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Ausgabe:

1967

Spalte:

827-829

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Den Danske Kirkes Historie 1967

Rezensent:

Ottosen, Knud

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und das Pfarramt der Marienkirche berufen. Auch die zweiten
Geistlichen der Kirchen wurden vielfach mit Universitätsämtern
betraut. Dem Doppelamt konnten auf die Dauer wohl die wenigsten
gerecht werden. So ist verständlich, daß bei wachsender
Entkirchlichung von Seiten der Gemeinde auf die Entflechtung
der Ämter gedrängt wurde.

3. Weil Gustav Adolf von Schweden als Retter aus höchster
Not im Gedächtnis der Greifswalder fortlebte, hielt man dem
lutherischen Schweden bis zum endgültigen Niedergang seiner
norddeutschen Machtstellung auch politisch die Treue, vornehmlich
in den Kriegen mit Brandenburg. Von Brandenburg her befürchtete
man ständig die reformierte Bedrohung und hielt um
so fester am Luthertum. Darum konnte sich auch der Pietismus
nicht durchsetzen, wie allgemein in Norddeutschland. Nur in
einer kurzen Zeit starken politischen Einflusses des pietistenfreundlichen
Dänemark konnte er an Boden gewinnen. Aber
Aufklärung und Liberalismus erzielten tiefe Einbrüche. Gern erführe
man Näheres zu der wiederholt geäußerten Ansicht, daß
die Vernichtung des Bauernstandes an der um sich greifenden
ländlichen Unkirchlichkeit die Hauptschuld trüge. Der Komplex
„Unkirchlichkeit" bedarf noch sehr der frömmigkeitsgeschichtlichen
Erhellung. Bemerkenswert scheint uns die Freudigkeit zu
Erinnerungsfesten durch die Jahrhunderte zu sein. Zur Erinnerung
an Turmeinstürze 1515 und 1650 feierte man jährlich das
Turmfest, an die Schreckenszeit unter dem kaiserlichen Oberst
Perusi während des dreißigjährigen Krieges das Perusifesr, an
zwei Großbrände des 18. Jahrhunderts das Brandfest, an die Errettung
aus Belagerung 1659 das Belagerungsfest, an einen Sieg
1327 das Fürstenfest! Eine stattliche Reihe! Muß man auf einen
besonders entwickelten kirchlichen und bürgerlichen Geschichtssinn
schließen? Mit Bewegung liest man, daß der 1944 wegen
Wehrkraftzersetzung hingerichtete katholische Pfarrer Wachsmann
in einer triumphalen Prozession auch unter Beteiligung der evangelischen
Pfarrer zu Grabe geleitet wurde.

Kritisch haben wir uns gefragt, an welche Lesergemeinde
Heyden gedacht haben wird. Doch wohl nicht nur an Theologen
und andere Akademiker! Darf man dann die nicht wenigen lateinischen
Zitate unübersetzt lassen? Bedürfen dann nicht auch
Wort wie „Inkunabel", „Archidiakon" der Erläuterung? Der auf
S. 233 und im Register genannte Amtsgerichtsrat heißt Lachmund
(nicht Sachmund). Ausgezeichnet ist der Bildanhang.

Rostock Gottfried H o I t z

Den Danske Kirkes Historie. Under Redaktion af Niels Knud
Andersen og. P. G. Lindhardt, III. Kopenhagen: Gyl-
dendal [1965]. 433 S. m. 56 Abb. gr. 8°.

Dieser Band der dänischen Kirchengeschichte, der die Zeit
von 1448 bis 1536 umfaßt, ist von den Kirchengeschichtlern
N. K. Andersen (Kopenhagen) und P. G. Lindhardt (Aarhus)
geschrieben. Die kirchenpolitische Entwicklung unter den Königen
Christiern I (1448-81) und Hans (1483-1513) ist von
N. K. A. beschrieben, während P. G. L. den Zeitraum von 1513
bis 1536 unter den Königen Christiern IT (1513-
-23), Frederik I (1523-33) und die ersten Jahre der Regierung
Christians III behandelt. Darüber hinaus bringt P. G. L. eine
Darstellung des religiösen Lebens im Spätmittelalter. Überall
sind die neuesten Einzeluntersuchungen berücksichtigt, und wo
solche nicht vorhanden sind, haben die Verfasser die Quellen
durchgearbeitet und selbständige Untersuchungen und Studien,
gemacht. Besonderes Interesse erweckt der Abschnitt vom religiösen
Leben im Spätmittelalter (S. 109-207), da man hier
einer gesamten Darstellung des mittelalterlichen religiösen Lebens
in Dänemark innerhalb und außerhalb der Kirche vorgestellt
wird. Nach einer kurzen Einführung in das mittelalterliche
Weltbild nach dem .dänischen" Lucidarius (um 1350 übersetzt
), hebt der Verfasser das starke dualistische Gepräge dieses
Zeitraums hervor, wo Leib und Seele Walstatt eines ewigen
Kampfes zwischen göttlichen und dämonischen Mächten sind.
Darauf folgt ein Abschnitt mit der Oberschrift: .Die heiligen
Handlungen", in welchem die Sakramente der Kirche und die

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sogenannten Sakramentalien nach den liturgischen Quellen wiedergegeben
werden. Mit Recht wird die Ordination als das
Sakrament an den Anfang gestellt, .worauf die Errichtung einer
wirkungsvollen Beziehung zwischen Himmel und Erde beruht",
da die Bischöfe nur kraft dieses Sakraments die volle apostolische
Autorität besaßen. Mit den wenigen Studien über die
dänische mittelalterliche Liturgie nimmt man an, daß die allgemeine
liturgische Entwicklung einigermaßen der folgt, die
die hiesigen Pontifikalien bezeugen: Ein früher deutscher Einfluß
, der im 12. Jh. durch einen französischen ersetzt wird, wonach
wiederum ein großer deutscher Einfluß sich geltend
machte. In Zusammenhang mit einer Durchnahme der einzelnen
Sakramente werden Ergänzungen hinzugefügt. So wird
z. B. eine Besprechung des Wallfahrts- und Ablaßwesens mit
der Behandlung des Sakraments der Busse verbunden. Im Abschnitt
über „das heilige Leben" wird zur Einleitung die Theologie
besprochen, die, bis der Bibelhumanismus mit dem Kar-
meUten Poul Helgesen Fuß faßte, völlig von der thomistischen
Scholastik beherrscht war. Von der Predigt gibt das spärliche
Quellenmaterial nur wenig Auskunft. Weiterhin werden die Ausdrucksformen
des Gebets und der Frömmigkeit aus dem reichhaltigen
Material der Andachts- und Gebetbücher heraus behandelt
. An Hand von vielen Beispielen zeigt der Verfasser, wie
man der Hersagung der verschiedenen Gebete eine rein magische
Wirkung beigemessen hat. Die Andacht wurde von einer
Leidensfrömmigkeit beherrscht, die mit krassem Realismus bei
den Leiden Jesu verweilte, darüber hinaus von einem Maricn-
kult, der in allen Kreisen der Bevölkerung verbreitet war und
der zur Bildung von Rosenkranzgilden und Marianerkonventen
im ganzen Lande führte. Aus der Allerheiligenlitanei heraus
wird die ganze Heiligenschar besprochen, indem für die Legende
jedes einzelnen Heiligen Rechenschaft abgelegt wird,
wann und wie er nach Dänemark gekommen ist und was man
sich von einer Anrufung versprach. In dem letzten Abschnitt
werden die Versuche besprochen, die darauf zielten, die Klöster
zu reformieren, was jedoch großen Widerstand hervorrief und
als Ganzes mißglückte. Nur die Franziskaner wurden reformiert
nach einem langen und bitteren Streit, der nur auf Grund eines
Eingreifens des Königs zu Gunsten der Observanten endete.

Was die Darstellung der kirchengeschiclitlichcn Entwicklung
von 1448 bis 1536 anbelangt, sollen nur einige wenige wesentliche
Zusammenhänge hervorgehoben werden. In der Regie-
rujagszeit Christierns I wird die Macht des Königs Adel und
Kirche gegenüber auf Kosten der Selbständigkeit der Kirche
befestigt dank einer Zusammenarbeit zwischen König und Papst.
Kurialc Ämterjäger und die päpstliche Geldpolitik schadeten
der Autorität sowohl des Erzbischofs als auch der der Diözesan-
bischöfe. Unter der Regierung König Hans' (1483-1513) wird
die Herrschaft über die Kirche in Zusammenarbeit mit dem
tüchtigen Erzbischof Birger Gunncrsen bewahrt. Nach seinem
Tode stritten sich fünf Bewerber um sein Amt, doch keinem
gelang es je, geweiht zu werden. Mit Hilfe des Bürgertums beherrschte
König Christiern II (1513-23) mit machiavellistischer
Rücksichtslosigkeit die Kirche. Das vertraute Bild Christierns II
als des zynischen Renaissancefürsten ergänzt der Verfasser durch
einen Nachweis der völligen Abhängigkeit von seinen Ratgebern
, die alle dem Bürgertum angehörten. Seine scheinbar
„demokratische" Politik entsprach jedenfalls keiner demokratischen
Gesinnung, sondern war nur ein Mittel seiner Politik,
den Einflufi des Adels zu beschränken.

Nach einem kurzen Abriß der allgemeiner, religiösen Entwicklung
im Ausland, besonders mit Hinblick auf Erasmus und
Luther, wird der Bibclhumanismus in Dänemark behandelt. Der
bedeutsamste Vertreter des Bibelhumanismus war der Karmeliter
Poul Helgesen, und sein Verständnis von Bibel und Reform gab
einer ganzen Generation von Priestern ihr Gepräge. Hclgesens-
Bibelhumanismus stimmte mit einer politischen Stimmung für
eine nationale Kirche gut überein, und in diesem Zusammenhang
hielt Karlstadt sich auf Veranlassung Chr. II Mai-Juni
1521 in Kopenhagen auf. Beide Seiten waren doch bald über
das Mißverständnis im klaren. Die Politik Chr. II dem Adel
gegenüber verursachte einen Aufstand, und er mußte sein Reich

Theologische Literaturzeilung 92. Jahrgang 1967 Nr. 11