung mehr
theoretischer Art die apostolischen Väter, die griechischen Apologeten
, Clemens und Origenes (und ausführlich auch Philon
und den jüdischen Hellenismus, kürzer die Gnosis), sodann Ire-
näus, Hippolyt, Tertullian, Cyprian und Laktanz. Der Nachdruck
liegt auf den Lateinern, doch werden Minucius Felix und Arno-
bius ausdrücklich (S. 438), aber ohne Begründung übergangen.

Die Widmung „Meinen Heidelberger Lehrern" gilt u. a. H. v.
Campenhausen, mit dessen Urban-Büchern (Bd. 14.50) über die
griechischen und die lateinischen Kirchenväter sich K.s Buch
thematisch überschneidet. Campenhausen beginnt seinen griechischen
Band: „Als .Kirchenväter' bezeichnet man die rechtgläubigen
Lehrer der alten Kirche", K.: „Kirchenväter sind die
rechtgläubigen Lehrer der alten Kirche". Viel weiter geht die
Ähnlichkeit nicht. Im Unterschied zu Campenhausens temperamentvollen
und oft spannend zu lesenden Charakterbildern bemüht
sich K. um vorsichtiges Abwägen. Kräftige Urteile („ Origenes
kann unglaublich langweilig sein", 5.181) treten zurück
hinter abgesicherten Formulierungen („Auch bei zwei unter Konstantins
Namen überlieferten Reden ist eine Mitverfasserschaft
des Laktanz nicht völlig ausgeschlossen", S. 472, Schlußsatz dos
Buches). Manches wirkt etwas eilig hingeschrieben („Nicht alle
Verfasser von Apologien sind Apologeten im technischen Sinn
des Wortes, sondern nur Verfasser von Apologien", S. 59). Die
Eigenart des Buches liegt in der Verflechtung von Text und Zitaten
. Hervorzuheben sind die langen Stücke: Diognetbrief ganz
(10 S., gegen % S. Einleitung), Brief des Ptolemaios an Flora
fast ganz (der Autorname ist nicht genannt, erscheint aber S.
152 in einem dem Uneingeweihten unverständlichen Rückver-
weis), zu Origenes lange Auszüge aus Euseb KG VI 1-23 (ein
gewisser Ersatz dafür, daß Euseb selbst fehlt), Tert. Adv. Pra-
xean 1-11, Cyprian De eccl. cath. unitate ganz (23 S., das längste
Testimonium), Laktanz De ave Phoenice ganz. Daß Darstellung
und Zitate typographisch nicht geschieden sind, erschwert
den Durchblick. Hilfreich ist es. sich bei der Lektüre Altaners
Patrologie oder den handlichen Abriß „The Early Christian Fa-
thers" von F. L. Cross (London 1960) dancbenzulegen, die Werktitel
zu unterstreichen und die Entstehungszeiten am Rande zu
notieren.

Bei der Verteilung der Gewichte hat es ein Editor nicht leicht,
alle Wüsche zu befriedigen. Manchem werden 2l/2 Zeilen über
die Osterpredigt Melitons zu wenig scheinen - „the most im-
portant addition to Patristic literature in the present Century"
(Cross S. 104). Größer ist das Problem bei der Niveaufrage populärer
Darstellungen. Das Buch verzichtet auf Literaturangaben
(einzige Ausnahme S. 100 zu Philon eine Arbeit von Frau Christiansen
, aber „da das Manuskript dieses Buches bei Inangriffnahme
der Arbeit abgeschlossen war, wird auf die an sich erforderliche
Mitteilung der Ergebnisse verzichtet"), obwohl eine
Auswahl von Textbelegen manchen Leser anregen dürfte, die
ganzen Werke kennenlernen zu wollen. Vereinzelte Querverweise
können ein Register nicht ersetzen. Richtet sich das Buch so an
den Laien, so setzt es anderseits nicht geringe Kenntnisse voraus i
Kirchen-, Geistes-, Philosophiegeschichte, einiges Griechisch und
mehr Latein. Der Leser muß wissen, wann das Konzil von Nicäa
war und warum es als Abschluß einer Epoche gelten kann. Er
muß S. 30 ein Zitat aus dem Kanon Muratori in der eigenwilligen
Rechtschreibung der Hs. lesen, Daphnis und Chloc als Werk
des Longos kennen (S. 29), das Zitat „Tim. 28 C" verstehen.

Über die Herkunft der Übersetzungen ist nichts gesagt. Eine
Nachprüfung der Clemens-Zitate zeigt, daß einige Paragraphen
wörtlich aus Stählins Übersetzung in der BKV stammen, andere
überarbeitet, die meisten neu übersetzt sind.

S. 162 ist Strom. V 68,2 eine Zeile Stählins durch Homoiote-
lcuton ausgefallen. S. 462 ist „nicht fallende (faulende?) Äpfel"
als Übersetzungsvariante unmöglich: konnte eine Hilfskraft die
Manuskriptvorlage nicht erkennen? S. 243 wird nicht klar, daß
der Schriftenkatalog der Hippolyt-Statue nicht auf „der Rückseite"
des „sitzenden Mannes", sondern auf der seines Sessels steht.