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Ausgabe:

1967

Spalte:

795-798

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Heinemann, Heribert

Titel/Untertitel:

Die rechtliche Stellung der nichtkatholischen Christen und ihre Wiederversöhnung mit der Kirche 1967

Rezensent:

Pirson, Dietrich

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Im 2. Kapitel „Konflikte im Alltag" schildert der Verf. typische
Nöte des heutigen Menschen wie Langeweile, Überdruß, Übermüdung
und Depression und führt sie zurück auf einen Mangel
an Liebe und Hingabe an Wesentliches. Entsprechend sieht er
die Möglichkeit der Oberwindung in der Zuwendung zum Wesentlichen
und in der Kunst, „lieben (zu)lernen in den Wedsen,
wie sie die Stunden fordern" (42). „Enttäuschungen zwischen
Mann und Frau" werden im 3. Kapitel mit viel Verständnis für
die unreife Liebe besonders der jungen Menschen mit ihren
Ängsten, Idealisierungen und Sehnsuchtsbildern dargestellt. Im
Verzicht auf Traumbilder der Jugend, durch Übung in Geduld
und Vergebungsbereitschaft muß Liebe gelernt werden, damit
der Sinn der Liebe, einander Frieden zu schenken, sich erfüllen
kann und „Mann und Frau füreinander heilend zum Heile werden
können" (95). Auch bei den abschließend behandelten Nöten
der Krankheit, des Todes, des unerfüllten Lebens, der Selbstmordanfechtung
geht der Verf. über die Diagnose hinaus, macht
den geheimen Sinn des Leides durchsichtig und ruft auf zur
Annahme des leidvollen Lebens, zu einer Bejahung, die dann
auch Freude und Hoffnung möglich macht.

Für die Seelsorge an sich selbst und an anderen kann man
aus der Schrift, in welche moderne Tiefenpsychologie und Psychotherapie
geschickt eingearbeitet sind, viel lernen, insbesondere
aus den praktischen Ratschlägen. Vorteilhaft für das Gespräch
mit dem heutigen Menschen ist der - offenbar bewußt -
sparsame Gebrauch theologischer Begriffe und Aussagen. Die
Kehrseite dieses Vorzuges ist allerdings ein mehrfacher Verzicht
auf eine letzte Eindeutigkeit der Definition und Vertiefung von
Sachverhalten, die nur in theologischer Sprache möglich sind. So
bleibt fraglich, ob der Ratsuchende immer zum ausreichenden
Verständnis, z. B. der Väterlichkeit, der Liebe, des Wesentlichen,
des Sinnes usw. kommt und woher er ausreichende Kraft zur
Befolgung der an sich guten Ratschläge nehmen soll. Dennoch
enthält die aus reicher Erfahrung stammende Schrift eine gute
Lebenshilfe für jedermann.

Leipzig Adelheid Rensch

KIRCHENRECHT

Heinemann, Heribert: Die rechtliche Stellung der nichtkatholischen
Christen und ihre Wiederversöhnung mit der
Kirche. München: Hueber 1964. XX, 222 S. gr. 8° = Münchener
Theolog. Studien, hrsg. v. J. Pascher, K. Mörsdorf, H.
Tüchle, III. Kanonistische Abteilung, 20. Bd. DM 22.-.

Das kanonische Recht und die Kanonistik haben bis in die
jüngste Zeit hinein der Frage nach den Grenzen der römischkatholischen
Kirche in personeller Hinsicht relativ wenig Beachtung
geschenkt. Das hängt zusammen mit dem eigentümlichen
Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche, das zu einem
konfessionellen Absolutheitsanspruch zwingt und es darum nicht
zuläßt, daß die Lösung eines Teiles der Christenheit von der
römisch-katholischen Kirche als legitim anerkannt wird. Die Belebung
des ökumenischen Denkens hat dazu beigetragen, daß
sich auch die Kanonistik anschickt, die Selbstbeschränkung auf
die hergebrachte innerkirchliche Problematik preiszugeben und
die dogmatisch schwierigen Fragen anzugreifen, die sich beim
Versuch einer rechtlichen Qualifizierung der nichtkatholischen
Christenheit einstellen.

Natürlich hat das bisherige Recht die Existenz von Nicht-
katholiken nicht völlig ignoriert. Die römisch-katholische Kirche
kann ihre Rechtsordnung nicht auf einen Teil der Christenheit
beschränken, weil für sie der Anspruch unverzichtbar ist, daß
jeder unter Verwendung der trinitarischen Formel getaufte
Mensch ihrer Rechtshoheit unterstellt sei. Dieser aus dem Absolutheitsanspruch
gewonnene Ausgangspunkt für die rechtliche
Erfassung der Nichtkatholiken ist eindeutig und auch durch die
neueren innerkatholischen Reformtendenzen wohl kaum in Frage
gestellt. Aber in den Einzelfragen weist das „Häretikerrecht"
verschiedene Unklarheiten und Inkonsequenzen auf, was in

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neuerer Zeit stärker zum Bewußtsein gekommen ist. Auch die
vorliegende Abhandlung Heinemanns bestätigt diesen Befund.
Das Buch ist in vorkonziliarer Zeit entstanden. Der Verfasser
ist nicht von der Absicht geleitet, die rechtliche Beurteilung der
Nichtkatholiken auf eine völlig neue Basis zu stellen und die
hergebrachte Systematik aus den Angeln zu heben. Offensichtlich
ist er der Auffassung, daß sich die aktuellen Probleme durch
Einzelkorrekturen in der bisherigen Praxis und herrschenden
Meinung bewältigen lassen. Angesichts dessen (vermißt) man
doch etwas den Versuch, die Thematik mit den allgemeinen Fragen
der gegenwärtigen kirchlichen Neubesinnung in Zusammenhang
zu bringen.

Bei dem Bemühen, den Unterschied in der Rechtsstellung von
Katholiken und Nichtkatholiken zu erfassen, greift Heinemann
auf die von Mörsdorf vorgeschlagene Terminologie zurück, wonach
zu unterscheiden sei zwischen konstitutioneller und tätiger
Gliedschaft (vgl. K. Mörsdorf in Theologie und Seelsorge, 1/1944,
S. 115-131; AkathKR 130/1961, K. 31-58). Konstitutionelle Gliedschaft
bezeichnet danach die durch die Taufe vermittelte habituelle
Befähigung, Träger kirchlicher Rechte und Empfänger
kirchlicher Gnadenwirkungen zu sein; effektiven Anteil an den
kirchlichen Rechten und Pflichten erhält jedoch nur der Glaubige
, der durch eigene Glaubensentscheidung in den Bereich der
tätigen Gliedschaft getreten ist. Wie aus Heinemanns Darlegungen
hervorgeht, gibt die herkömmliche Einteilung der Nichtkatholiken
in Apostaten, Häretiker und Schismatiker wenig her
für die heute im Verhältnis zu den Nichtkatholiken aktuellen
Fragen, weil jene Einteilung allein an den Umstand anknüpft,
der zur Trennung von der römisch-katholischen Kirche geführt
hat. Bedeutungsvoller für die rechtliche Ordnung der Beziehungen
zu den Nichtkatholiken ist die Unterscheidung zwischen
materiellen und formellen Häretikern, bzw. Schismatikern -
eine Unterscheidung, die an die unterschiedliche Einstellung des
nichtkatholischen Chrislen zu seiner Verfehlung anknüpft: Formelle
Häresie ist die bewußte und hartnäckige Leugnung der
Wahrheit; materielle Häresie ist nach der Formulierung Heinemanns
„die des Irrtums nicht bewußte Leugnung der Wahrheit"
(S. 23). Nach Heinemann ist der Begriff des materiellen Häretikers
gleichbedeutend mit dem im kanonischen Recht ebenfalls
geläufigen Begriff des „bona fide errans" (c. 731, § 2 CJC). Die
Begriffsbestimmung wird wesentlich, weil Heinemann die in der
kirchlichen Praxis üblich gewordene Gleichbehandlung von formellen
und materiellen Häretikern als verfehlt bekämpft. Er
mißt, auch hierin Mörsdorf folgend, der Aussage des c. 87 CJC
hohe Bedeutung bei, nach welcher es zwei Ursachen gibt für
die Suspendierung der kirchlichen Mitgliedschaftsrechte, nämlich
die Exkommunikation, die eine Kirchenstrafe darstellt, und das
von einem strafbaren Verhalten unabhängige Vorhandensein,
eines „obex". Nach Heinemann sind alle gutgläubigen Häretiker
nicht ohne weiteres der Exkommunikation verfallen, sondern
lediglich aufgrund eines „obex" an der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte
gehindert (S. 76 ff.). Der Unterschied liegt nicht
etwa darin, daß die materiellen Häretiker rechtlich besser gestellt
seien, sondern lediglich darin, daß bei ihnen der Ausschluß
von den Mitgliedschaflsrechten allein auf einem objektiven
Mangel beruht und nicht auf ein vom Häretiker verschuldetes
Verhalten zurückgeführt wird.

Es ist nicht zu verkennen, daß diese Feststellung den Ansatzpunkt
für eine positivere Beurteilung der nichtkatholischen
Christenheit bieten kann. Eine ganz entscheidende Frage ist
nun natürlich, wieweit der Kreis der gutgläubigen Häretiker zu
ziehen ist. Aber gerade in diesem Punkt sind die Darlegungen
Heinemanns zu knapp ausgefallen. Heinemann scheint der Auffassung
zuzuneigen, daß die geborenen Häretiker oder Schismatiker
, also heute die ganz überwiegende Zahl der nichtkatholischen
Christen, in der Regel als gutgläubig gelten müssen (S.
23 f.). Seine Argumentation reicht aber wohl kaum aus, um dieser
Auffassung allgemeine Anerkennung zu verschaffen. Die
Voraussetzungen der Gutgläubigkeit bleiben im unklaren. Wenn

Theologische Literaturzeitung 92. Jahrgang 1967 Nr. 10