Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1967

Spalte:

831-835

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Beyschlag, Karlmann

Titel/Untertitel:

Clemens Romanus und der Frühkatholizismus 1967

Rezensent:

Leder, Hans-Günter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

831

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 11

sucht, und mächte daraufhin seine Heimat nach Afrika verlegen
. Diese Schlußfolgerung geht m. E. zu weit. Dagegen bin
ich durchaus geneigt, P. Langlois recht zu geben, wenn er in
kluger Zusammenstellung aller Gemeinsamkeiten und ohne die
mancherlei, besonders stilistischen Schwierigkeiten zu verschweigen
, dafür eintritt, daß der „Mythograph" und der Bischof Ful-
gentius ein und dieselbe Person gewesen seien (S. 94-105).
Ilona Opelt erwärmt sich überraschenderweise für den literarischen
Reiz und Wert von Probas Vergil-Cento, führt aber
das höchst einseitige und anstößige Bild, das er vom „zürnenden
Christus" entwirft, nicht auf die Gebundenheit an die Vorlage
, sondern auf Probas eigene Theologie zurück. Die kirchliche
Verurteilung ihres Machwerks als „apokryph" erscheint danach
jedenfalls gerechtfertigt.

Zwei Aufsätze von weiter greifender Bedeutung seien zum
Schluß genannt. C. Colpe bestimmt in seinem Hermann Dör-
ries gewidmeten Aufsatz zunächst einleitend die gegenwärtige
Lage in der Gnosisforschung und möchte dann „die Thomaspsalmen
als chronologischen Fixpunkt in der Geschichte der orientalischen
Gnosis" ausmachen (S. 77-93). Sie lassen sich als Dichtungen
des Manischülers Thomas recht genau datieren, und ihre
Verwandtschaft mit bestimmten mandäischen Texten soll sich so
erklären, daß sie in einem entsprechenden geistigen und sprachlichen
Milieu ihren „historischen Ort" hatten. Beide Quellen
zusammen erlauben dann die Kennzeichnung einer bestimmten,
der zweiten Entwicklungsstufe der orientalischen Gnosis, deren,
Geschichte in insgesamt fünf Etappen ebenso kühn wie faszinierend
skizziert wird, Theologisch wesentlich ist die abschließende
Feststellung, daß die Erlöserlehre, obschon nach Christus
entstanden, doch keine christologische Beeinflussung erfahren
hat, also aus der inneren Nötigung des „Systems" erwuchs -
mag auch diese typische Entwicklung durch christliche Konkurrenz
meist beschleunigt und akzentuiert worden sein. - Zur
Jahrestagung des Vereins zur Förderung des F. J. Dölger-Insti-
tuts 1965 hielt J. Waszink einen glanzvollen Vortrag über
„die griechische Tragödie im Urteil der Römer und der Chri-
ten", mit dem die Reihe der Aufsätze beschlossen wird
(S. 139-148). Er betont einleitend, was der moderne Beurteiler
leicht vergißt, für den antiken aber unübersehbar im Vordergrund
stand: die griechische Tragödie behandelt nicht bloß
Mvthen. sondern ließ die göttlichen Mächte auch in entscheidender
Weise mitspielen und die menschliche Lebenswelt durchkreuzen
. Eben darum blieb die Tragödie, wie schon das Lehnwort
zeigt, den Römern fremd, die von Haus aus keine anthro-
pomorphen Götter und keine eigenständigen Mythen kannten.
Die Christen aber lehnten die Tragödie erst recht ab wegen
ihrer mythischen „Unwahrheit" und Immoralität. Freilich kannten
sowohl die Römer wie die Christen trotzdem tragische Situationen
, die Christen vor allem im Leiden Christi und der Märtyrer.
Das ist freilich nur dann richtig, wenn man den Begriff
des Tragischen sehr weit und locker faßt. Denn man kann die
„Passionsspiele", mit deren Erwähnung der Vortrag schließt,
mit einigem Vorbehalt zwar Dramen, aber gewiß nicht im,
strengen Sinne Tragödien oder tragisch nennen. Aber die originelle
Beleuchtung, unter die das alte, viclverhandelte Thema
gerückt wird, macht die Darlegungen doch höchst lesenswert -
nicht nur für die unmittelbaren Interessenten des „Jahrbuchs für
IVntike und Christentum".

Heidelberg H. v. Campenhausen

Beyschlag, Karlmann: Clemens Romanus und der Frühkatholizismus
. Untersuchungen zu I Clemens 1-7. Tübingen:
Mohr 1966. VII, 396 S. gr. 8° = Beiträge z. historischen
Theologie, hrsg. v. G. Ebeling, 35. DM 68.-; Lw. DM 74.-.

„In Wahrheit steht das Christentum des I. Clem. nicht i n,
sondern hinter allen alttestamentlichcn, neutestamentlichen
und heidnischen Zitaten und dort als die zunächst ganz anonyme
römische Gemeindetradition". Damit ist der Horizont der
hier anzuzeigenden, in ihrer Bedeutung weit über die behandelten
cc. des I. Clem. hinausreichenden Untersuchungen des
Erlanger Kirchenhistorikers abgesteckt. B. möchte zwei, vornehmlich
gegen die von Sanders vertretene Theorie vom - hellenistisch
stilisierten - Paulinismus des I. Clem. gerichtete Nachweise
führen: a) „daß die geistige Welt des Clemens Romanus
. . . die . . . unpaulinische Überlieferung der jüdisch-frühchristlichen
Apologetik gewesen ist" (III), b) (als Indizienbeweis
) daß Clemens in seinem Schreiben weithin vorclementische,
römische Gemeindetradition verwendet und bearbeitet hat.

Der zur Verfügung stehende Raum läßt eine der außerordentlichen
Vielfalt und dem Gehalt der Untersuchungen adäquate
Skizze ihres Inhaltes nicht zu. So muß sich der Rez. auf
einige Andeutungen und Anfragen beschränken.

Nach einer kritischen Übersicht über „die noch immer überblickbar
" gebliebene Clemensforschung seit A. v. Harnack und
Erörterungen zur Methode (es geht um eine die inhaltlichen
Motive bevorzugende traditionsgeschichtliche und quellenkritische
Analyse von I. Clem. 1-7 / Kap. 1: S. 1-47) widmet B.
das 2. Kap. (S. 48-134) der motivgcschichtlichen Untersuchung
der Beispielreihe von I. Clem. 4. Ausgangspunkt ist das verkürzte
Zitat von Sap. Sal. 2,24 in I. Clem. 3,4. Die motivge-
schichtlich orientierte quellenkritische Untersuchung des vielfältigen
patristischen und z. T. auch jüdischen Vergleichsmaterials
führt zu folgendem Ergebnis: Als Urform der der Adamshag-
gada entstammenden, vor Clem. bereits jüd.-apologetisch bearbeiteten
alttestamcntl. Beispielreihc in Clem. 4 „ist eine - wahrscheinlich
7-stellige - Syzygienliste anzusehen" (132), die von
Adam bis auf den Messias führte, christianisiert bis auf Jesus
(und seine Gegner); dieses letzte Glied ist bei Clem. verdrängt
durch die Apostel Paulus und Petrus. Der Abstand zu Pls. erscheint
in der ihm im Grunde fernliegenden, „von I. Clem. 4
vorausgesetztc(n) apologetische(n) Dreivölkerlehre" (132) sowie
in der verschiedenen Beurteilung von Gemeindespaltungen bei
Pls (die Kor. stehen deshalb nicht „außerhalb der Heilsgemeindc")
und Clem.: die Kor. sind bereits im Begriff, „auf die Seite der
Götzendiener und Verfolger der Kirche überzugchen" (133). Nur
die Möglichkeit der Buße („auch der I. Clem. - ist - im Kern
nichts anderes als eine Schrift zur 2. Buße" (145)!) rettet sie
vor der Verwerfung.

Das 3. Kap. (S. 135-206) wendet sich den in der Gegenüberstellung
von „Einst" und „Jetzt" der kor. Gemeinde (I. Clem.
1-3) benutzten Motiven zu. Die Untersuchung der herangezogenen
patristischen und jüdischen Texte ergibt, daß Clem. älteren
, apologetischen Überlieferungen folgt, die er lediglich auf
Korinth appliziert und entsprechend stilisiert hat. Damit fällt
auch ein Schlaglicht auf seine „zunächst schwer durchschaubare
. . . und nicht unkomplizierte Redaktionstechnik" (189). Sie erweist
sich „in der gewandten Synthese und Interpretation einander
nahestehender Überlieferungen zu neuer Gestalt" (190).
So hat er z. B. die jüdische Zwei-Wege-Lehre als „Modell für
das Einst und Jetzt der kor. Gemeinde herangezogen", sie freilich
rhetorisch stilisiert.

Das 4. Kap. (S. 207-328) befaßt sich vorwiegend mit den
„Apostelmartyrien" und ihrem Rahmen in I. Clem. 5-7 und
führt in zunehmendem Maße in unübersichtlichere quellenkritische
Probleme. Der Gang der Untersuchung wie die zahlreichen
Einzelergebnisse lassen sich hier auch nicht andeutend würdigen
. In der Grundrichtung liegt eine Entsprechung zu den
Ergebnissen der vorangegangenen Kapitel vor: Clemens erweist
sich erneut als in einem relativ breiten, vielfach anonymen und
z. T. apokryphen Traditionsstrom stehend. So bietet er nicht
eigene schriftstellerische Konzeption, sondern spezifisch bearbeitetes
Traditionsgut verschiedener Herkunft.

Im Schlußkapitel (S. 329-353) werden die Ergebnisse noch
einmal je im Längs- und im Querschnitt vorgeführt und kir-
chen- wie dogmengcschichtlich ausgewertet. Hier rundet sich
das Ermittelte zu einer bemerkenswerten „Skizze des Katholizismus
der ersten Jahrhunderte" (350). „Nahezu alles, was den
Frühkatholizismus, zumal westlicher Prägung, konstituiert, ist
uns bei der Analyse der ersten Clemcnskapitcl begegnet" (ebda).
Abschließend betont B. - in einer Art Apologie seines motivgeschichtlichen
Untersuchungsverfahrens - Mächtigkeit und Relevanz
„gerade der anonymen christlichen Tradition" (352) und führt
ausblickend zu der Frage nach den Beziehungen zwischen „kn-